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Geilenkirchen: Kommentiert: Die Etablierten in der Bringschuld

Geilenkirchen : Kommentiert: Die Etablierten in der Bringschuld

Als Georg Schmitz am Sonntag sagte, die Parteien hätten es „auf den Sack bekommen“, da wählte er eine Formulierung, die salopp war, aber fast noch ein bisschen zu harmlos. Insbesondere die CDU nämlich war knapp an der ultimativen Demütigung vorbeigeschrammt.

Schmitz hingegen gelang der Etappensieg. Wie war das bloß möglich? Die etablierten Parteien sollten es als Auftrag der 3593 Schmitz-Wähler begreifen, hierauf eine Antwort zu finden. Fahrlässig wäre es, sich allein damit herauszureden, dass eben jedes Kind „den Schorsch“ kennt. Warum kennt nicht jedes Kind Euch, liebe Stadtverordnete?

Man kann von Schmitz halten, was man will, im Wahlkampf hat er der Konkurrenz eine Menge vorgemacht. Mit seiner Kandidatur rückte die Wahl plötzlich ganz nah selbst an diejenigen heran, die sich noch nie für Politik interessiert haben. Aber Schmitz hatte nicht nur Aufmerksamkeit. Klug war es etwa, die Leute zur sofortigen Wahl im Rathaus zu animieren. Was man hat, das hat man schließlich.

Christian Kravanja lag richtig mit der Einschätzung, dass viele eine verdrehte Vorstellung von der Arbeit des Bürgermeisters haben. Der Bürgermeister muss mit der Bezirksregierung verhandeln, Wirtschaftsvertretern gegenübertreten, dem Stadtrat Rechenschaft ablegen und nebenbei eine Verwaltung mit hunderten Mitarbeitern leiten.

Nett zu sein ist da kein Nachteil, doch ausreichend ist es eher nicht. Warum, liebe amtierende Bürgermeister, wissen die Leute so wenig von eurer Arbeit?

Bei der Podiumsdiskussion unserer Zeitung sprach Ronnie Goertz von „Netzwerken“ in Finanzwesen und Wirtschaft, die er mitbringe, und selbstverständlich können ein Bürgermeister und seine Stadt von solchen Kontakten profitieren.

Dafür muss man aber erst mal Bürgermeister sein. Was Georg Schmitz jetzt schon nutzt, ist ein Netzwerk der Bürger. Wie um alles in der Welt, liebe CDU, kann es sein, dass dieses Netzwerk größer ist als das Eures gesamten Stadtverbandes?

Wer in den vergangenen Wochen die Kommentare auf Georg Schmitz’ Facebook-Seite verfolgte, der entdeckte dort alles Mögliche, aber keine inhaltliche Diskussion. Ein Anhänger trieb es auf die Spitze, als er sich freute, dass es endlich mal einen Kandidaten gebe, der keinen tollen Lebenslauf vorzuweisen habe.

Dass die Abwesenheit von Qualifikation als Auszeichnung wahrgenommen wird, ist das groteske Resultat einer als brutal empfundenen Leistungsgesellschaft. Schmitz hat das erkannt und genutzt. Er hat sich ja immer freimütig dazu bekannt, sich als Bürgermeister in Sachfragen auf das Urteil seiner Amtsleiter verlassen zu wollen, die könnten ja all das, was er selbst nicht unbedingt mitbringe.

Dass ein derart offener Umgang mit eigenen Defiziten belohnt wird, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Bei näherem Hinsehen ist es die Konsequenz aus einer Elitenverachtung, die in dem diffusen Grundgefühl vieler Bürger verwurzelt ist, dass „die da oben“ ja doch machen, was sie wollen.

Ist dieses Gefühl berechtigt? Falls nicht, seid Ihr, liebe Parteien, nun in der Bringschuld, das Gegenteil nicht nur zu behaupten, sondern zu beweisen. Am allerbesten hättet Ihr schon am Sonntagabend damit angefangen. Habt Ihr?

j.moench@zeitungsverlag-aachen.de