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Forstwirt Wolfgang Davids: Warum Naturschutzgebiete kontraproduktiv sind

Forstwirt Wolfgang Davids : Warum Naturschutzgebiete kontraproduktiv sind

Wolfgang Davids legt extrem viel Wert auf den ökologischen Wert des Waldes. Um diesen zu sichern, hat der Forstwirt teils ungewöhnliche Herangehensweisen – nicht nur bei Naturschutzgebieten, sondern auch bei Fehlverhalten in seinem Wald.

Wolfgang Davids steht neben seinem Anhänger und packt jede Menge Baumsetzlinge in zwei Taschen, die er wie einen Rucksack auf seinem Rücken trägt. Buchen, um genau zu sein. Es sind unzählige dünne Stämme, die rechts und links neben seinem Körper hervorragen. Dann nimmt Davids noch seinen Spaten und stellt mit einem Lachen fest: „So, jetzt sehe ich aus wie ein Clown.“ Diese Montur ist nötig, damit der Forstwirt die jungen Bäume gut transportieren und möglichst effizient pflanzen kann. „75 fehlen heute noch, dann habe ich es geschafft“, erzählt er von seinem restlichen Tagesprogramm, das ihn nach eigener Aussage noch etwa eine Stunde Zeit kosten wird.

Er weiß, dass diese Arbeit durchaus schneller erledigt werden könnte – mit Maschinen. Aber das ist nicht die Herangehensweise, für die der 58-Jährige steht. Wolfgang Davids ist Forstwirt aus Geilenkirchen, wo er einige Waldflächen besitzt. Die deutlich größeren Areale hat er in Eschweiler und Stolberg: insgesamt etwa 240 Hektar. An diesem Nachmittag ist er auf einer Freifläche zwischen Mausbach und Innenstadt unterwegs, in unmittelbarer Nähe zum Schießstand am Burgholzer Graben. Maschinen möchte Davids dort nicht einsetzen.

Pferde helfen beim Rücken der Bäume

„Ich könnte hier auch einen Forstmulcher nutzen, der die Fläche innerhalb kürzester Zeit ebnet. Aber das Dramatische bei solchen Maschinen ist, dass sie wirklich alles platt machen und nichts übrig lassen“, erzählt er. So würden nicht nur Insekten, Igel und weitere Tiere getötet, sondern auch deren Lebensräume zerstört. Deshalb setzt der Forstwirt vorrangig auf klassische Methoden – beim Rücken von Bäumen helfen ihm zum Beispiel Pferde. Und er pflanzt eben auch mal 6500 Bäume und Sträucher innerhalb einiger Wochen selbst. „Das ist körperlich natürlich viel anstrengender und dauert länger, aber ökologisch ist es deutlich besser“, ist Davids überzeugt.

Ein weiterer Vorteil sei, dass er bei jedem Loch, das er selbst grabe, direkt sehen könne, welche Auswirkungen das auf die Tier- und Pflanzenwelt habe. Anschließend beobachte er dann, wie sich der Wald entwickelt und wie die Pflanzen immer weiter wachsen – auch wenn das natürlich Jahre dauere. „Ich habe das außergewöhnliche Glück, dass mein Beruf mein Leben ist und mein Herz für den Wald schlägt“, schwärmt er bei diesen Erzählungen. „Wenn ich hier bin, ist alles in Ordnung und ich bin glücklich.“

Wer diese Liebeserklärung an die Natur hört, könnte von der nächsten Aussage des Forstwirts vielleicht erst einmal irritiert sein: „Ich bin mittlerweile der Meinung, dass Naturschutzgebiete kontraproduktiv sind.“ Doch der 58-Jährige erläutert auch, warum er zu diesem Schluss gekommen ist. „Eigentlich sollte die ganze Welt ein Naturschutzgebiet sein. Aber weil wir diese speziellen Flächen haben, behandeln wir den Rest häufig wie Dreck“, kritisiert Wolfgang Davids.

