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Krankenhauslandschaft: Keine Sorge vor der Insolvenz

Krankenhauslandschaft : Keine Sorge vor der Insolvenz

Laut einer Studie des RWI-Leibniz-Instituts verschärft sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser immer mehr. 2022 drohe im Krankenhauswesen ein „Offenbarungseid“, sind sich die Experten sicher. Und was sagt man in Stolberg und Eschweiler dazu?

Die RWI-Ökonomen Boris Augurzky und Christoph Schmidt sind sich sicher: Die Corona-Pandemie hat die ohnehin bereits angespannte wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser in Deutschland weiter verschärft. Bund, Länder und auch die Kommunen müssten dringend umsteuern, um Klinikschließungen im großen Stil zu vermeiden und die umfassende Gesundheitsversorgung auch nach 2021 sicherzustellen, so die Forscher weiter.

Dazu legen sie der Politik gleich mehrere Handlungsempfehlungen vor. Dass sich – nicht zuletzt durch den neuen Krankenhausrahmenplan, der im kommenden Jahr erscheinen soll – in der Krankenhauslandschaft etwas ändern wird, wissen auch Dirk Offermann, Geschäftsführer des Bethlehem-Gesundheitszentrums in Stolberg, und Elmar Wagenbach, Geschäftsführer des St.-Antonius-Hospitals in Eschweiler. Die beiden Geschäftsführer stimmen den neusten Veröffentlichungen des RWI-Leibniz-Instituts allerdings nicht in allen Punkten zu.

Immer wieder werde in der Studie beispielsweise davon gesprochen, stabile Krankenhausstrukturen zu schaffen. „Ich weiche da mit meiner Position etwas ab. Ich kann mich nicht anschließen, dass nach der Corona-Pandemie alles schlechter wird. Da liegt meiner Meinung nach der Hauptfehler“, sagt Offermann. Bereits in den vergangenen Jahren sei man als Krankenhaus stets einem finanziellen Druck ausgesetzt.

Die Investitionskosten, die eigentlich von den Ländern übernommen werden, müssten „zwingend“ verbessert werden, so Offermann. „Es kann nicht sein, dass man aus Fallpauschalen Geld rausquetschen muss. Da liegt ein Fehler im System.“ Eine ähnliche Meinung vertritt auch Wagenbach. „Sonderinvestitionen sind gut. Aber sie decken nicht die Defizite der Vergangenheit“, so Wagenbach.

Kein neues Thema

Die beiden Ökonomen Boris Augurzky und Christoph Schmidt sind der Meinung, dass Investitionsmittel für eine stärkere Zentralisierung bereitgestellt werden sollten. Was man unter der Zentralisierung von Krankenhausstrukturen versteht? In Ballungszentren müssten vermehrt hochspezialisierte medizinische Angebote in den Groß-Kliniken gebündelt werden. In ländlicheren Regionen müsse dagegen die ambulante Versorgung weiter ausgebaut werden. Offermann meint, dass der Krankenhausrahmenplan insbesondere in dieser Hinsicht gut durchdacht und gestaltet werden müsse. Nicht nur Leistungsgruppen, sondern auch Mengen, Struktur- und Qualitätsvorgaben müssten intelligent definiert werden.

Sogenannte Teilgebiete gab es bereits in NRW. Von der Vorgängerregierung seien diese allerdings abgeschafft worden. Daraufhin konnte jedes Krankenhaus nahezu alle Behandlungen anbieten. „Die Versorgungscluster aus dem neuen Krankenhausrahmenplan sind nichts anderes als die früheren Teilgebiete“, meint Wagenbach. Eine Frage, die allerdings beantwortet werden müsse: „Wo wird die Mindestmenge bei den Behandlungen liegen? Das führt auch dazu, dass man bestimmte Patienten nicht mehr behandeln darf“, so Wagenbach.

