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Vera Joußen geht in den Ruhestand: Vom Personalamt über „Kindergartenangelegenheiten“ zur BKJ

Vera Joußen geht in den Ruhestand : Vom Personalamt über „Kindergartenangelegenheiten“ zur BKJ

Mehr als vier Jahrzehnte war Vera Joußen für die Stadtverwaltung in unterschiedlichsten Bereichen tätig. Maßgeblich war sie dabei an der Gründung und Entwicklung der BKJ beteiligt, an deren Spitze sie zehn Jahre stand. An diesem Mittwoch nun geht die 60-Jährige in den Ruhestand

Nach nahezu 41 Jahren findet das Arbeitsleben seinen Abschluss. Einen Tag später startet die gebürtige Eschweilerin in die Freizeitphase ihrer Altersteilzeit. Vorher hat die 60-Jährige im Gespräch mit Andreas Röchter auf ihre vielseitigen Aufgaben zurückgeblickt und in Sachen Kindertagesstätten auch einen Blick in die Zukunft gewagt.

Wäre 2020 ein normales Jahr, säßen Sie jetzt nicht an ihrem Schreibtisch in Raum 375 des Rathauses. Inwiefern hat die Corona-Pandemie Ihre langgehegten Pläne durcheinandergebracht?

Joußen: Eigentlich sollte der 30. Juni mein letzter Arbeitstag sein. Doch die Pandemie hat bekanntlich, bis auf den Notbetrieb, zur vorübergehenden Schließung der Kindertagesstätten geführt. Eine vollkommen neue Situation, die dennoch an den Schaltstellen nach Erfahrung schrie. Im Mai hat dann Kämmerer Stefan Kaever vorsichtig angefragt, ob ich bereit sei, den Beginn der Freizeitphase meiner Altersteilzeit nach hinten zu verschieben. Für mich war das eine Selbstverständlichkeit. So habe ich den Start des Kita-Jahres am 1. August noch mitgemacht. Das war eine auch ohne Pandemie sehr anspruchsvolle Zeit, schließlich sind innerhalb der BKJ vor dem Beginn eines neuen Kita-Jahres rund 80 Personalmaßnahmen zu treffen. Zum Glück konnte am 17. August der Betrieb in den Kindertagesstätten wieder aufgenommen werden. Inzwischen verfügen wir über eine gewisse Routine im Umgang mit der Ausnahmesituation. So steht dem 30. September als meinem letzten Arbeitstag nichts mehr im Wege.

Bevor Sie sich im Jugendamt den „Kindergartenangelegenheiten“ widmeten und dann am praktischen Aufbau der BKJ maßgeblich beteiligt waren, wurden sie in zahlreichen Ämtern mit den unterschiedlichsten Aufgaben betraut. Fluch oder Segen?

Joußen: Sagen wir so: Es war nicht immer einfach. Manchmal habe ich bei mir gedacht, ich richte mein neues Büro gar nicht komplett ein. Denn wenn ich fertig bin, werde ich sowieso bald wieder woanders hingeschickt. Rückblickend konnte ich aber aus jedem Amt Erfahrungen mitnehmen, die mir bei meiner Aufgabe als Vorstand der BKJ nützlich waren. Im Personalamt habe ich Personalrecht von der Pike auf gelernt. Als Standesbeamtin musste ich vor Menschen reden, was zu diesem Zeitpunkt Neuland für mich war. Und auch Kenntnisse in Sachen Organisation und Finanzen schaden nicht als BKJ-Vorstand.

Welche Ausgangslage fanden sie vor, als sie sich ab Februar 2002 mit „Kindergartenangelegenheiten“ beschäftigten?

Joußen: Es muss ganz klar konstatiert werden, dass den Kindergärten damals eine geringere Priorität eingeräumt wurde. Die Einrichtungen waren nicht wirklich an die Verwaltung angedockt. Und auch untereinander bestand nur eine geringe Vernetzung. Jeder Kindergarten machte quasi sein eigenes Ding. Damals gab es sieben städtische Kindergärten. Im Jahr 2005 haben wir dann den Kindergarten St. Georg in St. Jöris als erste kirchliche Einrichtung übernommen. 2006 folgten weitere bis dahin kirchliche Kitas, so dass wir am 1. Juli 2007 die BKJ mit zehn Einrichtungen starteten.

Wie sieht im Vergleich die aktuelle Situation aus?

Joußen: Inzwischen besteht die BKJ aus 13 Einrichtungen. Im kommenden Jahr kommt mit der Kindertagesstätte in der Dechant-Kirschbaum-Straße die Einrichtung Nummer 14 hinzu. Interessant sind aber auch weitere Zahlen: Bei der Gründung verfügte die BKJ über 96 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Inzwischen ist die Zahl auf 254 gestiegen. Und sie wird weiter steigen müssen, denn die Nachfrage nach Kita-Plätzen ist in Eschweiler als wachsender Stadt unverändert groß.

