Gangelt/Geilenkirchen/Übach-Palenberg : Karnevalistisches Lexikon: Was steckt hinter den Namen der Gesellschaften?
Gangelt/Geilenkirchen/Übach-Palenberg Wenn die Sankhasen die Perringe mit dem Heggeströöper besuchen, statt wie die Flobbe mit den Grueten Fööt zu laufen, dabei Muhrepenn und Dicke Flaa essen, bis sie Erpelsbük bekommen — dann seien Sie sich gewiss, Sie sind in Gangelt unterwegs. Und zwar im Karneval.
Wenn Sie aber jetzt nur Bahnhof verstanden haben, sind Sie zwar der Klärung eines der oben genannten Begriffe schon sehr nah, haben aber im Großen und Ganzen keine Ahnung, wovon die Gangelter Jecken da eigentlich reden.
Und was ist mit den Frelenbergern? Rufen die etwa I-ah statt Alaaf? Trinken die Süggerather nur Wein und laufen die Immendorfer unermüdlich durch das Dorf?
Um ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, erklären wir Ihnen hier einmal ausführlich, woher die Namen der Karnevalsgesellschaften eigentlich kommen und was Sie bedeuten. Viel Spaß mit unserem karnevalistischen Lexikon.
Gangelter Muhrepenn
Als Gangelt noch ein mittelalterliches Städtchen war, wurde die Stadt einmal belagert. Aber die Feinde wurden in die Flucht geschlagen, der Sieg musste gebührend gefeiert werden. Vor der Feier wurden die Gänse noch einmal zum Grasen vor die Burgmauern gelassen. Nachdem die Tiere wieder drinnen waren, konnte der Torwächter den Pflock zum Verschließen nicht finden. In seiner Not nahm er eine Möhre, sprich: „Muhre“, beziehungsweise „Muhrepenn“, wie Möhrenpin, -pflock! Diese Möhre haben dann aber wiederum die Gänse aufgefressen und das Tor löste sich. Dies wurde von den Feinden bemerkt, sie stürmten die Stadtmauern und überwältigten die feiernden Gangelter mitten in der Siegesparty. Warum sich die Gangelter gerade diese Begebenheit zur Namensgebung ihrer Karnevalsgesellschaft ausgesucht haben, ist nicht ganz klar. „Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir hier noch heute gerne feiern und uns nicht so ernst nehmen“, meint Monika Rademacher, Präsidentin der Muhrepenn. „Wir brauchen nur ein Zelt, Musik und etwas zu trinken, und schon sind die Sorgen vergessen, und die Stimmung ist gut.“
Berder Flobbe
Die Berder Flobbe gibt es seit dem Jahr 1947. Einen Flobb nennt man jemanden, der gerne im Mittelpunkt steht und dort seine Anekdoten und Witze — nicht über andere, sondern auch über sich selbst bringt. Er ist ein lustiger Jeck oder ein augenzwinkernder Schelm, der auch über sich selbst lachen kann. So repräsentiert der Flobb die „Berder“, also Birgdener Eigenart der Selbstdarstellung, zu der man sich schmunzelnd bekennt.
Berder Perringe
In Birgden gibt es noch eine zweite Karnevalsgesellschaft, die Karnevalsfreunde „Berder Perringe“. Der Verein wurde erst 2008 gegründet. Als Namen haben die Mitglieder nach etwas Ortstypischem gesucht. „Perringe“ steht für Regenwürmer, und schon früher wurden die Birgdener Landwirte von den Leuten Perringe genannt. Diesen Spitznamen haben sie bekommen, weil man ihnen nachsagte, dass sie bei Wind und Wetter ihren Boden bearbeiten. Sie kamen sozusagen wie die Regenwürmer gerne bei nassem Wetter nach draußen. Auch die Birgdener Karnevalisten lassen sich von ein bisschen Regen nicht abschrecken — obwohl ihnen natürlich heute Sonnenschein an den närrischen Tagen lieber ist.
Bräberder Erpelsbük
In Breberen gibt es ein altes Lied, das gerne einmal zu Karneval gesungen wird: „De Bräberder Jöngske“, der Breberener Junge. In dem Lied heißt es: En Pänke voll Erpel, dat et ech so ut“, übersetzt: Ein Pfännchen voll Kartoffeln, das esse ich komplett auf. Das Lied handelt also von der Liebe der Breberener zur Kartoffel, speziell zu Bratkartoffeln. Traditionell isst man in Breberen sehr gerne das Knollengemüse. Vor allem zu Kriegszeiten hatte man sich mit den eigens angebauten Kartoffeln gut über Wasser halten können. Wenn man natürlich gleich die ganze Pfanne gegessen hat, bekommt man einen „Erpelsbük“, einen Kartoffelbauch.