Ein weiterer Aspekt: In Naturschutzgebieten dürfte niemand wirklich die Natur erleben. Alle seien gezwungen, sich ausschließlich auf den Wegen zu halten. In den Augen von Davids ist es aber genau der Kontakt zum Wald, der für einen rücksichtsvolleren Umgang mit ihm sorgt. Aus diesem Grund pflegt der Forstwirt einen nicht unbedingt gewöhnlichen Ansatz, wenn er auf Fehlverhalten in seinem Wald aufmerksam wird.

„Erstmal bin ich ja froh, dass sich die Menschen überhaupt hier draußen aufhalten und dadurch vielleicht auch einen anderen Zugang zur Natur erhalten. Ich kann sie natürlich rausschmeißen, aber damit ist mir gar nicht geholfen“, findet Davids. Schließlich würde das nur zu Unverständnis und Groll führen, außerdem könne er ja sowieso nicht jeden Quadratmeter seiner Flächen gleichzeitig im Blick haben. Also würden die Menschen wiederkommen, wenn der Besitzer nicht mehr in Sichtweite ist, und möglicherweise etwas beschädigen.

Wolfgang Davids hält es deshalb für klüger, mit den Menschen in den Dialog zu treten und ihnen die Spielregeln zu erklären. „Sie dürfen natürlich keinen Müll hinterlassen, Nägel in die Bäume schlagen und Pflanzen ausreißen“, formuliert er seine Erwartungen. „Aber sie dürfen und sollen sich im Wald aufhalten.“ Als Beispiel nennt der 58-Jährige eine Dirtbike-Bahn zum Fahrradfahren, die eine Gruppe Jugendliche am Wasserturm eingerichtet hat. „Da gab es wie so oft nach dem Dialog ein Erfolgserlebnis für beide Seiten. Es ist ein Miteinander im Wald.“

Eine Ausnahme macht Davids allerdings schon: „Bis auf meine Motorsäge hat alles, was einen Motor hat, im Wald nichts zu suchen“, sagt er mit Blick auf Motocross-Fahrer, die kreuz und quer fahren und außerdem eine Menge Lärm machen würden.

Umdenken in der Forstwirtschaft

Auch für die langfristige Sicherung der Artenvielfalt und des Mischwalds hat Wolfgang Davids einen etwas anderen Ansatz. Er plädiert für ein generelles Umdenken in der Forstwirtschaft. „Um finanziell gut dazustehen, sind wir quasi verpflichtet, die Bäume zu pflanzen, die wirtschaftlich am interessantesten sind. Darunter leidet aber die Ökologie“, gibt der Geilenkirchener zu bedenken. Häufig werde der Wald nur als Wirtschaftsfaktor gesehen, dabei sei er noch so viel mehr: Er biete Erholung, Sauerstoff, Grundwasser, Tiere und Pflanzen sowie die Speicherung von CO2. „Die Leistung, die der Wald bringt, wird nirgendwo honoriert. Das ist ein Fehler.“

Deshalb findet Davids: „Es sollte die Möglichkeit geben, auch über den ökologischen Wert einen Ertrag zu erzielen.“ Das könne eine Bezuschussung für die Obstwiese hinter einem Bauernhof sein, aber auch für eine verwilderte Freifläche im Wald, die Insekten und anderen Tieren einen Lebensraum erhält. „So könnte man noch einen anderen Wirtschaftszweig anstoßen und einen besseren Anreiz bieten, sich auch um die Nachhaltigkeit zu kümmern.“ Die Forderung nach Artenvielfalt sei absolut richtig, allerdings brauche ein Forstwirt für die Umsetzung mehr als ein Schulterklopfen.

Wolfgang Davids weiß, dass dieses System absehbar noch nicht gilt. Und trotzdem pflanzt der 58-Jährige auf seiner Freifläche in Stolberg an diesem Nachmittag weiter Buchen anstatt Douglasien. Er tut das mit einer Ruhe, die ihm wohl der Wald selbst schenkt. Und man glaubt ihm trotz aller Diskussionen um Klimawandel, Umweltschutz und Artensterben, wenn er sagt: „Die Natur wird immer bleiben. Die reagiert und guckt, wie sie es hinbiegt.“