Ist denn die Zahl der Erzieherinnen – es sind ja nach wie vor deutlich überwiegend Frauen in diesem Beruf tätig – ausreichend?

Joußen: Zunächst einmal darf ich sagen, dass sich unter den acht Auszubildenden, die in diesem Jahr ihre praxisintegrierte Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin beziehungsweise zum Erzieher begonnen haben, drei junge Männer befinden. Generell haben wir keine Probleme, geeignete Bewerber zu finden. Wohl auch, weil die BKJ sich in puncto Ausbildung einen guten Ruf erarbeitet hat. Allerdings schlägt insgesamt auch im Erzieher-Beruf der Fachkräftemangel durch. Deshalb ist es umso wichtiger, die Azubis nach Abschluss ihrer Ausbildung zu übernehmen, um das dann vorhandene Potenzial zu halten.

Wodurch wurde und wird dieser Engpass verursacht?

Joußen: Die Anforderungen an die Erzieherin beziehungsweise den Erzieher haben sich vollkommen verändert. Das 2008 in Kraft getretene Kinderbildungsgesetz hat unseren Auftrag klarer denn je definiert. Und dessen Erfüllung wird von den Eltern vollkommen zu Recht auch eingefordert. Darüber hinaus wurde durch den Rechtsanspruch auf U3-Betreuung mehr Personal notwendig, während die höheren Anforderungen einen Rückgang der Bewerbungen mit sich brachten. Auch bei der Größe der Gebäude stießen wir an Grenzen, so dass Sanierungen und Anpassungen notwendig wurden. Zwischen 2010 und 2015 standen acht Baumaßnahmen für die BKJ auf dem Programm.

Wie sieht ihr Ausblick in die Zukunft aus?

Joußen: Eschweiler bleibt Zuzugsort. Die Nachfrage nach Kita-Plätzen wird steigen. Doch die Stadt ist vorbereitet. Neue Gebäude sind entstanden, entstehen und werden entstehen. Einrichtungen mit fünf Gruppen sind inzwischen nicht mehr die Ausnahme, sondern Standard. Im Sommer 2021 soll die Kita an der Dechant-Kirschbaum-Straße eröffnet werden. Auch im Rathausquartier ist eine Kita vorgesehen. Vorbereitungen für weitere Maßnahmen laufen.

Wie haben sie die zurückliegenden Monate erlebt?

Joußen: Unter großer Anspannung. Es galt, gesetzliche Vorgaben und Auflagen vor Ort umzusetzen. Oft erreichten uns Rundschreiben mit neuen Regelungen am Wochenende. Der Krisenstab der Stadt Eschweiler, dem ich angehörte, war quasi rund um die Uhr im Einsatz. Wir mussten das Betretungsverbot und die Notbetreuung in Einklang bringen. Ebenso haben sich alle Mitarbeiter der BKJ bemüht, den Kontakt zu den Kindern und Eltern aufrechtzuhalten. Einfallsreichtum war das Gebot der Stunde. Inzwischen bemühen wir uns, sukzessive dem Alltag wieder näherzukommen. Es gibt nach wie vor Auflagen, aber auch wieder ein Stück Normalität. Bleibt zu hoffen, dass trotz der steigenden Infektionszahlen keine Rolle rückwärts nötig sein wird.

Wie haben ihre letzten Arbeitstage ausgesehen?

Joußen: Mein Schreibtisch war nach wie vor alles andere als leer. Ich habe Termine wahrgenommen, die eine oder andere Weiche gab es noch zu stellen.

Und ab dem 1. Oktober?

Joußen: Ich werde keine Schublade öffnen, aus der eine neue Tätigkeit hervorspringt. Vorgenommen habe ich mir, im Ganzen etwas herunterzufahren und Dinge umzusetzen, die nicht selten zu kurz gekommen sind. Da steht an erster Stelle die Familie. Weiterhin hoffe ich, an Wochenenden Oldtimerfahrten mit meinem Mann Karl-Heinz genießen zu können.

Wehmut oder Freude?

Joußen: Beides! Ich war nie Einzelkämpferin und konnte mich immer auf die Mannschaften, also die Menschen um mich herum, verlassen. Dies kann ich nicht oft genug betonen. Auf der anderen Seite ist es auch eine Erleichterung, Verantwortung in andere Hände legen zu können.

In welche?

Joußen: Meine Nachfolgerin wird Stefanie Kellner werden, die bisher als Justiziarin im Rechtsamt der Stadt Aachen tätig war.