Scherwaurer Heggeströöper
Wenn die Menschen an Schierwaldenrath denken, denken sie unweigerlich an die Selfkantbahn als Touristenmagnet und das Wahrzeichen des Ortes. Was liegt da näher, als dass sich auch die Karnevalsgesellschaft einen Namen gibt, der mit Bahnhof und Eisenbahn zu tun hat? Im Volksmund wurde (und wird teilweise noch) eine kleine Dampflok „Heggeströöper“ genannt. Der Begriff findet sich auch in zahlreichen Straßennamen wieder und ist den Schierwaldenrathern , den „Scherwaurern“, deshalb wohl bekannt.
Stöher Sankhase
Früher gab es in Stahe zunächst nur einen reinen Männer-Karnevalsverein, die „Lustigen Junges“, die sich 1972 gegründet haben. Allerdings fehlte es den Herren nach einiger Zeit wohl an der nötigen Motivation, so dass nur noch drei Mitglieder übrig waren. Darum hat man sich entschieden, die Damen mit in den Verein zu nehmen, was aber einen neuen Namen nötig machte. „Stöher“ kommt natürlich aus dem Plattdeutschen für Stahe. Der „Sank“ ist eine mundartliche Bezeichnung für Sand, speziell den schönen weißen Sand von Stahe, den es früher gegeben hat und der noch heute in einem Volkslied besungen wird. Den Zusatz „Hase“ hat der Verein dann tatsächlich der Aufnahme von Frauen in die karnevalistischen Reihen zu verdanken. Die Staher Sandhasen, also „Stöher Sankhase“, waren geboren.
Langbröker Dicke Flaa
Dass dieser Name auf das in unserer Region allseits beliebte Hefe-Obst-Gebäck zurück geht, liegt relativ nahe. Aber die genaue Geschichte ist nicht so bekannt: In Langbroich Harzelt gab es früher einmal zwei Bäcker, die die „Flaa“, oder Fladen, in ihren Geschäften anboten. Da das Geld aber knapp und das Obst — traditionell wird die Flaa mit Aprikosen belegt — teuer war, musste man sparen, natürlich am Belag. Damit das den Kunden nicht so auffiel, haben die Bäcker den Hefeboden einfach etwas dicker gemacht. Es entstand das geflügelte Wort von der „Langbröker dicken Flaa“, das benutzt wurde, wenn man mehr Teig als Obst auf seinem Kaffeeteller hatte. 1980 haben sich die Langbroicher Karnevalisten diesen Namen für ihren Verein ausgesucht.
Hasteroa Gruete Vööt
Warum die Hastenrather sprichwörtlich besonders große Füße haben, ist den dortigen Karnevalisten nicht bekannt. Klar ist aber, dass sich die Vereine des Ortes schon seit langer Zeit einen Schuh als Sinnbild ausgesucht haben. Wenn früher der Trommler- und Pfeiferkorps zu Schützenfesten unterwegs war, hing unter seinem Namensschild schon immer ein Schuh. Und die Leute haben gesagt, da kommen die Hastenrather mit den großen Füßen, oder die „Hasteroa Gruete Vööt“. So war auch für den Karnevalsverein schnell ein geeigneter Name gefunden.
Frelenberger Esel
In einem Frelenberger Lied heißt es: „Unser Dorf, das lieben wir, denn es hat ein Wappentier. Es ist nicht groß, es ist nicht klein. Es ist kein Känguru und auch kein Schwein...“ Das Lied genauso wie der Name des Frelenberger Karnevalsvereins gehen auf eine historische Sage zurück. Der Gemeinderat von Frelenberg, so erzählt man, konnte sich damals nicht darüber einig werden, wohin die Kirche gebaut werden sollte. Da schlug ein ganz Schlauer vor: „Wir laden einem Esel einen Sack auf, wo er ihn abwirft, da wollen wir die Kirche bauen.“ Das wurde einstimmig angenommen. Der Esel stieg aber einen ziemlich steilen Hügel hinauf, der am Südausgang des Dorfes liegt, und als er oben angekommen war, warf er sich nieder, da er nicht mehr weiter konnte. Und dorthin bauten die Frelenberger ihre Kirche. Die Frelenberger werden noch heute auch „de Aesele“ genannt, und das Tier, dem man ja sprichwörtlich auch die ein oder andere „Eselei“ zutraut, wurde zum Namensgeber der Frelenberger Jecken.
