Medizinische Berufe im Kreis Heinsberg : Arzt-Assistentin, nicht Assistenzärztin
Kreis Heinsberg Carolin Burchert vom Hermann-Josef-Krankenhaus in Erkelenz ist nicht Frau Doktor Burchert und auch nicht Schwester Carolin. Sie ist Physician Assistant und damit die rechte Hand des Arztes, ohne Assistenzärztin zu sein.
Carolin Burchert trägt einen grünen Chirurgen-Kasak, als sie die OP-Schleuse öffnet. Sie hat mehrere Stunden dieses Arbeitstages OP-Tisch gestanden, hat dem Urologen geholfen, eine Harnleiterschiene zu legen.
Obwohl sie keine Ärztin ist, übernimmt sie am Hermann-Josef-Krankenhaus in Erkelenz viele Aufgaben eines Assistenzarztes. Doch statt einer Assistenzärztin ist sie vielmehr Arzt-Assistentin. Genau genommen ist Carolin Burchert Physician Assistant (PA). So heißt der neue akademische Beruf im deutschen Gesundheitswesen. Der Bachelor Studiengang, in dem Lehrinhalte der Medizin vermittelt werden, dauert in der Regel sechs Semester, schließt man den Master-Studiengang an, dauert es entsprechend länger. Dennoch ist es kein Vergleich zu der umfassenden Ausbildung eines Arztes.
In den USA, Großbritannien oder in vielen europäischen Nachbarländern sind sie schon seit Jahren etabliert. Und auch in Deutschland stellen Kliniken immer häufiger medizinisches Fachpersonal an. Das Geilenkirchener Krankenhaus beispielsweise setzt auf sogenannte CTAs, Chirurgisch Technische Assistenten, einen Ausbildungsberuf. Die CTAs sollen die Ärzte vor allem bei Operationen unterstützen.
Laut Aussagen des Chefarztes der Orthopädie und Unfallchirurgie am Krankenhaus Geilenkirchen, Dr. Achim Dohmen, sind seine CTAs ein integraler Bestandteil des Teams- und dabei hervorragend qualifiziert. Dohmen sieht diese medizinischen Fachangestellten praktisch als Bindeglied zwischen Ärzten und Pflegepersonal als „echte Bereicherung für das Team“. So empfindet es auch Privatdozent Dr. Christian Niedworok, Chefarzt der Urologie am Hermann-Josef-Krankenhaus in Erkelenz.
„Physician Assistants sind da, um die Ärzte zu unterstützen“, bringt er die Aufgabe der Mitarbeiter in medizinischen Assistenzberufen auf den Punkt. Dazu gehört das Assistieren bei Operationen und Unterstützung bei Diagnostik und Therapie. Das war bislang den Assistenzärzten vorbehalten. Und auch das Erstgespräch führt die 24-Jährige Carolin Burchert und kann schon die ersten Behandlungsschritte einleiten, indem sie Ultraschalluntersuchungen durchführt, Blut abnimmt oder Zugänge legt.
Das verkürzt für die Patienten die Wartezeit und garantiert einen reibungslosen Ablauf. Auch ein erstes klärendes Gespräch über den Ablauf der Behandlung auf der Station und im OP wird gerne in dieser Situation geführt. „Dennoch verbleibt die medizinische Gesamtverantwortung immer beim behandelnden Arzt. So darf ein PA keine Erstdiagnose stellen und auch keine Therapie einleiten“, erklärt Chefarzt Christian Niedworok. „Der Arzt delegiert die weiteren Aufgaben an den Arzt-Assistenten – sie arbeiten Hand in Hand.“
Caroline Burchert hat ihren Traumjob gefunden und fühlt sich eher als Niedworoks rechte Hand. „Der Beruf hat so viele verschiedene Facetten. Ich mag den Umgang mit den Patienten, aber auch das Handwerkliche im OP“, sagt sie. Das Berufsbild PA ist ebenso wie CTA und viele andere medizinische Fachberufe eine Konsequenz des stetigen Ärztemangels an deutschen Hospitalen. An rund 80 Prozent der Krankenhäuser gibt es freie Arztstellen, während die Zahl der Patienten stetig steigt. Deshalb brauchen die Mediziner auch dringend Hilfe, um ihre Arbeit noch bewältigen zu können. Aber auch der Kostendruck der Krankenhäuser spielt eine Rolle. Denn die Lohnkosten für medizinisches Fachpersonal sind deutlich geringer als die für einen Arzt. Mit der Anstellung der Fachangestellten gelingt es den Krankenhäusern trotz Ärztemangels und Kostendruck, den Medizinern den Rücken freizuhalten, damit diese sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können.
Christian Niedworok ist dankbar, dass er mit Carolin Burchert eine ganz besondere Assistentin gefunden hat. Immerhin gebe es viele organisatorische Abläufe in einem Krankenhaus, die nicht zwingend von einem Operateur erledigt werden müssten, etwa Arztbriefe schreiben oder Aufnahmegespräche führen, die aber dennoch ein umfassendes medizinisches Knowhow voraussetzen. Solche kann dieser nun teilweise an seine PA delegieren. Bleibt jedoch die Frage, ob die zehn Assistenzärzte am Hermann-Josef-Krankenhaus dabei nicht auf der Strecke bleiben, wenn medizinische Fachangestellte wie PA Carolin Burchert einen Teil ihrer Arbeit erledigen?
„Nein,“, antwortet darauf Christian Niedworok, „die Ausbildung der Assistenzärzte ist auf gar keinen Fall gefährdet.“ Und auch Konkurrenzkämpfe zwischen Assistenzärzten und PAs, die deren Aufgaben immer häufiger übernehmen, gebe es am Hermann-Josef-Krankenhaus nicht, betont Carolin Burchert. „Natürlich könnten auch die Assistenzärzte die Routineaufgaben übernehmen. Doch wenn man ihnen diese Abläufe abnimmt, können sich die Ärzte anderen Aufgaben widmen“, sagt sie.
„Die Ärzte merken, dass wir ihnen das Leben wirklich einfacher machen.“ Und auch von den Patienten hat sie noch nie Negatives gehört – auch, wenn sie oft erklären muss, dass sie weder Frau Doktor Burchert, noch Schwester Carolin ist. „Die Patienten sind dann oft interessiert, sehen aber die Vorteile meiner Anwesenheit für ihren Aufenthalt“, sagt sie. Denn immerhin profitieren am meisten die Patienten davon, wenn ihr Arzt mehr Zeit für sie hat.