Ein grenzenloser Optimist : Heinrich Fischer kämpft für die Umwelt
Gangelt-Birgden Sein Selbstbewusstsein ist das alte; seine Prioritäten haben sich verschoben. Dass Hein Gottfried Fischer jetzt den Großteil seiner Kraft in den Klimaschutz steckt, heißt aber nicht, dass die politische Bühne auf eine schillernde Figur zwangsläufig verzichten muss.
Am Anfang des Gesprächs hat man den Eindruck, dass sein fast sieben Jahre währender Traum, irgendwo in Deutschland Bürgermeister zu werden, wie eine Seifenblase geplatzt ist. Auch die Geschichte mit dem Landrat erklärt er für gescheitert – zumindest weitestgehend. „Ich hätte als Einzelbewerber ohne eine Partei im Rücken dafür 500 Unterstützerunterschriften gebraucht, hinzu kam ein krankheitsbedingter Ausfall für einige Zeit!“
Man kann über den Mann aus Birgden mit den klingenden Vornamen lachen. Auf seine Art ist er sicher ein Don Quijote des Politbetriebs. Aber Hein Gottfried Fischer ist über die Maßen selbstbewusst, er hat Humor und kann über sich selber lachen. Eine weitere Stärke ist die Eigenschaft, seine Vorhaben rigoros zu verfolgen – auch wenn noch so viele Mahner ihm davon abraten. Sein großes Vorbild ist Heinrich Aretz, ein Mann mit vielen politischen Erfolgen und nur wenigen Niederlagen.
In seiner spartanisch eingerichteten Wohnung findet sich eine umfangreiche und seltsam bestückte Bibliothek. „Lieben heißt die Angst verlieren “, ist eines der Bücher, das neben einem fast 30 Jahre alten Autoatlas steht, obwohl er seit vielen Jahren gar kein Auto mehr hat. „Das erhöht meine Glaubwürdigkeit als Grüner!“ Ob „Heiterkeit aus aller Welt“ als Grundlage für sein erfrischendes Lachen dient?
Umfangreich die Abteilung mit theologischer Literatur. Wenn es darum geht, spricht er lieber von Spiritualität. Besuche in der nahen Kirche St. Urbanus gehören für ihn ebenso dazu, wie das umfangreiche Engagement für den Mehrgenerationenspielplatz im Dorf. Bis vor einem guten Jahr trug er dort immer die T-Shirts mit dem Aufdruck „Bürgermeisterkandidat Fischer“. Ein Ort, für den diese Kandidatur gerade galt, war da nie zu lesen.
„Acht oder neun Stationen“ hat er in Erinnerung. Überall gab es krachende Niederlagen; nur einmal war er in seinem Ergebnis zweistellig. Das war beim ersten Versuch in Gangelt, wo er gegen den Amtsinhaber Bürgermeister Bernhard Tholen den Chefsessel im Rathaus erobern wollte. Dabei sind seine Ziele immer ehrenwert: Gerechtigkeit und Toleranz.
Shirt „Landrat Fischer“
Das Shirt „Landrat Fischer“ liegt auch im Schrank. Viel Arbeit wäre es gewesen, als Einzelbewerber anzutreten. Zudem machte der amtierende Landrat Stephan Pusch derzeit eine richtig gute Figur. Er schafft es, täglich schlechte Nachrichten zu verkünden und dabei immer beliebter zu werden. Pusch hat es sogar als mittelmäßiger Udo-Lindenberg-Imitator in die „Heute-Show“ geschafft.
Kein Landrat Fischer, kein Bürgermeister Fischer mehr? Jein – dazu später mehr. „Klimaschutz“ lautet nun die einprägsame Botschaft auf seiner Brust. Bei seinem politischen Engagement hatte er nie eine Partei im Rücken. Jetzt gehört er zur Gemeinschaft „Parents For Future“, einer Bewegung, die sich auf der gleichen Linie mit „Fridays For Future“ sieht. Hier das gesetztere Alter, dort die Jugend. „Ich bin Delegierter und Pressesprecher für Gangelt“, erzählt er. „Die Fridays-For-Future-Leute profitieren von unserer Erfahrung, wir von ihrem Neuen!“
Klare Kante a la Fischer. Seine Wirkung auf die Jugend? „Ich bin ein interessanter Typ“, bescheinigt sich der Diplom-Sozialpädagoge mit dem „Psychologischen Wörterbuch“ im Schrank. Seinen persönlichen Klima-Einsatz sieht der 76-Jährige sehr pragmatisch: „Eine lebensverlängernde Maßnahme ist das für mich!“ Und dann lässt er doch immer wieder durchblicken, dass ihm der Kampf um den Chefsessel in irgendeinem Rathaus der Republik doch immer Spaß gemacht hat.
Er definiert das, was man gemeinhin als deutliche Niederlage (teilweise unter einem Prozent der Stimmen) bezeichnet, fischertypisch als Erfolg. „Ich hatte bei allen Bewerbungen Erfolg – alleine dadurch, dass ich Kandidat wurde.“
Bekennender Grüner
Bürgermeister Bernhard Tholen tritt ja in diesem Jahr bei der Kommunalwahl nicht mehr an. Ob es ihn denn nicht reize, an der Stelle seines größten Erfolges (rund 14 Prozent bei der Wahl 2014) zurückzukehren und es nochmal zu versuchen? Ein Schmunzeln ist die Antwort; er kratzt sich am Dreitagebart: „Der neue Kandidat (Guido Willems, CDU, wie Fischer aus Birgden) hat die gleichen Stärken wie ich, und der ist mir einfach zu sympathisch!“ Eine Fischer-Antwort halt, wie eine nach der anderen kommt. „Da verzichte ich dann zu seinen Gunsten!“
Zudem ist es in den Corona-Zeiten nicht leicht, an das wählende Volk zu kommen. Hein Gottfried Fischer sieht sich, was das Virus angeht, gewappnet. „Ich lebe gesundheitsbewusst“, erzählt er und zeigt auf die rohen Möhren und die ungezählten Vitaminpräparate auf seiner Anrichte. Es gibt da etwas, für das er unbedingt topfit sein will.
Er ist bekennender Grüner und malt sich aus, wie es wäre, mit dieser Partei im Rücken für das Bürgermeister-Amt in Gangelt oder vielleicht sogar als Landrat des Kreises Heinsberg zu kandidieren. Das sagt er, schließt die Augen und zeichnet mit den Händen imaginäre Wolken in den Himmel. Auf seinem Schreibtisch liegt neben dem Ausdruck des Hirtenbriefes von Bischof Dieser zu Corona ein kleines Buch, dass bescheiden daher kommt: „Kraft zum loslassen“ heißt es und die findet der hoffnungslose Optimist wohl noch lange nicht.