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Seniorenbeauftragter im Interview: Toporowski: „Die Schublade ist voll mit Ideen!“

Seniorenbeauftragter im Interview : Toporowski: „Die Schublade ist voll mit Ideen!“

In Eschweiler gibt es seit 1980 eine Anlaufstelle für Senioren und deren Angehörige – die Villa Faensen. Leiter Peter Toporowski spricht über das Angebot in seinem Haus und über das Wichtigste, was man braucht, um gesund und munter alt werden zu können.

Gesund und selbstbestimmt bis ins hohe Alter zu sein. Das ist der Wunsch eines jeden Menschen. Allerdings lässt sich dieser Wunsch nicht immer so einfach umsetzen. Gerade im Alter stößt man auf Probleme, die viele alleine nicht lösen können. In Eschweiler gibt es seit 1980 eine Anlaufstelle für Senioren und deren Angehörige – die Villa Faensen/ Haus der Begegnung (früher Städtisches Seniorenzentrum) an der Marienstraße 7.

Mit dem Coronavirus-Lockdown im März musste der beliebte Generationentreffpunkt schließen. Nach langen Monaten der Kontaktlosigkeit hat die Villa Faensen Ende Mai wieder vorsichtig ihre Türen geöffnet. Wie die Senioreneinrichtung ihre Arbeit hochgefahren hat, darüber hat sich Irmgard Röhseler mit dem Seniorenbeauftragten und Leiter der Villa Faensen, Peter Toporowski, unterhalten.

Der Virus wird unseren Alltag wohl noch lange beeinflussen. Wie sehr hat sich seit dem Lockdown der Alltag in der Villa Faensen verändert?

Toporowski: Die großen Veranstaltungen mussten wir ja im März alle absagen, und die Beratungsangebote sind auch während des Lockdowns erstmals komplett weggefallen. Da haben wir uns schon Gedanken gemacht, was machen wir mit den Leuten, die gesundheitliche Beeinträchtigungen haben, wie können wir die unterstützen? Da hatten wir den großen Vorteil, dass wir die Nachbarschaftshilfe haben. Da ich sowieso schon mit der Digitalisierung des Quartiers in der Vorbereitung war, konnten wir, als der Lockdown kam, die Digitalisierung innerhalb einer Woche umsetzen.

Ich habe dann auch Homeoffice gemacht und die ganzen Beratungen und Dienstleistungen von zu Hause gemacht. Vieles ließ sich telefonisch regeln. Die Einkaufsdienste für die bedürftigen Menschen funktionierten hervorragend. Selbstverständlich waren wir froh, dass wir die Villa Faensen Ende Mai wieder unter den Auflagen der hygienischen Konzepte für Beratungen öffnen konnten. Unsere Mitarbeiter wurden geschult, alle Vorkehrungen für ein sicheres Hygienekonzept getroffen. So haben wir es geschafft, derzeit 17 Personen entspannt und ohne Probleme bewirten zu können.

Nachdem die Gastronomie wieder anfangen konnte, durften auch wir Anfang Mai Essen außer Haus anbieten. Das haben viele Leute in Anspruch genommen. Und als wir die Räume wieder öffnen durften, waren viele Menschen überglücklich darüber, wieder die sozialen Kontakte zu genießen. Man spürte wirklich die Entbehrung. Einige Stammgäste sitzen von morgens bis abends bei uns in der Villa, weil das wirklich ein Treffpunkt für sie ist, den sie sich auch leisten können. Wir haben in der Villa Faensen wirklich ein ganz tolles Klientel, die Leute verstehen sich alle super, und es gibt kaum Berührungsprobleme.

Mittlerweile wird bei uns auch wieder Bingo und Skat gespielt, natürlich mit begrenzten Teilnehmerzahlen. Schmerzlich vermisst haben unsere Besucher natürlich das große Frühstücksbuffet, das wir immer freitags nach der Reha angeboten haben, aber auch da haben wir eine Lösung gefunden, denn jetzt gibt es bei uns ein Guten-Morgen-Frühstück, das am Tisch serviert wird. Dann haben wir auch in diesem Jahr unter strengen Auflagen wieder eine Busfahrt organisieren können. Ich hatte zwar große Bauchschmerzen dabei, aber wenn man es mal vor dem Hintergrund sieht, dass das für viele ältere Leute wirklich die einzige Möglichkeit in diesem Jahr ist, mal rauszukommen, dann hat sich die Arbeit vorher (Hygienekonzept erstellen) wirklich gelohnt. In Kooperation mit dem Senioren- und Betreuungszentrums haben wir mit unseren Leuten einen Tagesauflug mit Mittagessen und einer Fahrt über den Möhnesee gemacht, und das war wirklich ein total schöner Tag.

Es ist ja sehr erfreulich, dass Sie es doch geschafft haben, eine Seniorenwoche anzubieten. Die wurde ja sogar auf zwei Wochen verlängert. War es schwierig, ein entsprechendes Programm zu gestalten? Was machen Sie in diesem Jahr anders? Und wie nehmen die Senioren die Angebote an? Das allseits beliebte Tanzkränzchen beim Oktoberfest fällt ja leider aus.