Boschelner Bürgerwehr
Die noch junge Karnevalsgesellschaft Jecke Bürgerwehr Boscheln hat sich bei ihrer Namensfindung an den großen Vorbildern aus Köln orientiert. Im Jahre 2000 hat man sich entschieden, Karneval für die Bürger und mit den Bürgern zu feiern. Die Idee der Bürgerwehr ist entstanden. Als Kleidung hatte man sich zunächst auch eine Gardeuniform vorgestellt, natürlich mit Degen am Gürtel. Dies ist allerdings noch nicht umgesetzt, stattdessen setzen die Boschelner auf jährlich wechselnde Mottokostüme.
Lustige Marienberger Jekken
Warum die Lusigen Marienberger Jekken so heißen, wie sie heißen, kann sich wahrscheinlich jeder selbst ganz einfach herleiten. Klar, weil sie lustig und jeck sind und aus Marienberg kommen. Aber warum schreiben sie sich mit zweimal ‚k‘ und nicht mit ‚ck‘? „Das habe ich auch schon einmal versucht zu recherchieren“, meint der Geschäftsführer der Gesellschaft, Josef Switalla. „Aber so richtig konnte es mir niemand erklären. Ich würde sagen, die zwei ‚k‘ kommen daher, dass wir eben so jeck sind, einfach anders als normal, und das wollten wir mit dem ‚Doppel-K‘ auch ausdrücken.“
Würmer Wenk
„Wenk“ ist ein alter Begriff für Wind, was noch nicht erklärt, warum sich die Würmer Karnevalsgesellschaft diesen Namen gegeben hat. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass zu Zeiten der Vereinsgründung im Jahre 1949 der Pfarrer von Würm immer sonntags von der Kanzel herab über die „Wenk“ gepredigt hat. Er meinte damit die jugendlichen Windhunde, die Flegel, die Gefahr liefen, den zahlreichen Versuchungen zu erliegen. Kurzerhand haben sich die Würmer Karnevalsfreunde also zu diesen „Wenk“ gemacht und tragen noch bis heute diesen Namen.
„Lott se loope“ Immenwauweiler
Im Jahre 1928 haben sich aus dem damaligen Theaterverein Waurichen und dem Trommlerchor Immendorf einige Karnevalisten zusammengetan, um gemeinsam Karneval zu feiern. Das Dorf Apweiler hat man, wohl wegen der nachbarschaftlichen Lage und der freundschaftlichen Beziehungen, mit dazu genommen. So ist aus den drei Ortsnamen der Begriff „Immenwauweiler“ entstanden. Das „Lott se loope“, wörtlich übersetzt „Lass sie laufen“, ist dann in den 30er Jahren zur Zeit des Nazi-Regimes hinzugekommen. Damals hagelte es aus Berlin zahlreiche Verfügungen und Erlasse, unter anderem, dass nur noch eingetragene Vereine Veranstaltungen durchführen durften. Diese Verfügungen kommentierte ein aktiver Karnevalist aus Immenwauweiler mit den Worten „Lott se loope“, was in diesem Zusammenhang aber so viel bedeutete wie: „Lass die mal reden“. Er wollte wohl zum Ausdruck bringen, dass sich die Immendorfer nicht die Freude am Feiern und am Karneval nehmen lassen möchten und einfach weiter feiern. „Wir haben uns einfach nicht unterkriegen lassen“, sagt der heutige Präsident der KG, Norbert Hermanns.
De Schanzeremmele Hatterath
Auch die Hatterather Jecken bedienten sich bei der Namensgebung an einer historischen Begebenheit. In früheren Zeiten hat es in Hatterath viele große Buchenhecken gegeben, die regelmäßig geschnitten und auch entrindet werden mussten. Die Rinde wurde danach auch zum Gerben von Leder verwendet. Die geschnittenen Äste wurden zu großen Bündeln, im Volksmund „Schanzen“ zusammengebunden. Die Männer, die das machten, mussten schon groß und kräftig sein. Auf Platt sagte man auch, das sind richtige „Remmele“. So ist der Name der Hatterather „Schanzeremmele“ entstanden.
Süggerather Spätlese
Als die Gründungsmitglieder der Süggerather Spätlese 1971 zusammensaßen, haben sie hin und her überlegt, welchen Namen sie wählen sollten. Zu dieser Zeit gab es schon zahlreiche andere Karnevalsvereine. Die Süggerather waren spät dran. Und daraus ist dann der Name „Spätlese“ entstanden. Den Süggerathern gefiel außerdem die Vorstellung, dass ihr Verein, wie ein guter Wein, erst reifen muss, um eine besondere Qualität und den rechten Geschmack zu entfalten. Heute gibt es in Süggerath tatsächlich auch einen Hobbywinzer, ob es seinen kleinen Weinberg zu Zeiten der Gründung auch schon gab, ist allerdings nicht bekannt. Gerne trinken die Süggerather aber natürlich zu ihrem karnevalistischen Galadinner die ein oder andere Weinspezialität. Nomen est omen.