Eschweiler : Ruhestand nach 42 Jahren bei der Kriminalpolizei
Eschweiler Sie ist die gute Seele des Kriminalkommissariats in Eschweiler: Wilma Rüttgers. 42 Jahre arbeitete die Indestädterin dort. Doch damit ist jetzt Schluss. Die 65-Jährige tritt ab Montag in den Ruhestand.
Im Interview mit unserer Zeitung blickt die FC Köln-Anhängerin, die im Büro sogar eine Wand voller Kalender und Poster mit dem Lieblingsverein verziert hat, auf ihre Zeit bei der Eschweiler Polizei zurück und verrät, warum sie ihre Kollegen in Zukunft wohl nicht mehr auf der Wache besuchen wird.
Frau Rüttgers, 42 Jahre im Eschweiler Kriminalkommissariat liegen hinter Ihnen, ab der kommenden Woche erwartet Sie ein anderer Alltag. Freuen Sie sich auf Ihre Zeit als Rentnerin?
Rüttgers: Eine Sache habe ich beschlossen: Ich werde mir auf jeden Fall einen neuen Job suchen .
Wollen Sie Ihr Renterndasein nicht erst einmal in vollen Zügen genießen?
Rüttgers: Ich habe seit meinem 14. Lebensjahr immer ganztags gearbeitet. Auch als mein Sohn kam, bin ich noch sechs Wochen vor der Geburt und sechs Wochen nach der Geburt wieder arbeiten gegangen. Ich habe immer gesagt, dass ich bis zur letzten Sekunde arbeiten werde. Die Rente stelle ich mir als so eine Art Urlaub vor, der aber dann auch irgendwann wieder vorbei ist. Ich werde mir einen Nebenjob suchen, weil ich einfach mulle muss.
Ihre Kollegen haben Ihnen zum Abschied bereits in der vergangenen Woche ein ganz besonderes Geschenk gemacht.
Rüttgers: Ja, das stimmt. Ich bin ja Fan des 1. FC Köln und zwar durch und durch. Ich bin sogar seit einigen Jahren Mitglied und versuche natürlich so oft wie möglich ins Stadion zu fahren. Am vergangenen Samstag war ich natürlich auch beim Heimspiel gegen Mainz. Wir fahren immer mit mehreren Leuten, da ist unter anderem auch mein Sohn dabei, aber an diesem Tag mussten wir unbedingt früher losfahren als sonst.
Kam Ihnen das irgendwie merkwürdig vor?
Rüttgers: Ich fand es schon komisch, aber die Jungs haben gesagt, dass wir früher fahren müssen. Wir haben dann einen von ihnen noch an einer Raststätte abgeholt, aber der kam und kam nicht. Da wurde das ganze Auto auf einmal sehr nervös. Nun ja, irgendwann kam er dann und wir konnten weiterfahren. Wir gingen in die Kurve rein und waren fast ganz alleine im Stadion. Da habe ich dann schon zu den Jungs gesagt, dass wir gar nicht so früh hätten fahren müssen.
Und was passierte dann?
Rüttgers: Als das Stadion voll war, hat der Stadionsprecher plötzlich meinen Namen genannt und gesagt, dass ich in Rente gehe. Meine Kollegen hatten den FC angeschrieben und in dem Schreiben erklärt, dass ich ein riesengroßer Fan bin und das Stadion mein Tempel wäre. Sie haben dann gefragt, ob es nicht möglich wäre, dass der Stadionsprecher mich quasi verabschiedet.
Wie haben Sie sich in dem Moment gefühlt?
Rüttgers: Das war einfach nur ein Traum. Etwas Schöneres hätte man gar nicht machen können. Aber das war ja noch nicht alles.
Was konnte dieses Highlight denn noch toppen?
Rüttgers: Danach habe ich eine SMS an alle Kollegen geschrieben und wollte mich bedanken. Ich hatte den Text aber noch nicht fertig getippt, da kam die ganze Dienststelle in die Kurve. Da waren selbst Kollegen bei, die mittlerweile nicht mehr in Eschweiler sind. Und nach dem Spiel haben wir dann in Köln alle zusammen noch so richtig gefeiert. Und nächste Woche Freitag habe ich die Kollegen dann alle zu mir nach Hause eingeladen, da feiern wir dann auch nochmal Abschied.
Blicken wir mal auf Ihre Zeit im Kriminalkommissariat zurück. Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten denn so alles verändert?
Rüttgers: Am Anfang war vieles anders. Früher, also in den ersten zehn Jahren in Eschweiler, haben wir hier ja auch alle Fälle bearbeitet. Wir haben hier Mörder, Bankräuber und Vergewaltiger vernommen. Das ist ja mittlerweile anders.
Inwiefern?
Rüttgers: Jetzt werden hier ja nur noch die Fälle in denen es um Kleinkriminalität geht, behandelt. Aber das hört ja bald auch auf.
Warum?
