Unser Karneval : Fastelovendsjeck und Mitmachverein, aber keine Karnevalsgesellschaft
Serie Eschweiler Die „Bösen Buben“ nehmen im Eschweiler Karneval eine außergewöhnliche Stellung ein. Die Unterhaltungsabteilung der Kolpingsfamilie Eschweiler ist seit 1976 Teil des Komitees. Eigene Kräfte prägen das Bild auf der Bühne.
Seit 46 Jahren machen sie einen kleinen, aber definitiv sehr feinen Teil des Karnevalskomitees der Stadt Eschweiler aus und agieren auf Augenhöhe mit den zahlreichen Gesellschaften der Indestadt. Dennoch stellen sie in gewisser Weise eine Ausnahme dar: Denn bei den „Bösen Buben“ handelt es sich nicht um eine Karnevalsgesellschaft, sondern um die Unterhaltungsabteilung der 1854 ins Leben gerufenen Kolpingsfamilie Eschweiler.
Auch die Historie der feierfreudigen Buben und Mädchen reicht viel weiter zurück als in das Jahr 1976. „Erstmals erwähnt wurden die Bösen Buben im Jahr 1910. Am 6. Februar dieses Jahres traf man sich im großen Saal des Gesellenhauses an der Kolpingstraße, gegenüber des heutigen Schulhofs des Städtischen Gymnasiums, um, wie es heißt, im Zeichen des Karnevals ein Familienfest zu veranstalten“, berichtet „BöBu“-Präsident Guido Kuth, der nicht unerwähnt lässt, dass dieser Saal über 1200 Sitzplätze an Tischen verfügte und somit wohl der größte Saal in der Geschichte der Indestadt war.
Eng verbunden ist der Ursprung der Bösen Buben auch mit dem „Fratzenschneiderverein“, der einstmaligen Theatergruppe der Kolpingsfamilie Eschweiler. Wobei der Begriff „Theater“ auch heute noch eine große Rolle im Selbstverständnis der Bösen Buben spielt, wie das närrische Volk bei den Sitzungen der Unterhaltungsabteilung Jahr für Jahr (außerhalb von Pandemiezeiten) mit größtem Wohlwollen und Begeisterung feststellt. Denn jede Sitzung steht unter einem Motto, das sich vom Bühnenbild über die Kostüme der Protagonisten auf der Bühne bis zu den Rede-, Musik- und Tanzdarbietungen wie ein roter Faden durch den gesamten Abend zieht.
Da rocken die Götter den Olymp, setzen die Bösen Buben und Mädchen zum Gipfelsturm in den Alpen an oder stechen in See. „Wir sind ein Mitmachverein und ein Verein von Auftretenden“, bringt es Guido Kuth kurz und prägnant auf den Punkt. Dank der Mariechen, der Tanzgruppe „Böse Mädchen“, des Männerballetts, der Musikgruppe Inde-Singers und der Redner sei es möglich, einen großen Teil der Sitzungen mit eigenen Kräften zu bestreiten. „Und wer der Meinung ist, nicht tanzen, singen, musizieren oder reden zu können, der greift eben zum Akkuschrauber oder zu einem anderen Werkzeug und bringt sich so ein. Bei uns kann jeder mitmachen“, unterstreicht Guido Kuth und nennt die starke Bühnenbau-Gruppe, bei der seine Frau Eleonore Kuth seit vielen Jahren federführend agiert, als Beispiel.
Der Startschuss zur nächsten Session fällt traditionell an „Mittfasten“. Dann kommt die Kolpingsfamilie Eschweiler (die Bösen Buben als solche haben keine Mitglieder) zur Manöverkritik zusammen. „Wir diskutieren, wie die zurückliegende Session gelaufen ist und besprechen, was der Veränderung und der Verbesserung bedarf. Dann werden Vorschläge gemacht, unter welchem Motto die nächste Session beziehungsweise Sitzung stehen soll. Zu bedenken ist dann immer, dass der Vorschlag nicht nur das Bühnenbild, sondern auch die Kostüme und die Bühnenbeiträge betrifft“, erklärt Eleonore Kuth.
Kostüme auf Motto abgestimmt
Dass die Bösen Buben mit ihren Motto-Sitzungen den Nerv des indestädtischen Narrenvolks treffen, ist für den Präsidenten sowie die Bühnebauerin und Tänzerin eindeutig. „In der Regel gehen bei uns schon Monate vorher Anfragen von Stammgästen ein, was wir uns denn für die nächste Sitzung ausgedacht hätten. Ein großer Teil des Publikums besucht die Sitzungen dann in Kostümen, die sich auf unser Motto beziehen. So ist von vorneherein eine Interaktion, ein Zusammenspiel zwischen Publikum und den Auftretenden vorhanden“, berichtet Eleonore Kuth. Und erinnert sich gerne an eine Gästegruppe, die während der Mottositzung „Eine Seefahrt, die ist lustig“ in Seehund-Kostümen vor Ort war und einen echten Blickfang darstellte. „Ich bin davon überzeugt, dass der Motto-Gedanke unserer Sitzungen sehr reizvoll für die Gäste ist.“ Und auch bleiben werde. Denn Ideen für die Zukunft seien durchaus in Hülle und Fülle vorhanden.
Natürlich bedauern die Bösen Buben die Situation, die die Corona-Pandemie in den zurückliegenden beiden Jahren verursachte. So hofften sie vergeblich, ihr 111-jähriges Bestehen gebührend feiern zu können. Und auch der 112. Geburtstag, der unter dem treffenden Gedanken „112 – die Hütte brennt“ stehen sollte, fiel beziehungsweise fällt bekanntlich ins Wasser. „Doch wir blasen nicht unentwegt Trübsal“, so Guido Kuth.
Einem halbherzigen Karneval unter Corona-Bedingungen können die Bösen Buben nicht viel abgewinnen. „Wir möchten keinen Karneval unter Einschränkungen feiern. Karneval lebt von Emotionen“, sprechen Eleonore und Guido Kuth auch im Namen aller Bösen Buben beziehungsweise Mitstreiter der Kolpingsfamilie Eschweiler. „Und wenn es wieder losgeht, machen wir dort weiter, wo wir aufgehört haben“, verspricht die Bühnenbauerin. An Aschermittwoch möchten sich die Mädchen und Buben zum Fischessen (auch für Nicht-Fischliebhaber) treffen. Dann ist Mittfasten nicht mehr weit. Und die Ideenbörse bald wieder eröffnet.