Siebter Eurolog im Schloss Zweibrücken : „Kann der Populismus Europa spalten?“
Übach-Palenberg „Die Gefahr besteht, in Teilen ja“, eröffnet NRW-Innenminister Herbert Reul die Diskussionsrunde zur Frage „Kann der Populismus Europa spalten?“ auf dem siebten Eurolog im Schloss Zweibrüggen. „Europa ist in den letzten Monaten manchmal nicht zur Entscheidung gekommen, weil in machen Mitgliedsstaaten die Populisten so viel Einfluss haben.“
Als Beispiel nennt er die Verteilung der Flüchtlinge: „Da gibt es Staaten, angeführt von dem ungarischem Chef, der aus blankem Populismus und nur, um Zuhause Druck machen zu können, dagegen ist.“ Dabei müsste Ungarn nur eine sehr kleine Zahl an Flüchtlingen aufnehmen. „Das ist alles überhaupt kein Thema, aber es geht da ums Prinzip und dann ist Europa gespalten und kommt deshalb nicht zur Entscheidung“, erklärt der Innenminister.
Hochkarätige Teilnehmer
Zusammen mit ihm haben am Mittwochabend Dr. Jürgen Linden als Moderator Prof. Dr. Thomas Niehr vom Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaften der RWTH Aachen und der Chefredakteur der Aachener Zeitung/ Aachener Nachrichten, Thomas Thelen, auf dem Podium Platz genommen. Die Veranstaltung findet traditionell im Vorfeld der Karlspreis-Verleihung in Aachen statt.
Auch für Thomas Niehr ist Populismus eine Gefahr für Europa. „Von Populisten kommen immer einfache Lösungen, und es wird überhaupt nicht über die Konsequenzen diskutiert“, so der Kommunikationswissenschaftler. Was passiert beispielsweise, wenn man einfach aus allen Klimaverträgen austritt oder die Parteien wirklich abschafft? „Wie regeln wir denn dann unsere Umweltpolitik oder organisieren unser Allgemeinwesen?“, fragt Niehr weiter. „Diese anschließenden Fragen werden nicht beantwortet und das macht es so gefährlich.“
Dabei sei es schwer, eine Grenze zwischen freier Meinungsäußerung und Populismus zu ziehen. Allerdings gelte der Grundsatz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. „Und wir sehen häufig Beispiele von Populisten, wo diese Würde verletzt wird. Niemand darf wegen seiner Religion, Herkunft oder dem Geschlecht benachteiligt werden, und das passiert immer wieder“, weiß Niehr.
Diese Definition kann sich auch Herbert Reul anschließen und begibt sich auf Ursachensuche. „Ich glaube, es gibt nicht eine Ursache für Populismus“, führt Reul aus. So simpel sei die Welt nicht. „Es wird Länder geben, in denen soziale Schwierigkeiten, Enttäuschungen und Stillstand dahinter stehen. Aber es wird auch Länder geben, in denen das Handeln der Politik dazu beigetragen hat, dass das Misstrauen gegenüber der Regierung wächst.“
„Und ich stelle einfach mal die These auf, dass der steigende Populismus in Deutschland sehr viel mit der unerledigten Migrationswelle zu tun hat“, fügt Jürgen Linden hinzu und erntet Zustimmung in der Runde. „Das war wahrscheinlich der Punkt, an dem das dann eskaliert ist“, gibt ihm der Innenminister Recht. Populismus habe viel mit Enttäuschung zu tun und mit Menschen, die sich von der Politik nicht mitgenommen fühlen.
Im Publikum werden weiterhin eine Überforderung der Jugend, das Heranwachsen einer neuen Wählergeneration und der Werteverlust in der Gesellschaft als Ursachen für diese Entwicklung gesehen. Auch Thomas Niehr sieht einen Zusammenhang zu Werten wie Menschlichkeit und ein Gefühl für Recht und Unrecht. „Wenn diese Werte an Ansehen verlieren, dann haben Rechtspopulisten leichtes Spiel“, ist er überzeugt.
„Aber wie kriegen wir den Populismus entzaubert?“, will Jürgen Linden von seinen Gästen wissen. „Wir müssen den Dialog offen halten“, findet Thomas Thelen. Und auch Thomas Niehr setzt auf Kommunikation: „Immer wieder nachfragen bei den einfachen Antworten und ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich die Populisten dann irgendwann selber entzaubern.“
Realismus gefordert
In der Geschichte der EU hat es immer wieder Krisen gegeben. „Doch seit der Bankenkrise ist eine tiefgreifende Krise auf die nächste gefolgt, und wir haben nicht eine Krise gelöst“, findet Jürgen Linden. Deshalb helfe keine Schönfärberei, sondern man müsse offen darüber sprechen. „Man muss realistisch und pragmatisch damit umgehen“, betont weiterhin Herbert Reul und will wissen. „Warum soll denn in Europa alles top sein? Kann doch gar nicht. Da sind auch nur Menschen unterwegs. Doch wenn etwas schief läuft muss man es benennen.“
Obwohl er sich als brennender Europäer sieht, hat Thomas Thelen die Schwierigkeit erkannt, die Euphorie für die tolle Idee Europa zu vermitteln. Dennoch ist er überzeugt: „Die Menschen stehen zu Europa. Die europäische Idee ist fest verankert.“
Dem kann sich Jürgen Linden anschließen. Allerdings wünscht er sich mehr Einigkeit unter den Mitgliedsstaaten und dass die Aufgaben angepackt, erfolgreich umgesetzt und die Menschen überzeugt werden. „Viele laufen nämlich deswegen zu den Rattenfängern, weil die anderen nicht ihre Erwartungshaltungen erfüllen“, betont der Moderator zum Abschluss.