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Hochwasser- und Corona-Bilanz: Innenstadt soll mit neuen Visionen belebt werden

Hochwasser- und Corona-Bilanz : Innenstadt soll mit neuen Visionen belebt werden

Stadtentwicklung: Geilenkirchen will ein Bild zeichnen, das begeistert mit mehr Sauberkeit, Sicherheit und Sozialkontakten. Das sind die Visionen der Planer.

Obwohl so manch bitterer Wermutstropfen in der Bilanz der beiden Geilenkirchener Wirtschaftsförderer Susanne Köppl und Gunter Wagner liegt, erhielten sie für ihren Jahresbericht großen Beifall vom Ausschuss für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung.

Dass Corona nicht spurlos an der Wirtschaft vorbeigegangen sei, wie es Susanne Köppl ausdrückte, war wohl allen klar. Und dass Corona nicht ausreichte, um die Stadt richtig zu beuteln, sondern große Teile der City vom Hochwasser stark beschädigt wurden, sehen die Stadtverordneten Tag für Tag. „400 Haushalte und Gewerbetreibende sind vom Hochwasser betroffen. Erste Geschäfte konnten aber schon wieder öffnen. Auch die Wirtschaftsförderung befindet sich in einem Umbruch. Wir sind ständig in Sachen Bestandspflege unterwegs“, sagte sie.

Die Wirtschaftsförderer seien zu „Kümmerern“ geworden, die Kontakte zur Wirtschaft müssten aber noch weiter intensiviert werden. Erste Hilfen nach dem Hochwasser seien ab dem 26. Juli von der Verwaltung veranlasst worden, Soforthilfen seien für Privathaushalte und Gewerbetreibende geflossen. Betroffene Gewerbebetriebe hätten pauschal 5000 Euro erhalten. „Die Landesmittel für Gewerbetreibende und Freiberufler betrugen 350.000 Euro, dazu konnten 600.000 Euro an Spendengeld verteilt werden. Die Verteilung an 350 Privathaushalte und Gewerbebetriebe geschah durch die Verwaltung“, zog Köppl Bilanz.

Blick zurück: Die gesamte Geilenkirchener Innenstadt stand unter Wasser.
Blick zurück: Die gesamte Geilenkirchener Innenstadt stand unter Wasser. Foto: ZVA/Udo Stüßer

Was sie besonders freute, ist die Tatsache, dass erste Geschäfte nach Renovierungsarbeiten wieder öffnen können.

Nicht weniger freute sie sich über die Entwicklung der Kaufkraft. „Die Einzelhandelszentralität liegt in Geilenkirchen in den vergangenen Jahren bei rund 85. Das ist für eine Stadt wie Geilenkirchen gut“, sagte sie. Mit 84,4 sei sie in diesem Jahr leicht gesunken. Zum Verständnis: Der Wert 100 besagt, dass 100 Prozent der Kaufkraft der Bürger einer Stadt in der Stadt bleiben. Bei einem Wert von über 100 kommt Kaufkraft aus anderen Kommunen hinzu, bei unter 100 wandert sie ab. Große Städte wie Heinsberg und Hückelhoven liegen bei 121,5 und 125, Baesweiler bei 77,7. Stark zugelegt hat die Nachbarstadt Übach-Palenberg: Dort ist die Einzelhandelszentralität von 79,9 2016 auf 98,0 angestiegen.

Zahlen nannte Köppl auch zur Kaufkraft in diesem Jahr: „Die Einzelhandelskaufkraft beträgt in Geilenkirchen 174,5 Millionen Euro. Die durchschnittliche Einzelhandelskaufkraft liegt bei 6310 Euro pro Einwohner beziehungsweise 93,4 Prozent der durchschnittlichen Einzelhandelskaufkraft in Deutschland.“ Und: „Der tatsächliche Einzelhandelsumsatz liegt bei 121,9 Millionen Euro. Das entspricht einem Einzelhandelsumsatz von 4406 Euro pro Einwohner beziehungsweise 78,7 Prozent des durchschnittlichen Einzelhandelsumsatzes in Deutschland.“ Mit Blick auf die Gewerbegebiete sagte sie: „Unser Angebot kann nicht mehr die Nachfrage decken. Wir wollen einen Kriterienkatalog entwickeln und festlegen, welche Firmen wir künftig haben wollen und welche nicht.“

Mit Blick auf die Zukunft müsse man Wirtschaftsförderung neu denken und auch Visionen entwickeln. Man müsse ein Bild zeichnen, das begeistert. Eine Stadt mit Cafés und Gastronomie? Mit Nahtourismus? Mit Spezial-Einzelhandel?

Ein mitreißendes Plädoyer für die Belebung der Innenstadt hielt Gunter Wagner: Die Funktion der Innenstädte als Treffpunkt, Versorgungszentrum, Erlebnisraum und Einkaufsort sei zunehmend gestört. Gründe seien der Onlinehandel, verändertes Verhalten und die Demografie, beschleunigt durch die Corona-Pandemie und Hochwasserschäden. Leerstände, Verwahrlosung, Versorgungslücken und abnehmende Sozialkontakte seien die negativen Folgen.

Man müsse sich jetzt um die Ansiedlung von Nutzungen bemühen, die nicht online darstellbar seien wie Dienstleistungen, Gastronomie, beratungsintensive Handelsnutzungen, Veranstaltungsräume und Nahversorgung. „Wir müssen uns um besondere Handelsnutzungen bemühen, die es nicht überall gibt“, forderte er, wobei Aufenthaltsqualität wie Sauberkeit, Möblierung, Stadtbild und Sicherheit eine große Rolle spielen würden. Erlebnisse und Events seien ebenso wichtig wie Kunst und Kultur in der Stadt.

Für eine Belebung der Innenstadt müsse man ein Konzept entwickeln, beispielsweise für Genuss und Spezialitäten. Schokolade, Weine, Bier, Gewürze und hochwertige Lebensmittel seien ebenso Zugpferde wie Randsortimente wie Schmuck, Accessoires und Deko. Tastings, Gastronomie, Events, Café und Wein-Bar könnten eine Innenstadt beleben. Einzigartige, nicht duplizierbare Produkte, Schmuck, Bekleidung, Kunst und Second Hand würden Kunden ebenso anziehen wie Workshops oder Anfertigung nach Maß. „Wir müssen dicke Bretter bohren. Aber Beharrlichkeit zahlt sich aus“, sagte er.