Parteiquerelen : Halbe SPD-Fraktion im Gangelter Rat wechselt zur CDU
Geilenkirchen Während sich die SPD aktuell bundesweit auf einem Höhenflug befindet, ist sie im Gangelter Rat nur noch eine Randerscheinung. Die halbe Fraktion ist ausgetreten und zur CDU gewechselt.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass der Bürgermeisterkandidat einer Partei, der auch noch den Ortsverein führte, nach der Wahl zum Konkurrenten wechselt. Doch genau dies ist in Gangelt geschehen.
Christian Otto war bei der Kommunalwahl im September 2020 deutlich gegen den CDU-Kandidaten, den heutigen Bürgermeister Guido Willems, unterlegen. Das war, wenn man die politische Landschaft in Gangelt betrachtet, durchaus zu erwarten. Nach der Kommunalwahl 2020 bestand der Rat der Gemeinde zunächst aus 21 Ratsmitgliedern der CDU, 4 der SPD, 3 der Fraktion Freie Wähler und FDP, 2 der UB und 2 der Fraktion, die sich schlicht Die Partei nennt. Nach dem internen Debakel bei der SPD in den Monaten nach der Kommunalwahl halbierte sich deren Fraktionsstärke von 4 auf 2. Die ehemals stärkste Oppositionsfraktion im Rat kann nun mit zwei Mandaten, die Rainer Mansel und Achim Philippen wahrnehmen, gerade noch ihren Fraktionsstatus halten.
Bürgermeisterkandidat und Ortsvereinsvorsitzender Christian Otto war nämlich nicht alleine aus der SPD aus- und in die CDU eingetreten, sondern hatte diesen Schritt gemeinsam mit seiner Frau Freya Otto vollzogen. Was war schief gelaufen nach der Kommunalwahl 2020 bei den Gangelter Sozialdemokraten?
Ohne all zu tief in das Seelenleben der SPD Gangelt einzutauchen, lässt sich sicherlich so viel aus den Gesprächen mit den Beteiligten sagen, dass die Ursache für den Riss in der SPD verbunden ist mit der Besetzung der Listenplätze zur Kommunalwahl. „Eigentlich wäre ich bei der Besetzung der Plätze auch mit einem hinteren Listenplatz zufrieden gewesen“, sagt Christian Otto zu Hause am Küchentisch in Schierwaldenrath. Doch damals habe es geheißen, dass die Statuten der Partei vorsehen, dass der Bürgermeisterkandidat auch den 1. Listenplatz bekommen müsse. Da der 1. Listenplatz mit einem Mann besetzt war, musste nach dem Willen der Partei der 2. Listenplatz an eine Frau gehen. Freya Otto war die einzige Kandidatin. So weit so gut, bis das Kommunalwahlergebnis der SPD lediglich vier Ratsmandate bescherte anstelle der sechs, die sie vorher besessen hatte. Rainer Mansel rückte durch das Direktmandat, das er in Stahe-Niederbusch-Hohenbusch holen konnte, von Listenplatz 5 automatisch in die Reihe der 4 Mandatsträger vor. Da blieb neben den beiden ersten Plätzen für das Ehepaar Otto lediglich noch einer für Achim Philippen übrig.
Über die Gespräche und deren Atmosphäre, die sich nun entwickelten, gibt es, das liegt wohl in der Natur der Sache, unterschiedliche Auffassungen. Unstrittig ist, dass die SPD Gangelt gerne gesehen hätte, wenn die Ottos zumindest auf eines ihrer Mandate verzichtet hätten. Zwei Mandate aus dem kleinen Schierwaldenrath, und dann auch noch in einer Familie, das ginge doch nicht, hieß es. Rainer Mansel, alter und neuer Fraktionsvorsitzender der SPD, meinte auf Nachfrage, nein, man habe die Familie Otto nicht aufgefordert, ein Mandat abzugeben, man habe lediglich darauf hingewiesen, ob es nicht angemessen sei, ein Mandat zur Verfügung zu stellen.