Im Eschweiler Krankenhaus hat man vor einer Insolvenz keine Angst.
Im Eschweiler Krankenhaus hat man vor einer Insolvenz keine Angst. Foto: MHA/Sonja Essers

Das werde auch heute schon – in Teilen – praktiziert, erklärt Offermann. „Wenn wir einen Patienten haben, bei dem die Bauchschlagader zu platzen droht, dann behandeln wir ihn nicht hier. Dann wird er in eine Fachklinik nach Aachen gebracht“, so der Geschäftsführer des Stolberger Krankenhauses. Er ist aber auch der Meinung: „Neben den individuellen Schwerpunkten je Haus muss die Grund- und Regelversorgung vor Ort bleiben.“

Eine weitere Empfehlung der Ökonomen: Die Attraktivität der Gesundheitsberufe müsse erhöht werden. Flexible Arbeitszeiten und ein angemessener Lohn könnten Engpässe bei Fachkräften vermeiden. Auch Wagenbach weiß, dass es immer schwieriger wird, Personal zu finden.

Mehr ausbilden, besser bezahlen

Im Eschweiler Hospital sei man zwar gut aufgestellt, allerdings sei auch klar, dass es irgendwann nicht mehr genügend Personal gebe, um alle Stellen auch entsprechend zu besetzen. In Stolberg hat man sich entschieden, darauf zu reagieren und Mitarbeiter aus dem Ausland zu rekrutieren. Für Offermann ist aber auch klar: „Wir müssen vorne anfangen. Wir müssen mehr ausbilden, bessere Werbung machen und bessere Gehälter zahlen.“

Auch diesbezüglich arbeiten die beiden Krankenhäuser bereits zusammen. Unter anderem durchlaufen angehende Anästhesisten Abteilungen in beiden Einrichtungen. Das Regionetzwerk für die Frau sei ein Beispiel für die Schwerpunktbildung. „Ich glaube, dass das, was wir schon tun, in Zukunft noch weiter vorangetrieben wird“, sagt Offermann.

Die Digitalisierung spiele – laut Leibniz-Institut – ebenfalls eine wichtige Rolle. Eine bundesweit einheitliche elektronische Patientenakte soll 2021 eingeführt werden. Leistungsfähiges Internet, das aber die Voraussetzung für den „dringlichen“ Einsatz der Telemedizin sei, fehle ebenfalls vielerorts. Auf Telemedizin setzt man in Stolberg bereits seit drei Jahren. Offermann geht noch einen Schritt weiter. „Der immer stärker werdende Fachkräftemangel wird uns in die Telemedizin zwingen – auch im ambulanten Bereich.“ Seiner Meinung nach müssen Innovationen gefördert werden – wie beispielsweise die Künstliche Intelligenz, die in Bereichen wie der Radiologie und bei Untersuchungen wie der Mammographie genutzt werden könnte.

Sehr gut aufgestellt

Das Fazit der beiden Geschäftsführer: In Eschweiler sei man wieder auf dem Leistungsniveau wie vor der Pandemie. „In Sachen Geld, Nachwuchs und Investitionsstau sind wir sehr gut aufgestellt“, sagt Wagenbach. Trotzdem habe er eine gewisse Sorge. „Man weiß nie, wie schnell die politische Meinung wechselt.“ Und als Krankenhaus wolle man auf lange Sicht ein solider Anbieter einer guten Gesundheitsleistung, aber auch ein sicherer Arbeitgeber und Partner sein.

Was ihn besonders stört? „Bevor man eine alte Struktur zerstört, schafft man eine neue. Ich habe das Gefühl, dass es im Moment anders herum verläuft.“ Sorge vor einer Insolvenz habe man nicht. „Nicht durch Corona gehen Häuser pleite.“ Die Frage sei: Was geschieht, wenn die Subventionierungen aufhören? „Ich glaube schon, dass es den einen oder anderen erwischen wird“, ist sich Wagenbach sicher.

Offermann blickt optimistisch in die Zukunft. Land und Bund hätten in der Krise erkannt, dass es wichtig sei, den Krankenhäusern die Sorge zu nehmen, dass sie aufgrund der Pandemie pleite gehen würden. Ob dies allerdings auch langfristig der Fall sei, könne man noch nicht sagen. „Aber man muss auch wertschätzen, dass etwas getan wird.“