Förderbescheid für Eschweiler : „Jetzt können wir den Wiederaufbau unserer Stadt vorantreiben“
Eschweiler/Stolberg Eschweiler hat als eine der ersten von der Flutkatastrophe betroffenen Kommunen seinen Wiederaufbauplan genehmigt bekommen. Die Stadt soll von Land und Bund rund 170 Millionen Euro erhalten. In Stolberg ist man derweil noch nicht so weit.
Ob Ina Scharrenbach am Sonntag tatsächlich wie geplant nach Eschweiler kommen wird, bleibt abzuwarten. Nach dem Skandal um den Mallorca-Aufenthalt führender Kabinettsmitglieder kurz nach der Flutkatastrophe im vergangenen Juli und dem Rücktritt von NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser steht auch die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung mächtig unter Druck und sieht sich Rücktrittsforderungen ausgesetzt.
Die Dienstreise an die Inde will sie nach Aussage ihres Sprechers Fabian Götz dennoch antreten. Unabhängig davon steht aber fest, dass Eschweiler als eine der ersten Kommunen, die am 14. und 15. Juli 2021 von der Hochwasserkatastrophe heimgesucht und schwer beschädigt worden waren, die Genehmigung und einen Förderbescheid für ihren Wiederaufbauplan erhält. Letzteren will, so der Plan, Scharrenbach Bürgermeisterin Nadine Leonhardt (SPD) am späten Vormittag in der Mensa der verwüsteten Evangelischen Grundschule Stadtmitte überreichen.
„Für uns ist das eine sehr wichtige Entscheidung und ein ganz entscheidender Schritt“, freut sich Leonhardt über die positive Botschaft nach rund zweimonatiger Bearbeitungszeit. Der Rat der Stadt Eschweiler hatte den Wiederaufbauplan am 3. Februar einstimmig verabschiedet. Er umfasst Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 173 Millionen Euro. Der Beschluss war gekoppelt an die Forderung, dass Bund und Land 100 Prozent der anfallenden Kosten übernehmen müssten. Das hatten auch Kämmerer Stefan Kaever und Nadine Leonhardt mehrfach unterstrichen.
Die exakte Fördersumme kennt die Bürgermeisterin bis dato noch nicht. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es lediglich geringfügige Abstriche, weshalb die Hilfe nur unwesentlich unter den beantragten 173 Millionen Euro liegen wird. „Jetzt können wir den Wiederaufbau unserer Stadt vorantreiben. Dafür werde ich mich beim Land und bei der Ministerin am Sonntag bedanken“, kündigt Leonhardt an. Die Stadt habe endlich die nötige Planungssicherheit. „Die Zwischenfinanzierung, die wir bisher leisten mussten, war grundsätzlich kein Problem. Aber jetzt haben wir die Gewissheit, dass wir das Geld, das wir vorstrecken, auch zurückbekommen werden.“
Größter Posten in dem 67-seitigen Zahlenwerk, das das Planungsbüro Drees & Sommer im Auftrag der Stadt erstellt hat, ist das zerstörte Hallenbad an der Jahnstraße. Es schlägt mit 52 Millionen Euro zu Buche. Dem Vernehmen nach hat sich in der Politik mittlerweile eine Variante durchgesetzt: der Abriss und Neubau des Bads an gleicher Stelle.
Um das Schul- und Vereinsschwimmen in der Zwischenzeit gewährleisten zu können, soll das Freibad in Dürwiß von Herbst bis Frühjahr mit einer Traglufthalle überdacht werden. Auch diese Maßnahme ist im Wiederaufbauplan zu finden und vom Land genehmigt worden. Sie wird, wie alle anderen Maßnahmen auch, auf Basis einer Projektbeschreibung noch einmal separat von der Bezirksregierung überprüft. „Nach Beendigung der Arbeiten wird uns dann das Geld überwiesen“, beschreibt Nadine Leonhardt das weitere Prozedere.
Mit diesem wird auch Patrick Haas in naher Zukunft zu tun haben. Allerdings ist die Stadt Stolberg in Sachen Wiederaufbauplan noch nicht so weit wie Eschweiler. „Wir sind in den letzten Abstimmungen mit unseren Ämtern und werden nächste Woche in die Vorgespräche mit der Bezirksregierung Köln gehen, damit wir im Mai den Wiederaufbauplan beschließen können“, berichtet der Bürgermeister (SPD). 220 Millionen Euro wird die Wiederherstellung der städtischen Infrastruktur nach aktuellen Berechnungen kosten, und Patrick Haas geht davon aus, dass auch diese zu 100 Prozent von Land und Bund übernommen werden.
Das meiste Geld muss in die Wiederherstellung des Rathauses investiert werden – rund 50 Millionen Euro. Noch ist die Entscheidung über Abriss und Neubau oder Sanierung nicht gefallen. Patrick Haas sieht allerdings einen klaren Trend in der Politik und legt sich persönlich bereits fest: „Rein wirtschaftlich und hochwasserschutztechnisch wäre eine Sanierung unverantwortlich“, findet der Bürgermeister und verweist darauf, dass die Betriebskosten im sanierten Altgebäude „zwei- bis dreimal so hoch“ wären wie in einem Neubau. Auch aus städteplanerischer Sicht sieht Haas keine ernsthafte Alternative zu einem neuen Rathaus. Und nicht zuletzt böte ein Neubau der Verwaltung die Chance, sich als moderner Arbeitgeber zu empfehlen.
Anders als in Eschweiler hat der Stolberger Rat seinen Haushalt für das laufende Jahr schon am 22. März verabschiedet. „Wir sind einen anderen Weg als unsere Nachbarstadt gegangen“, stellt Patrick Haas fest. Im Hintertreffen sieht er Stolberg wegen des noch nicht vorliegenden und genehmigten Wiederaufbauplans aber nicht: „Die meisten Maßnahmen sind in den Haushalt eingearbeitet. Und wenn noch etwas hinzukommt, wird uns das nicht belasten, weil Land und Bund die Kosten übernehmen.“
In einem Punkt aber ist weiterhin keine Übernahme in Sicht: „Wir bekommen zwar Geld für den Wiederaufbau, aber kein Geld für zusätzliches Personal“, sieht Nadine Leonhardt durchaus noch Handlungsbedarf. Und ihr Stolberger Kollege stellt fest: „Die Mitarbeiter beider Städte haben in den vergangenen Monaten Überragendes geleistet. Aber ohne personelle Verstärkung werden wir den Wiederaufbau nicht in einer angemessenen Zeit schaffen können.“
Im Stellenplan der Stadt Stolberg, der mit dem Haushalt verabschiedet worden ist, sind deshalb gut 20 zusätzliche Stellen vorgesehen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe stehen. Der Rat der Stadt Eschweiler wird sich diesbezüglich am 18. Mai festlegen. Dann soll auch er den Haushalt für das Jahr 2022 verabschieden.