Rüttgers: Weil zum 1. Januar die Eschweiler Kollegen mit Stolberg zusammengelegt werden sollen und dann nach Stolberg gehen. Die Zukunft sieht also nicht so rosig aus. Das ist auch das einzige, was es mir nicht so schwer macht in Rente zu gehen.
Was hat sich im Vergleich zu den Anfängen denn noch geändert?
Rüttgers: In den ganzen Jahren hatte ich insgesamt sechs Chefs. Ich habe in dieser Zeit auch alleine vier Umzüge mitgemacht. Am Anfang waren wir noch da, wo heute das ehemalige Karstadt-Gebäude ist. Dann waren wir an der Hehlrather Straße zusammen mit dem Einwohnermeldeamt. Danach ging es an die Dürener Straße/Ecke Preyerstraße, und seit rund zehn Jahren sind wir jetzt hier an der Preyerstraße.
Sie sagten, dass Sie bis zur letzten Sekunde arbeiten wollten. Wie wichtig ist Ihnen Ihr Job?
Rüttgers: Ich war Tag und Nacht auf der Dienststelle. Ich bin auch schon nachts angerufen worden und gefragt worden, ob ich nicht etwas schreiben könnte. Ein Nein gab es für mich nie. Das war immer so interessant, dass ich auch immer unbedingt dabei sein wollte. Wenn meine Kollegen jemanden festgenommen hatten, dann ging ich nicht nach Hause .
Gibt es einen besonderen Fall, an den Sie sich noch gut erinnern?
Rüttgers: Es gab mal einen Arzt in Eschweiler, der hier im Krankenhaus gearbeitet hat und ein Verhältnis mit einer Krankenschwester hatte. Die hat er auch umgebracht. Als der Mord passiert ist, hatten wir gerade Weihnachtsfeier. Die war dann natürlich beendet. Wir haben ihn in Eschweiler vernommen und ich habe die ganze Nacht geschrieben und geschrieben. Dann gab es auch noch eine Serie von Einbrüchen, da lag der ganze Flur voller Papiere, weil wir alle Fälle aneinandergereiht hatten.
Nun sind Ihre Kollegen ja auch heute noch zum größten Teil männlich. Wie sind Sie damit umgegangen?
Rüttgers: Ich habe immer sehr, sehr nette Kollegen gehabt. Wir sind ein super Haufen und haben ein super Verhältnis. Das sieht man alleine schon an unseren Frühstücken. Die sind wirklich spektakulär.
Inwiefern?
Rüttgers: Das kann man schwer beschreiben. Wir singen auch teilweise beim Frühstück . Das könnte man wirklich in einer Talkshow bringen. Das wird mir auch wirklich fehlen.
Werden Sie Ihre Kollegen denn in Zukunft nicht besuchen?
Rüttgers: Ich denke eher nicht. Man stört dann eher. Zum Frühstück würde ich auch nicht kommen, das ist mir nämlich einfach zu früh. Ich freue mich nämlich schon darauf, dass ich mal etwas länger schlafen kann.
Wie sind Sie denn eigentlich zur Polizei gekommen?
Rüttgers: Ich habe bei der ehemaligen Kesselfabrik Dohmen eine dreijährige Ausbildung zur Stenotypistin gemacht. Danach habe ich fünf Jahre bei Glaswerken in Aachen gearbeitet. Im Mai 1973 habe ich geheiratet, und am 1. Oktober 1973 bin ich zur Polizei gekommen. Dort hat es mir so gut gefallen, weil ich nicht über irgendwelche Dinge, sondern über Menschen geschrieben habe. Dass ich dort gelandet bin, war aber eigentlich Zufall. Ich suchte damals eine Stelle in Eschweiler, und der damalige Hauswirt, bei dem meine Mutter und ich wohnten, meinte, dass ich mich doch auf die Stelle bewerben könnte. Das habe ich gemacht und seitdem bin ich da.
Nun haben Sie ja in den vergangenen Jahrzehnten so einiges mitbekommen, haben Mörder und Vergewaltiger gesehen und erlebt. Hat man da nicht auch manchmal etwas Angst?
Rüttgers: Nein, Angst hatte ich nie. Ich habe mir ein sehr dickes Fell angeeignet. Wenn man das nicht macht, geht man unter und wenn ich immer Angst gehabt hätte, dann hätte ich gar nicht arbeiten gehen können. Ich glaube, ich könnte sogar nachts durch den Wald laufen und hätte trotzdem keine Angst .
Kommen wir mal zurück zu Ihren Hobbys. Sie sind nicht nur großer Fan des 1. FC Köln, sondern auch Karnevalsjeck.
Rüttgers: Karneval ist für mich der Höhepunkt jedes Jahres. Das ist sogar noch besser als Weihnachten und dafür bleibe ich auch in Eschweiler und fahre ausnahmsweise nicht nach Köln. Denn die Eschweiler sind den Kölnern von ihrer Art her sehr nah, jedenfalls näher als den Öchern .