Toporowski: Wir haben uns selbstverständlich die Frage gestellt, ob wir das überhaupt machen können. Viele der Referenten hatten vorzeitig abgesagt. Wir mussten das Programm begrenzen und sind froh darüber, dass wir Referenten und Kooperationspartner gefunden haben, die die Angebote in der Villa auch umsetzen. Obwohl das Programm nicht unbedingt unser Publikum in der Villa anspricht. Bingo ist gut angenommen worden, zu den Vorträgen haben sich nicht so viele angemeldet. Das Oktoberfest, das bei unseren Leuten sehr beliebt ist, fällt ja leider aus. Es ist ein spezielles Klientel, das sich dann zu den verschiedenen Vorträgen anmeldet, da sind viele Themen für pflegende Angehörige interessant. So machen wir uns auch als Anlauf- und Beratungsstelle wieder publik.

Der aktive Teil, das begleitete Busfahren, machen wir wieder von Hastenrath aus. Vor drei Jahren haben wir das schonmal gemacht und drei Rollatorfahrerinnen bis zur Villa begleitet, die sich das alleine niemals getraut hätten. Es sind dieses Mal auch zwei Referenten von der Aseag dabei. Die Aseag sagt ja immer, dass sie in Sachen Barrierearmut im ÖPNV gut aufgestellt ist. Das trifft für den Innenstadtbereich, aber nicht für die Außenbezirke zu. Die Aseag wollte uns zwar einen Übungsbus stellen, aber das wollten wir nicht, wir wollten es live haben, um zu sehen, wo es hakt im Alltag. Mit dem Sozialticket sind wir hier in Eschweiler ja auch auf einem guten Weg. Das ist einfach klasse für die Menschen, denn nicht der Eintrittspreis für Veranstaltungen war ein Problem, sondern der Buspreis.

Seit 2016 wird die Seniorenarbeit in der Villa Faensen vom Projekt „Eschweiler Quartier Zentrum“ betrieben. Was ist genau Ihre Arbeit als Seniorenbeauftragter und Leiter der Villa Faensen?

Toporowski: Ich bin dafür verantwortlich, dass der betriebliche Ablauf funktioniert, und für das, was in der Verwaltung geregelt werden muss. Als Seniorenbeauftragter bin ich die entsprechende Anlaufstelle für Fragen von Menschen zum Thema Seniorenarbeit. Dazu gehören zum einen unser Sozialdienst und Beratungsdienst und zum anderen die konzeptionelle Seniorenarbeit – also neue Dinge in Eschweiler etablieren und weiterentwickeln – dazu gehört beispielsweise auch die Nachbarschaftshilfe. Die Schublade ist voller Ideen. Im Rahmen der Corona-Krise haben Familien auch große Probleme, Beratungsstellen aufzusuchen. Wir möchten beispielsweise künftig Treffen für pflegende Angehörige in unserer Villa organisieren und per Videokonferenz Beratungen anbieten. Da sind wir einzigartig in der Städteregion. Da wir eng mit der Städteregion zusammenarbeiten, können wir diese Erfahrungen weitergeben, so dass diese Ideen auch für andere Kommunen umsetzbar sind.

Wann haben Sie die Leitung übernommen und was hat sich unter Ihrer Leitung verändert?

Toporowski: Die Leitung habe ich im Oktober 2015 übernommen. Ich denke mal, das Angebot ist bunter, vielfältiger geworden. Mittlerweile sind wir von den Beratungsangeboten komplett ausgeschöpft, wir können kein weiteres Angebot mehr aufnehmen in der Villa. Auch an Aktivitäten, das ist schön, sind wir ausgebucht. Zu den Highlights gehören unter anderem „Heiligabend nicht allein zuhause“, die begehrten Tanztees und die Rock-Oldie-Fete mit Jürgen Rombach. Letztere Veranstaltung spricht nicht nur die Generation 50 plus an, sondern zieht auch jüngeres Publikum in die Villa, die dann ganz im Retro-Look gestaltet ist. Bei der letzten Veranstaltung war der jüngste Besucher 16 Jahre und der älteste 98 Jahre alt. Das ist aber auch das, was wir anstreben: Wir sind für alle Menschen da, die unsere Hilfe benötigen.

Was sind das für Menschen, die die Villa Faensen aufsuchen? Sind es überwiegend Alleinstehende, die der Einsamkeit zuhause entkommen möchten?

