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Tour durch 1200 Jahre Eschweiler: Vom Morast bis zur Schlacht bei Balaklava

Tour durch 1200 Jahre Eschweiler : Vom Morast bis zur Schlacht bei Balaklava

„Bei Veranstaltungen mit Ihnen, Herr Küpper, lerne ich immer etwas Neues!“ bedankte sich eine Teilnehmerin am Samstag. Simon Küpper, der Ehrenvorsitzende des Eschweiler Geschichtsvereins, hatte ihr und 17 weiteren Teilnehmern zuvor bei einem unterhaltsamen Spaziergang die Geschichte ihrer Heimatstadt näher gebracht.

Der Stadtrundgang begann am Talbahnhof, damals mitten im Sumpf. Denn so muss man sich das ebene Land südlich der Inde vorstellen, wenn man von einem kundigen Stadtführer zurück versetzt wird in die Vergangenheit. Wo heute das Kulturzentrum Talbahnhof steht, war weit und breit kein Haus. Nur saure Wiesen, Morast und ein Bach, der im Frühjahr über die Ufer trat. Dort, wo heute die Talstraße an der südlichen Innenstadt entlang führt, floss im Mittelalter noch „Die alte Bach“, ein Seitenarm der Inde. Das Stadtviertel auf Patternhof zu heißt heute noch „Die Insel“. Ringsum war Überschwemmungsgebiet.

Südlich der Inde lagen im Mittelalter nur dieser Patternhof und eine Wasserburg, die Eschweiler Burg. Der Ort Eschweiler, der im Jahr 828 erstmals als ein karolingischer Königshof erwähnt wurde, befand sich auf dem erhöhten Nordufer der Inde.

Schritt für Schritt – auch ganz wörtlich genommen – nahm Simon Küpper die interessierten Teilnehmer vom Talbahnhof aus mit auf den Weg Eschweilers durch die Jahrhunderte. Er berichtete von der Entwicklung zum Marktflecken, von der im 13. Jahrhundert errichteten Schutzmauer, erzählte vom Aufblühen des Ortes durch den Steinkohlenbergbau im Stadtwald und die Stahlindustrie in der Aue, vom Bau der Eisenbahnlinien und der beiden Bahnhöfe.

Im 19. Jahrhundert dehnte sich die Stadt aus, die Neustadt entstand ab 1856 südlich der Inde, Brücken wurden über den Fluss gebaut. 1858 erhielt Eschweiler Stadtrechte. Da war es längst ein bedeutender Industriestandort.

Einhard, ein gelehrter Freund von Kaiser Karl dem Großen, hat den Königshof Ascvilare erstmals schriftlich erwähnt, vor bald 1200 Jahren. Ascvilare, der Eschenort, ist das heutige Eschweiler. Auf Anregung (und mit Spenden) des früheren Stadtdirektors Bernhard Sperlich erinnert ein kleines Denkmal im Stadtgarten an diesen Einhard. Nach Ansicht von Simon Küpper würde es eher auf den Marktplatz gehören, denn irgendwo dort, ganz in der Nähe der Kirche St. Peter und Paul, muss das Königsgut und damit der Ursprung von Eschweiler gestanden haben.

Ein Spaziergang durch 1200 Jahre Eschweiler Geschichte: Simon Küpper (rechts), Ehrenvorsitzender des Geschichtsvereins, führte am Samstag interessierte Geschichtsfreunde durch die Innenstadt.
Ein Spaziergang durch 1200 Jahre Eschweiler Geschichte: Simon Küpper (rechts), Ehrenvorsitzender des Geschichtsvereins, führte am Samstag interessierte Geschichtsfreunde durch die Innenstadt. Foto: Friedhelm Ebbecke-Bückendorf

Der Weg durch die Stadt und durch die Jahrhunderte führte an zwei Prachtbauten aus der wilhelminischen Epoche vorbei, der Zeit von Kaiser Wilhelm II.: dem Amtsgericht, gebaut 1906, und dem Post- und Telegraphenamt an der Ecke Rosenallee/Kaiserstraße. Dieses Postamt wurde 1913/14 gebaut, „gegen den Widerstand vieler Bürger, denen es zu weit außerhalb des Orts lag“, berichtetete Küpper. Wenn man an diesen Gebäuden hinauf schaut, sieht man preußische Adler in Stein gemeißelt.

Ohnehin ist es lohnend, bei einem Gang durch die Stadt nicht nur in die Schaufenster zu schauen, sondern auch hinauf zu den Fensterfronten. Viele architektonische Details vor allem aus neu-klassizistischer Zeit gibt es zu entdecken. Oder auch etwas, für das man die Sachkunde eines Stadtführers braucht, wie bei dem seltsamen schwarzen Knubbel an der Fassade der Adler-Apotheke in der Dürener Straße. Das, so erläuterte Simon Küpper, ist eine Halterung für den Spanndraht der Straßenbahn.

