Keyenberg, Kuckum und Co. : Ampel-Koalition will Garzweiler-Dörfer retten
Erkelenz/Berlin Fünf Erkelenzer Dörfer am Tagebau Garzweiler sollen erhalten bleiben, das hat die Berliner Ampel in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt. Und was wird jetzt aus Lützerath?
Die neue Ampel-Koalition hat sich klar zur Rettung der fünf bedrohten Erkelenzer Dörfer am Tagebau Garzweiler bekannt. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hervor. Eine so klare Festlegung zum Erhalt der Garzweiler-Dörfer hatte bislang noch keine Bundes- oder Landesregierung gewagt. Bei Lützerath will sich die Koalition jedoch nicht festlegen.
Der Berliner Koalitionsvertrag wird von Gegnern des Tagebaus Garzweiler folglich als „bedeutender Etappensieg“ verbucht. Das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ feiert den Erhalt von fünf Erkelenzer Dörfern am Tagebau Garzweiler als „starken Erfolg ihrer jahrzehntelangen Proteste“. Allerdings lesen sie das Koalitionspapier auch nicht durch die rosarote Brille: „Der Plan, noch bis 2030 weiter Kohle abzubaggern und das Schicksal des akut bedrohten Dorfes Lützerath den Gerichten zu überlassen, stößt bei den Bewohnern auf massives Unverständnis“, teilte das umsiedlungskritische Bündnis mit.
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien heißt es mit Bezug auf den Tagebau Garzweiler: „Die im dritten Umsiedlungsabschnitt betroffenen Dörfer im Rheinischen Revier wollen wir erhalten.“ Damit sind die Erkelenzer Dörfer Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath gemeint. Im Koalitionsvertrag heißt es weiter: „Über Lützerath werden die Gerichte entscheiden.“
„Einerseits empfinde ich riesige Erleichterung und Freude über die Rettung unseres Zuhauses, andererseits bin ich schockiert, dass Lützerath weiter für klimaschädliche Braunkohle abgebaggert werden soll“, sagt Waltraud Kieferndorf aus Kuckum von der Gruppe „Menschenrecht vor Bergrecht“. Alexandra Brüne vom Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ ergänzt: „Die Ampel-Koalition ist weiterhin bereit, unser Nachbardorf Lützerath im Tagebau zu begraben und dafür Eckardt Heukamp zu enteignen. Doch mit der Zerstörung von Lützerath ist die 1,5-Grad-Grenze nicht einzuhalten. Darum gehen unsere Proteste weiter. Fünf Dörfer haben wir gerettet, und den Kampf um Lützerath werden wir auch gewinnen!“
Eckardt Heukamp, der letzte Landwirt aus Lützerath, wehrt sich derzeit vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen seine vorzeitige Enteignung zugunsten von RWE. Das Dorf selbst sei zurzeit von etwa 100 Aktivisten bewohnt, teilte „Alle Dörfer bleiben“ mit. Ende Oktober kamen zu einer Demonstration für den Erhalt des Ortes mehrere Tausend Menschen. Man wolle weiter für Lützerath kämpfen.
Der Umweltschutzverband BUND fordert nun eine neue Leitentscheidung aus Düsseldorf. „Der Koalitionsvertrag ist die klare Botschaft an die NRW-Landesregierung, schnell eine neue Leitentscheidung zu beschließen, welche nicht nur den Erhalt aller bewohnten Siedlungen festschreibt, sondern auch Zwangsenteignungen zugunsten der Tagebaue ausschließt“, sagt der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht. „Zudem darf das Land NRW keine neuen bergrechtlichen Zulassungen zur Kohlegewinnung erteilen.“
Um auf einen mit dem Pariser 1,5-Grad-Ziel konformen Braunkohleausstiegspfad zu kommen, müsse die Kohleförderung im Tagebau Garzweiler drastisch gegenüber den bisherigen Planungen reduziert werden, fordert der BUND. Eine energiepolitische Notwendigkeit zum dortigen Kohleabbau in dem bisher geplanten Umfang von bis zu 600 Millionen Tonnen existiere nicht. Das hätten mehrere Gutachten, unter anderem auch des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, belegt. Deshalb müsse auch Lützerath erhalten bleiben.
„Dass die Ampelkoalition diesbezüglich die Verantwortung auf die Gerichte abschiebt, ist feige“, kritisiert der BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen. „Ministerpräsident Hendrik Wüst ist jedenfalls gefordert, sich nicht länger hinter den Entscheidungen auf Bundesebene zu verstecken, sondern den Kohleausstieg bis 2030 ohne weitere soziale Verwerfungen sofort umzusetzen.“ Dazu gehöre auch, die laufenden Grundabtretungsbeschlüsse zugunsten von RWE aufzuheben. Betroffen von den Zwangsenteignungen ist neben dem letzten Landwirt von Lützerath auch der BUND mit seinem Grundstück im Vorfeld des Tagebaus Hambach.