Beobachtung in der Urologie : Seit der Flut brauchen mehr Kinder Unterstützung
Eschweiler/Stolberg Das Hochwasser hat einige Kinder so traumatisiert, dass sie einnässen – das stellt der Chefarzt der Urologie am St.-Antonius-Hospital fest. Weil die Flut die Technik zur Therapie zerstört hat, radelt Professor Joachim Steffens jetzt für den guten Zweck.
Stresssituationen äußern sich bei Kindern unterschiedlich. Eine mögliche Auswirkung ist das Einnässen, sowohl tagsüber als auch nachts. Seit der Flutkatastrophe Mitte Juli kommt dieses Problem häufiger vor, beobachten Professor Joachim Steffens und seine Kollegin Yvonne Kohnen am St.-Antonius-Hospital Eschweiler. „Betroffene Kinder haben ohnehin schon ein medizinisches Problem, das Hochwasser hat sie zusätzlich traumatisiert und die Symptome haben sich verstärkt. Bei anderen haben die Symptome sich danach überhaupt erst ausgebildet“, berichtet Steffens.
Normalerweise würden im Schnitt etwa zwei bis fünf Kinder pro Woche mit ihren Eltern in die Sprechstunde kommen, im Moment sei der Bedarf an Terminen spürbar größer. Zusätzlich zur höheren Nachfrage komme die Herausforderung, die Kinder angemessen zu betreuen. „Gezielte Hilfe kann zurzeit nicht wirklich stattfinden, weil das Kontinenzzentrum wie die gesamte Urologie zerstört wurde“, bedauert Steffens. Die Räume und Geräte befanden sich im Untergeschoss, dort hat das Hochwasser nichts verschont.
Therapiemöglichkeiten fehlen
Inzwischen sind die Fachärzte ins Krankenhaus integriert und auf verschiedene Stockwerke beziehungsweise Stationen verteilt. Trotzdem stehen nicht alle Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die der Chefarzt und sein Team den Kindern vor der Flut anbieten konnten. Die wichtigste Therapie: „Wir müssen den Kindern vermitteln, wie sie entspannt auf die Toilette gehen können. Denn das ist der erste Schritt, Einnässen zu vermeiden“, erläutert Steffens.
Wenn sie mit dieser Schwierigkeit zu ihm kommen, sind die Kinder so angespannt, dass sie ihre Blase nicht richtig entleeren können. Das zeige sich zum einen in Form einer dickeren Blasenbahn sowie Harnwegsinfektionen. Zum anderen könne man auch die Verkrampfung des Beckenbodens beim Wasserlassen feststellen. Das geschieht mithilfe von Elektroden, die an Oberschenkel und Bauch angeklebt werden. „So können wir die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur ablesen“, sagt der Urologe.
Das gleiche Verfahren soll den Kindern anschließend helfen, die Verspannung selbstständig in den Griff zu kriegen. Dieses Kontinenztraining funktioniert zu Hause mit einer App. „Auf dem Tablet schwimmt ein Wal im Wasser. Solange die Elektroden eine Verkrampfung messen, bleibt er an der Oberfläche. Wenn die Kinder sich dann entspannen, taucht er ab ins Meer, wo er eigentlich hingehört“, erklärt Steffens. Mit diesem spielerischen Ansatz führe man die Kinder langsam an einen gesunden Toilettengang heran.
Diese Methode können Betroffene im Moment allerdings nicht wahrnehmen, da die digitalen Geräte fehlen. Die Flut hat auch die Tablets der Urologie zerstört. Um neue anzuschaffen, hat Joachim Steffens eine Benefizaktion ins Leben gerufen. In Kooperation mit dem Berufskolleg Stolberg/Simmerath und der Stiftung Kinderherz haben bereits zwei Radtouren stattgefunden, mit denen auf die Spendenaktion aufmerksam gemacht werden sollte. Das Geld, das so zusammenkommt, ist für neue Tablets sowie Fortbildungen für die Fachschwestern im Kontinenzzentrum vorgesehen.
Zwei Tablets konnte die Urologie vorher für jeweils drei Monate an ihre Patienten ausleihen. Wenn genug Geld gesammelt wird, dürfen es auch mehr Geräte werden. „Der Bedarf ist auf jeden Fall da“, betont Steffens. Seine Kollegin Yvonne Kohnen, Fachschwester im Kontinenzzentrum, fügt hinzu, dass die Therapie durchaus einige Monate dauern könne. „Dabei spielen auch die Eltern eine wichtige Rolle, sie müssen Verständnis zeigen. Aber wenn alle mitarbeiten, sind die Erfolgsaussichten wirklich gut“, schildert sie ihre Erfahrungen.