Nach der Flut : Geschäftsleute zeigen: „Wir sind wieder da!“
Geilenkirchen Am Wochenende lockt eine Autoschau nach Geilenkirchen. Auch am verkaufsoffenen Sonntag will man nach der Corona-Pandemie und der Flutkatastrophe zeigen: „Wir sind wieder da, wir machen weiter.“
„Wir sind wieder da!“ Diejenigen, die das aus vollem Herzen sagen, sind Kathrin Lyne von de Berg, Inhaberin des gleichnamigen Buch- und Schreibwarengeschäftes, Pia Heinen, Inhaberin des Damenbekleidungsgeschäftes Pat too Pat, und Jürgen Batalia, der in seinem Geschäft Feinkost und edle Weine und Öle anbietet. Die drei Geilenkirchener Geschäftsleute haben ihre Ladenlokale in der Geilenkirchener Gerbergasse, doch hier klingeln die Kassen seltener als in früheren Zeiten.
Die Coronavirus-Pandemie und die Hochwasserkatastrophe im vergangenen Sommer machen ihnen immer noch mächtig zu schaffen. Und auch die Begleiterscheinungen des Ukraine-Krieges bekommen sie zu spüren. Nach dem Hochwasser hieß es erst einmal: Ärmel hochkrempeln, Geschäftsräume sanieren und mit neuem Mut wieder an die Arbeit. „Es fehlt uns aber in der Gerbergasse immer noch die Laufkundschaft“, klagt Kathrin Lyne von de Berg.
Die Folgen der Pandemie und des Hochwassers haben sicherlich auch viele andere Geschäftsleute in der Stadt zu spüren bekommen. Doch die wenigsten Menschen, die über die Konrad-Adenauer-Straße, die Haupteinkaufsstraße der Stadt, flanieren, verirren sich in der Gerbergasse, weil große „Zugpferde“ verschwunden sind. Der Rewe-Markt an der Haihover Straße ist immer noch geschlossen und bleibt es höchst wahrscheinlich noch lange Zeit. Hier sollen bekanntlich ein verkleinerter Rewe, ein Aldi und ein DM-Markt unter einem Dach vereint entstehen. Plant der Investor so wie auf der Grünen Wiese, also vier Wände, ein Dach, fertig ist das Einkaufszentrum, würde die Bauzeit sicherlich rund ein Jahr betragen.
Richtet sich der Investor nach den Wünschen des Stadtrates und bebaut das Filetstück der Stadt dazu noch mit Wohnhäusern entlang der Haihover Straße, werden die Tore zum kleinen Einkaufszentrum noch lange nicht geöffnet. Elektro Stolze hat sich wie andere Geschäftsleute aus der Gerbergasse gänzlich verabschiedet. Stolze eröffnet demnächst ein neues Geschäft im Geilenkirchener Gewerbegebiet Niederheid.
Während Kathrin Lyne von de Berg einen alteingesessenen Familienbetrieb führt und zumindest von der Stammkundschaft angesteuert wird, hat sich Pia Heinen erst vor drei Jahren in der Gerbergasse angesiedelt. „Zehn Monate war Ruhe. Dann kam eine Katastrophe nach der anderen“, sagt sie. Doch ihren Humor und ihren Optimismus hat die Geschäftsfrau noch lange nicht verloren: „Krönchen richten und weitermachen“, lautet ihr Motto. Jürgen Batalia beklagt derweil etwa zehn Prozent weniger Einnahmen als im Vergleichsvorjahresmonat. Hört sich für den Laien nicht gerade viel an. „Wenn Sie Angestellte, Miete, Nebenkosten und Steuern bezahlen, bleibt ohnehin nicht viel übrig. Und bei den Sprit-Preisen sind zehn Prozent weniger sehr viel“, erklärt er. „Viele Frauen kaufen bei mir nicht mehr so spontan für 20 oder 50 Euro einen Pullover, weil sie das Geld nicht mehr haben“, hat auch Pia Heinen festgestellt.
Dass nach Corona-Pandemie und Flutkatastrophe jetzt mit dem Ukraine-Krieg das dritte Unheil kurz hintereinander ins Haus steht, hat auch Franz-Michael Jansen, Vorsitzender des Aktionskreises Geilenkirchen, mit 160 Mitgliedern die wichtigste Interessengemeinschaft der Geilenkirchener Wirtschaft, festgestellt. „In unseren Reihen sind nicht nur Einzelhändler, sondern auch viele Handwerker. Sie klagen über Materialmangel und unterbrochene Lieferketten“, sagt Jansen. „Verstärkt durch den Krieg, gehen die Preise jetzt förmlich durch die Decke. Und beim Einzelhändler schlagen natürlich die Nebenkosten erheblich zu Buche“, fügt der AK-Vorsitzende hinzu. Sogar der Onlinehandel bekomme zu spüren, dass der Verbraucher aufgrund steigender Kosten zurückhaltender einkaufe. Wenn schon der Onlinehandel die zurückgehende Kaufbereitschaft beklagt, könne es beim stationären Handel nicht anders sein.
„Autohändler klagen über fehlende Kabelbäume, die in der Ukraine produziert werden und jetzt die Produktion lahmlegen. Vorher waren es unterbrochene Lieferketten, die für mangelnde Chips sorgten. Die Händler können nicht mehr sagen, wann ein Auto geliefert werden kann“, beschreibt Jansen die Probleme der Autoindustrie. Dann die Frage, ob Benziner, Hybrid oder Elektro? „Die Bundesregierung hat noch nicht beschlossen, wie und welche Art von Auto subventioniert werden soll“, kritisiert er. Es seien erste große Probleme erkennbar, die sich auf alle Wirtschaftszweige auswirken könnten. Überall gehe es „in die Preise“. Aber durch drei Krisen zu kommen, sei besonders hart.
Sogar für die Autoschau am kommenden Wochenende hätten sich nur sechs Teilnehmer mit etwa zehn Automarken angemeldet.
„Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Geschäftsleute in der Gerbergasse aus ihrer misslichen Lage holen können. Es ist dringend erforderlich, dass wir Leben da reinbringen“, so der AK-Vorsitzende, der auch die Culinara, das Weinfest und den Nikolausmarkt organisieren will. „Die verkaufsoffenen Sonntage spielen dabei eine große Rolle“, weiß Jansen. Darauf setzen auch die Geschäftsleute aus der Gerbergasse. „Wir wollen nicht jammern, wir wollen zeigen, dass wir uns aufgerappelt haben und wieder da sind“, sagt Lyne von de Berg. Am verkaufsoffenen Sonntag veranstaltet sie einen Ostermalwettbewerb für Kinder und eine Tombola. Der Erlös ist für das Ahrtal bestimmt. Beim Kauf von hochwertigen Schreibgeräten gibt es eine kostenlose Namensgravur. Sekt, Kaffee, Rosen und kleine Präsent gibt es bei Pia Heinen, und Jürgen Batalia lockt mit einem Weinausschank, mit Wild-Hot-Dogs und Prozenten auf manchen Produkten.