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Rätsel um Leiche in Fabrik: War der tödlich Verunglückte ein „Lost Places“-Sucher?

Rätsel um Leiche in Fabrik : War der tödlich Verunglückte ein „Lost Places“-Sucher?

Am Sonntag wird ein Mann mit Fotoausrüstung tot in einer stillgelegten Fabrik in Eschweiler entdeckt. Er war durch ein Hallendach gebrochen. Die Industriebrache ist regelmäßig Ziel von Menschen, die verlassene Orte mit der Kamera dokumentieren.

In Eschweiler ist am Sonntagnachmittag auf einem verlassenen Betriebsgelände die Leiche eines Mannes entdeckt worden. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei Aachen war der 43-Jährige aus Kamen ein sogenannter „Lost Places“-Jäger, also auf der Suche nach verlassenen Orten – in diesem Fall die stillgelegten Produktionshallen der ESW-Röhrenwerke GmbH in Eschweiler. Doch wie konnte er überhaupt auf das Gelände gelangen?

Nach Informationen unserer Zeitung sind die Röhrenwerke noch in Besitz des italienischen Danieli-Konzerns. Ein Unternehmen aus Dortmund sei beauftragt worden, die Rückbaumaßnahmen auf dem Gelände zu koordinieren, bevor dieses verkauft werde. Ein Mitarbeiter dieser Dortmunder Firma äußerte sich auf Anfrage unserer Zeitung zu dem Vorfall vom Wochenende, möchte aber nicht namentlich genannt werden.

Dem Bericht des Mitarbeiters zufolge hatte der 43-Jährige aus Kamen wohl am Samstag von den Bahngleisen her kommend den Zaun zum Gelände der EWS Röhrenwerke GmbH in der Eschweiler Aue aufgeschnitten. Vor einer der Produktionshallen stapelte er dann Paletten aufeinander, um so an die Feuerleiter zu gelangen. Über diese Leiter sei er dann auf das Dach der einsturzgefährdeten Produktionshalle geklettert, das schließlich unter ihm nachgab. Er stürzte in die Tiefe. Nach jetzigem Kenntnisstand der Polizei wurde der 43-jährige beim Aufprall so schwer verletzt, dass er noch am Ort starb.

Der Tote wurde am Sonntagnachmittag von einer Zeugin gefunden. Nähere Angaben zu ihrer Person machte die Polizei auf Anfrage unserer Zeitung zunächst nicht. Auch wie sie selbst auf das Gelände gekommen war, ist offen. Sicher ist aber, dass die Leiche nicht vom Sicherheitsdienst gefunden wurde, der nach Angaben des Mitarbeiters aus Dortmund täglich das Gelände begehe, allerdings nicht die Hallen von innen kontrolliere.

Zusätzlich zu diesen regelmäßigen Begehungen umfahre die Sicherheitsfirma auch täglich das Gelände, um zu prüfen, ob alle Zäune noch intakt seien. Stelle der Sicherheitsdienst Beschädigungen fest, würden diese umgehend repariert.

Das Gelände der Röhrenwerke war im Juli wie viele andere in der Umgebung vom Hochwasser betroffen. Die Inde grenzt unmittelbar an die Halle. Die Fluten zerstörten Tore, die inzwischen durch Zäune ersetzt wurden, sagt der Mitarbeiter. Das Hochwasser habe aber auch weitere Schäden verursacht. „Es gab keine Stromversorgung mehr, dadurch ist die Videoüberwachung ausgefallen“, sagte der Mitarbeiter. „Wegen des Chipmangels warten wir immer noch auf die nötigen Videoserver.“ In der Zwischenzeit habe das Unternehmen mobile Videokameras aufgebaut.

Wann immer es zu Fällen von Hausfriedensbruch auf dem Gelände komme, gebe die Firma das dazugehörige Videomaterial an die Polizei weiter. Und das komme oft vor. Die „Lost Places“-Jäger würden besonders am Wochenende tagsüber in das Gelände eindringen. „In den vergangenen zwei bis drei Wochen kam das vermehrt vor. Wir haben mit dem Sicherheitsdienst gesprochen und die Polizei informiert“, sagte der Mitarbeiter.

Er selbst sei nur einmal in der Woche in Eschweiler, um sich ein Bild der Rückbauarbeiten vor Ort zu verschaffen. Dass das Werk unzureichend gesichert sein könnte, streitet er nachdrücklich ab. Er verweist darauf, dass nicht sein Unternehmen, sondern der Eigentümer mit Sitz in Italien für den Werkschutz verantwortlich sei. Auch die Polizei sieht die Verantwortung beim Eigentümer.

Grundsätzlich sei es nicht erlaubt, so genannte „Lost Places“ ohne Genehmigung zu betreten, betont die Polizei in der Städteregion Aachen auf Anfrage unserer Zeitung. Wer dennoch ein abgezäuntes Gelände oder Gebäude betrete, begehe Hausfriedensbruch und könne im Fall einer Anzeige mit einer Geldbuße und bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe rechnen.

Die Aachener Polizei habe mit solchen Delikten aber gewöhnlich keine größeren Probleme, wie Polizeisprecher Andreas Müller bestätigt. Hin und wieder versuchten „Lost Places“-Fotografen beispielsweise im ehemaligen Militärgebiet Camp Hitfeld in Aachen ihrem Hobby nachzugehen. Auch die frühere belgische Kaserne Camp Astrid in der Nähe des Bahnhofs Stolberg und nicht weit vom ehemaligen ESW-Röhrenwerk gelegen, ist regelmäßig Ziel der „Lost-Places“-Jäger.

(irmi/se/at/heck)