Geilenkirchen : Kalender „Geilenkirchen — Alte Straßenzüge“: Eine Reise in die Vergangenheit
Geilenkirchen Bald ist Weihnachten. Dann ist Zeit für Geschenke. Und, wenn es dann endlich mal so kommt, wie man es von Weihnachten erwarten darf, ist es Zeit, die Füße hochzulegen und sich in Muße zu ergehen bei einem Glas Weihnachtspunsch und erbaulicher Lektüre.
Der gerade herausgekommene Kalender für das heranrauschende 2018 „Geilenkirchen — Alte Straßenzüge“ eröffnet sogar neben den Punkten Geschenk und Lektüre einen nicht unerheblichen Mehrwert. Er bietet nämlich die Möglichkeit, die über die Festtage anfallenden Pfunde abzulaufen. Denn mit dem Kalender in der Hand lassen sich die Geilenkirchener Straßen ganz neu entdecken.
Schließlich weiß nur, wer das Alte kennt, die Gegenwart zu schätzen. Fünf Geilenkirchener haben den Kalender, der für 15,90 Euro durch das kommende Jahr führt, erdacht, entwickelt und auf feines chamoisfarbenes Papier gebracht. Ganz regenfest ist der Kalender zwar nicht, wie ein erster Test in den Geilenkirchener Straßen bei Oktoberwetter bewies, doch ein paar Schneeflöckchen hält das Präsent der fünf an ihre Mitbürger schon aus.
„Da haben sie wirklich ins Schwarze getroffen“, begeisterte sich ein Geilenkirchener Neubürger bei der Präsentation des Kalenders in der Buchhandlung Lyne von de Berg, die den Vertrieb exklusiv übernommen hat. Buchhändler Peter Lyne von de Berg war zusammen mit den beiden Tripsrathern Mario Karner und Hubert Winkels in St. Odilienberg wandern, und herausgekommen war die Idee, etwas zu machen, was Geilenkirchen so noch nicht gesehen hat: eine Eloge an die Heimat.
Um das Kompliment an die Heimat schön bebildern zu können, sprachen die drei Wanderer zwei Herren an, die mit der Heimatstadt eng verbunden sind: Heiner J. Coenen und Franz-Michael Jansen. Jansen und Coenen haben, jeder für sich, eine Sammlung alter Stadtansichten in Form von Postkarten zusammengetragen. Aus diesem Fundus konnte das Kalender-Team die zwölf benötigten Motive aussuchen. Peter Lyne von de Berg steuerte aus seiner Sammlung das Deckblatt bei, es zeigt die Beeretz Mühle im Zentrum von Geilenkirchen noch mit Mühlrad Ende der 1950er Jahre.
Abbildungen originalgetreu
Die Motive des Kalenders sind chronologisch geordnet. Alle Postkarten wurden originalgetreu abgebildet, entweder in Schwarz-Weiß oder auch, wenn es sich um nachkolorierte Aufnahmen handelte, in Farbe. Eine der von Hand kolorierten Fotografien stammt aus den 1920er Jahren und zeigt die Kirche St. Marien, das Hotel Jabusch und das damalige Rathaus, das unmittelbar neben dem heutigen stand. Wer die Aufnahme vor Ort vergleicht, wird vom Standort des damaligen Fotografen aus St. Marien erst erkennen, wenn sich die Blätter der inzwischen hochgewachsenen Bäume gelichtet haben. Ob es tatsächlich dieselben Bäume sind?
Bei den Bauwerken hat sich über die Jahrzehnte auf jeden Fall einiges getan. Ein Haus hat den Wandlungen der Stadtgesichte aber getrotzt, auch wenn es seine Funktion „leider“ verloren hat, das Restaurant Franz Lenards an der Sittarder Straße schräg gegenüber dem Amtsgericht. „Geilenkirchener Schützenhaus“ steht auf der hübsch mit Wappen und Burgzinnen verzierten Postkarte. Viele Menschen stehen vor dem Schützenhaus und haben den Fotografen wohl entdeckt.
Franz-Michael Jansen kriegt heute noch eine Gänsehaut, wenn er davon erzählt, wie er dieses besondere Stück für sieben Mark in der weiten Welt des Internets ersteigern konnte, ist diese Postkarte doch nicht nur ein Zeugnis Geilenkirchener Stadtgesichte, sondern ein Teil seiner eigenen Familiengeschichte. Denn diese Postkarten schrieben lange vor seiner Zeit im Jahr 1901 seine beiden Großeltern an seine Urgroßmutter, die in Köln-Deutz eine Metzgerei betrieb. Vorne auf der Karte, die das Februar-Blatt ziert, sind die mit Bleistift verfassten Grußworte nachzulesen, wenn man denn die Sütterlinschrift beherrscht.
Die zwei Geilenkirchener Bahnhöfe sind auf einer Postkarte der 1920er Jahre abgebildet; der heutige Bahnhof und auch der andere, der ein paar Meter weiter stand und Kohle und Rüben in und aus dem Selfkant über die Kleinbahn umschlug, ist zu entdecken. Im Bereich der evangelischen Kirche in Hünshoven ist die große Kreuzigungsgruppe der Ampelkreuzung gewichen, und das Haus Camp-hausen rechts neben der Kirche hat seine charakteristische große Toreinfahrt eingebüßt.
„Camphausen war einer der großen Entwickler im rheinischen Raum, etwa beim Eisenbahnbau“, sagt Heiner J. Coenen beim Stadtrundgang von Kalenderblatt zum Kalenderblatt. Er bedauert ein wenig, dass der Name Camphausen in Geilenkirchen leider nicht den gleichen Klang wie der seines Zeitgenossen Hansemann in Aachen hat. Heiner J. Coenen, Franz-Michael Jansen, Peter Lyne von den Berg, Mario Karner (der Katalysator des Kalenderprojektes) und Drucker Hubert Winkels haben, wenn die Geilenkirchener Bürger ihren Kalendererstling gut aufnehmen, sicherlich noch das ein oder andere Thema für 2019 und die folgenden Jahre in petto.