Freya Otto sieht das etwas anders, will aber auch nicht ins Detail gehen, sondern sagt lediglich: „Zum Schluss konnten wir nicht mal mehr auf der Sachebene miteinander sprechen.“ Im April hatte das Ehepaar Otto dann erste Gespräche unter anderem mit Bürgermeister Guido Willems darüber geführt, wie mit ihren Mandaten zu verfahren sei. „Wir hatten uns reiflich überlegt, was wir machen sollen“, stellt Christian Otto fest. „Unter Umständen hätten wir ja auch eine eigene Fraktion bilden können.“ Es habe sich aber gezeigt, so Christian Otto, dass die Ziele, die die CDU mit dem neuen Bürgermeister Guido Willems, ebenfalls CDU, ansteuert, mit den eigenen politischen Zielen gut harmonieren. Otto nennt beispielsweise die Verpflichtung, die erstmalig für das Baugebiet „Auf dem Esel“ in Langbroich in Bezug auf Photovoltaikanlagen erlassen wurde.
Schon vor der Mitgliederversammlung des SPD-Ortsvereins Gangelt im August hatten die Ottos ihre Entscheidung getroffen, von der SPD zur CDU zu wechseln. Mit Rücksicht auf die Bundestagswahl habe man den Schritt nicht öffentlich gemacht, erklärt Christian Otto. Freya und Christian Otto stocken mit ihren Mandaten die CDU-Fraktion von eh schon stattlichen 21 auf 23 Ratsmitglieder auf.
Die SPD Gangelt wählte auf ihrer Mitgliederversammlung im August Thomas Fiedler zum neuen Ortsvereinsvorsitzenden anstelle von Christian Otto. Thomas Fiedler vertritt die Ansicht, der Wechsel der Ottos zur CDU habe die SPD nicht weiter tangiert. Von Seiten der SPD sei die Entscheidung der Familie Otto nicht nachvollziehbar, aber es sei eben deren persönliche Entscheidung. Die Ratsarbeit werde nicht darunter leiden, dass die Ottos ihre Mandate mitgenommen hätten, meint Fiedler. Die SPD Gangelt sei unter anderem mit der Landtagskandidatin Andrea Reh sehr gut aufgestellt.
Christian Otto war 2004, damals wohnte das Ehepaar noch in Jülich, in die SPD eingetreten. Freya Otto hatte sich 2005 den Sozialdemokraten angeschlossen. 2011 waren sie nach Schierwaldenrath umgezogen und engagierten sich fortan im SPD-Ortsverein Gangelt. Christian Otto war Beisitzer im Vorstand. Freya Otto war 2016 in den Rat nachgerückt. „Ich hatte das Gefühl, man sucht einen Sündenbock für das schlechte Kommunalwahlergebnis“, sagt Christian Otto rückblickend. Man habe ihn und seine Frau mehrfach auf das Beispiel Wassenberg hingewiesen, wo der SPD-Vorsitzende zurückgetreten war. Dort hatte ein nackter Damen-Po auf Wahlplakaten überregional für Wirbel gesorgt. „Man legte mir nahe, meinen Hut zu nehmen und mich aus der Politik zu verabschieden“, erinnert sich Christian Otto. „Es ist schade, wenn eine Sache so eskaliert. Der respektvolle Umgang fehlt in der SPD“, sagt Freya Otto. Und Christian Otto ergänzt: „Autoritär wäre der richtige Ausdruck. Wir sind in der ganzen Zeit von der CDU besser behandelt worden als von den Entscheidungsträgern der SPD.“
Das Tuch war wohl irgendwann zerschnitten. Ihre Mandate in dieser Situation einfach auf dem Tisch liegen zu lassen, war für Christian und Freya Otto keine Option.
Vor Jahren hatte es nach einer Kommunalwahl in Heinsberg eine ähnliche Situation gegeben wie jetzt in Gangelt. Damals hatte Martin Schulz die Wogen zwischen Ortsverein und Abtrünnigen glätten müssen; der Martin Schulz, der als Kanzlerkandidat später traumhaft durchstartete, um dann alleine im Regen zu stehen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.