An die Straßenbahn können sich natürlich ältere Eschweiler Bürger gut erinnern. Und an die Zeit, als die jetzige Fußgängerzone Grabenstraße und Neustraße noch Rennbahn genannt wurde, weil dort am Wochenende die Jugend des Ortes flanierte, Mädchen in die eine Richtung, Jungen ihnen entgegen. Da wurde die Stadtführung für einige Teilnehmer zu einer Erinnerungstour. Ebenso beim Anschauen des Stadtmodells, das an der Einmündung der Marktstraße in die Indestraße steht und die Innenstadt zeigt, wie sie in den 50-er Jahren des vorigen Jahrhunderts ausgesehen hat. Damals, vor dem großen Kahlschlag für den Bau der Durchgangsstraße. Als die Judenstraße und die Straße Knickertsberg noch existierten und die Häuser südlich des Marktes noch bis ans Ufer der Inde standen oder sogar übers Wasser ragten.

Zwei weitere Modelle gibt es, die einen Blick in die Eschweiler Stadtgeschichte möglich machen. Beide befinden sich im St.-Antonius-Hospital. Das Krankenhaus steht auf dem Gelände der einstigen Eschweiler Burg. Von dieser Wasserburg existieren nur noch drei der früher sechs Türme. Die Gebäude der Burg selber sind vollständig verschwunden. Das sogar zweimal im Lauf der Geschichte.

Im Erdgeschoss des Krankenhauses, wenn man durch die Drehtür hineingeht und dann zwei mal nach rechts, stehen die Modelle der Burg. Eines zeigt die mutmaßliche Anlage der spätmittelalterlichen Burg mit ihren Wassergräben, so wie man es heute noch am Haus Kambach in nahen Kinzweiler besichtigen kann.

Balaklavastraße? Wo ist die denn? An der Ecke Neustraße/Uferstraße existieren noch die alten Straßennamen.
Balaklavastraße? Wo ist die denn? An der Ecke Neustraße/Uferstraße existieren noch die alten Straßennamen. Foto: Friedhelm Ebbecke-Bückendorf

Die Ursprünge der Eschweiler Burg liegen im 13. oder 14. Jahrhundert. Um 1800 war sie völlig verfallen. Friedrich Englerth , Sohn der Eschweiler Unternehmerin Christine Englerth und bis 1831 auch Eschweiler Bürgermeister, ließ um das Jahr 1845 herum einen Neubau errichten, in einem historisierenden Stil, der die ursprüngliche Burg phantasievoll nachempfinden sollte. Das Hauptgebäude ist heute noch vielen Eschweiler bekannt: die „Kaffeemöll“. So genannt, weil es wie eine Hand-Kaffeemühle aussah.

Auch diese zweite Burg gibt es nicht mehr. Das Burggelände wurde nach dem Tod Englerths von der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul gekauft und zu einem Krankenhaus umgestaltet. Das zweite dort zu besichtigende Modell zeigt, wie dieses Krankenhaus lange ausgesehen hat. 1967 wurde die Kaffeemöll abgerissen und das moderne St.-Antonius-Hospital errichtet, mit seitdem immer neuen Gebäuden. Nur die drei unter Denkmalschutz stehenden Türme erinnern noch an die Vergangenheit. Im Südost-Turm, berichtete Simon Küpper, befand sich bis 1980 noch die Leichenkammer des Krankenhauses.

Mit einer Fülle von historischen Details wie dem von der Leichenkammer im Burgturm faszinierte Küpper seine Mit-Spaziergänger durch die Eschweiler Geschichte. Nicht jeder weiß, wo früher die Gesundheitstraße und die Balaklavastraße zusammen kamen – die Straßenschilder sind heute noch zu sehen, wenn man seinen Blick ein wenig höher richtet. Und woher die Balaklavastraße ihren Namen hat, wurde auch geklärt: nämlich von der Schlacht bei Balaklava 1854. Oder dies: Das Loch in der Decke, wenn man im Turm der Kirche St. Peter und Paul nach oben schaut, ist dafür gedacht, dort Glocken hinab zu lassen.

Aber es gab noch weitere Fragen, die geklärt wurden: Wo stand früher das Hotel St. Peter? Und wo war der Bacchus-Keller? Das wussten dann natürlich wieder viele der älteren Teilnehmer der Stadtführung, die sich herzlich bei Simon Küpper bedankten – für das viele neue Wissen und auch für die Erinnerungen, die er geweckt hatte.