Ausbildung : Schlechte Noten machen noch keinen schlechten Bewerber
Eschweiler/Kreis Düren Im Rahmen der Qualifizierungsinitiative „Ich pack´ das!“ vom Unternehmen RWE Power erhalten junge Erwachsene eine zweite Chance für den Start ins Berufsleben. Die Erfolgsquote ist hoch.
Für Jonas und Habib war der Einstieg ins Berufsleben nicht gerade einfach. Habib startete mit einer Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker. Doch schnell merkte er, dass er sich in seinem Ausbildungsbetrieb nicht wohl fühlte. Er schmiss hin und fand keine neue Stelle. Bei Jonas gab es ein anderes Problem. Er brach sein Fachabitur ab und suchte verzweifelt nach einem Praktikumsplatz im Bereich Elektrik, doch seine Bewerbung konnte nicht überzeugen. Aufgegeben haben die beiden allerdings nicht. Jonas und Habib sind zwei von insgesamt neun jungen Männern zwischen 16 und 21 Jahren, die im Programm „Ich pack´ das!“ nun eine zweite Chance im Berufsleben erhalten.
Seit 2004 bietet das Unternehmen RWE Power die Qualifizierungsinitiative, die insgesamt ein Jahr dauert, an. Die Erfolgsquote sei besonders hoch, berichten Olav Breuer und Robert Holz. Breuer ist gelernter Maschinenbautechniker und begleitet das Projekt am Eschweiler Standort seit zwei Jahren. Holz, gelernter Werkvermessungstechniker und Industriemechaniker sowie Industriemeister im Bereich Metall, ist seit eineinhalb Jahren dabei. „Im vergangenen Jahr konnten alle zehn Teilnehmer vermittelt werden“, blickt Holz zurück und ein klein wenig Stolz schwingt in seiner Stimme mit.
In eine Ausbildung konnten in den vergangenen Jahren in der Regel rund 85 Prozent der Teilnehmer vermittelt werden. Manchmal gehe das ganz schön schnell. „Im vergangenen Jahr hatten wir einen Teilnehmer dabei, der am 1. Oktober bei uns angefangen hat und schon zum 1. Dezember mit einer Ausbildung starten konnte“, berichtet Holz.
Zurück in die Schule
Doch nicht für alle jungen Erwachsenen sei das der richtige Weg. „Einige stellen in diesem Programm auch fest, dass sie wieder zurück in die Schule wollen“, weiß Robert Holz. Erneut die Schulbank zu drücken, ist für die Teilnehmer des aktuellen Jahrgangs keine Option. Die Vorstellungen reichen vom Konstruktionsmechaniker über den Elektroniker für Betriebstechnik bis hin zum Industriemechaniker.
Breuer und Holz wissen allerdings auch, dass nicht alle Wünsche der Teilnehmer in Erfüllung gehen. „Es gibt Leute, die haben einfach falsche Vorstellungen von sich und von den Berufen, die sie erlernen möchten“, meint Holz. Umso wichtiger sei es, ihnen Optionen aufzuzeigen und „sie auch dazu zu motivieren andere Berufe zu entdecken“.
So stehe in dem Projekt nicht nur das fachliche Wissen, sondern auch die Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund. „Wir trainieren für Vorstellungsgespräche und erklären, worauf man dabei achten muss. Jeder, der bei uns ist, hat seine ganz persönliche Baustelle“, erklärt Holz. Das können schlechte Noten, aber auch unzureichende Bewerbungsunterlagen sein. „Nur weil jemand ein schlechtes Zeugnis hat, heißt das nicht, dass derjenige auch automatisch ein schlechter Bewerber ist“, betont Holz.
Die jungen Erwachsenen, die an dem Projekt teilnehmen, stammen nicht nur aus der Region, wie beispielsweise aus Eschweiler oder Inden. Habib kommt täglich aus Willich, das zwischen Krefeld und Düsseldorf liegt. „Ein ehemaliger Schulkamerad hat mich darauf aufmerksam gemacht. Ich habe mein Glück versucht und es hat geklappt.“ In dem Ausbildungszentrum in Weisweiler, in dem der Unterricht stattfindet, fühlt er sich wohl. „Ich komme gerne nach hier, weil die Atmosphäre stimmt. Außerdem ist das Essen sehr lecker“, sagt er und lacht.
Bis zu 30 Bewerbungen
Andere Teilnehmer sind über die Arbeitsagentur auf das Projekt aufmerksam geworden. Teilweise haben die jungen Männer zwischen 20 und 30 Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz geschrieben und ausschließlich Absagen kassiert. Das sei natürlich sehr demotivierend, wissen auch Breuer und Holz. Sie nehmen die Bewerbungen genau unter die Lupe. „Wir arbeiten jetzt schon gemeinsam an den Bewerbungen für das kommende Jahr“, erklärt Holz.
Wichtig sei, dass die Teilnehmer zeitnah nach dem Beginn der Maßnahme ein Level erreichen. Dann könne man auch gemeinsame Projekte angehen. Das Ziel des Jahrgangs: „Wir möchten zusammen eine Seifenkiste bauen“, verrät Robert Holz. Unter anderem müssen die Teilnehmer dafür Schweißen lernen. Um als Team zu funktionieren, mussten sich die Teilnehmer zunächst kennenlernen. „Am Anfang sind immer alle nervös. Aber alle haben dasselbe Ziel, deshalb ist der Austausch unheimlich wichtig“, sagt Holz. In diesem Bereich konnte man bereits Erfolge erzielen. „Einige Fahrgemeinschaften haben sich schon gebildet“, so Holz weiter.
In der Regel findet der Unterricht in Präsenz statt. Die Coronavirus-Pandemie hätte allerdings vieles deutlich erschwert. In diesen Tagen habe man zum ersten Mal Online-Unterricht angeboten. „Das hat bei fast allen auch ganz gut geklappt“, berichtet Holz. Corona und die damit verbundenen Lockdowns hätten auch Einfluss auf die schulische Laufbahn der Teilnehmer gehabt.
Persönlichkeiten hervorheben
„Bei uns ist so viel Unterricht ausgefallen. Wir haben zum Beispiel gar nicht gelernt, wie man eine Bewerbung schreibt“, berichtet Jonas. Anhand verschiedener Erklärvideos habe er sich die Grundlagen selbst beigebracht. Gemeinsam mit Olav Breuer und Robert Holz feilt er nun daran. „Dafür sind die Leute hier. Wir möchten ihre Persönlichkeiten in den Bewerbungen hervorheben“, meint Holz.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: „Man sollte sich in seiner Bewerbung kurz fassen und nicht zu sehr ausschweifen“, sagt Jonas. Im Laufe der vergangenen Jahre haben Olav Breuer und Robert Holz einen geschulten Blick für die Bewerbungen der Teilnehmer entwickelt. „Man merkt direkt, wenn jemand seine Bewerbung nicht selbst geschrieben hat“, weiß Holz.
Er ist überzeugt, dass auch die Teilnehmer dieses Jahrgangs schnell in Ausbildungen oder Praktika vermittelt werden können. „Außerdem erwartet niemand, dass man bei der Bewerbung einen vollkommenen Auszubildenden einstellt. Das Ganze ist ein Prozess, der sich entwickelt“, sagt Holz.