Toporowski: Zu uns kommen ältere, aber auch jüngere Menschen, die Hilfestellungen aber auch den sozialen Kontakt suchen. Natürlich ist die Vereinsamung ein großes Thema. Wir unterstützen Menschen, die beispielsweise bei eingeschränkter Mobilität oder Krankheit, unsere Hilfe suchen. Wir bieten gesellige Stunden und Freizeitaktvitäten, die der Einsamkeit entgegen wirken sollen. Durch unser Engagement wollen wir dazu beitragen, dass Eschweiler eine Stadt ist, in der man gut älter werden kann und Alt und Jung gerne miteinander leben. Dazu fördern wir auch den intergenerationellen Dialog. Ferner bietet unser sozialer Betreuungsdienst „Selbstbestimmt älter werden“ dauerhafte professionelle Hilfe für ältere Menschen mit Alltagseinschränkungen sowie zur Unterstützung von pflegenden Angehörigen an.

Wie viele Besucher zählt die Einrichtung jährlich?

Toporowski: Im letzten Jahr hatten wir zwischen 11.000 und 12.000 Besucher.

Welche „Hilfestellungen“ können Sie den älteren Menschen geben?

Toporowski:Der Personenkreis Alter hat sich verrückt. Wir reden hier von Leuten so um die 50 aufwärts. Wir kümmern uns um alle Menschen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, egal welchen Alters. Selbstverständlich ist es ein großer Wunsch der Menschen, selbstständig und unabhängig auch im Alter zu leben und den Tagesablauf individuell gestalten zu können. Bei der Umsetzung dieses Wunsches können allerdings Fragestellungen und Probleme auftreten, die allein nicht zu lösen sind. Wir möchten mit Gesprächen und Informationsveranstaltungen helfen, eine Antwort zu finden. Wir haben mit unserem Verein „Generationen Gemeinsam“ ein hervorragendes Präsidium aus Experten aus Politik und dem Bereich der Gesundheit und Pflege. Wir haben sehr kurze Kommunikationswege und können schnell vermitteln und helfen.

Woher nehmen Sie neue Ideen; regen auch die Menschen, die die Einrichtung besuchen, Neues an?

Toporowski: Prämisse unserer Quartiersarbeit war es, nachzufragen, was die Menschen gerne verändern möchten. Wie haben immer zu unseren Leuten gesagt: Ihr wollt was verändern, dann macht es selbst! Nehmt es selber in die Hand! So sind dann viele ehrenamtliche Veranstaltungen wie Bingo entstanden. Und so organisieren unsere Leute viele Veranstaltungen selbst.

Wie wird das Ganze finanziert?

Toporowski: Wir, bzw. die Stadt Eschweiler, schaffen den Raum und die Verwaltung. Wir haben ein tolles Angebot, das sich selbst finanziert. Die Aktionen werden von den Leuten selbst geregelt. Wir machen z.B. für so ein Oktoberfest die Eintrittskarten fertig, designen und drucken das und so weiter. Wir kümmern uns um den Alleinunterhalter, kreieren ein Buffet und legen die Kosten auf die Besucher um. Das alles machen die Leute allerdings selber. So entsteht ein wunderbarer Fluss, eine Rotation. Sollte Geld übrig bleiben, dann investieren wir das in die nächste Veranstaltung. Wir haben kein Gewinninteresse.

Können sich die Senioren auf ein gemeinsames Weihnachtsfest in der Villa Faensen freuen? Findet die Veranstaltung „Heiligabend nicht alleine zuhause“ auch in diesem Jahr statt?

Toporowski: Ja, die ist – natürlich unter strengen Hygienevorschriften – auf jeden Fall geplant.

Was ist Ihr Tipp, gesund und munter alt zu werden?

Toporowski: Da kommen viele Punkte zusammen. Ganz ganz wichtig sind die sozialen Kontakte, ohne die sozialen Kontakte und die Möglichkeit, andere Menschen zu treffen, ist das Problem der Vereinsamung ganz gravierend. Mit der Vereinsamung entstehen die psychosozialen Probleme und die Tendenz demenzieller Erscheinungen. Ein guter sozialer Austausch ist ganz wichtig und steht an erster Stelle, denn mit dem sozialen Austausch kommen die ganzen anderen Aktivitäten sowieso. Man trifft sich dann, ob man dann Bingo oder Boule spielt oder gemeinsam Fitness macht. Das macht man alles gerne in der Gruppe, aber niemals alleine. Durch den regen Austausch hat man dann auch Bewegung, Annäherung und eine gute Ernährung insgesamt auf dem Schirm. Wenn man alleine ist, schafft man das nicht.

Zum Abschluss möchte ich gerne dem Sozial- und Seniorenausschuss ein dickes Lob aussprechen. Diese gute Zusammenarbeit und der Blick auf die Seniorenarbeit hat unsere Arbeit weit vorangebracht. Ohne diese Unterstützung hätte dieser Prozess noch viel mehr Zeit in Anspruch genommen. Hier herrscht immer Konsens aller Parteien. Was die Senioren angeht, sind sich alle einig und so konnten wir viele Sachen umsetzen. Und wie schon eingangs gesagt, die Schublade voller Ideen ist voll. Neben der großen Bandbreite an Beratungen, die konzentriert in unserem Haus angeboten werden, haben wir natürlich auch weitere Projekte, die wir künftig nach vorne bringen möchten.