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Geschichte der Glocken: Herz-Jesu-Glocke läutet seit 200 Jahren

Geschichte der Glocken : Herz-Jesu-Glocke läutet seit 200 Jahren

Die größte Glocke in Kirchturm von St. Peter und Paul wurde 1820 gegossen. Sie überstand zwei Weltkriege und steht jetzt unter Denkmalschutz.

An einem Tag im September 1820 schritt der Feldhüter und Gemeindediener von Eschweiler, Klaatsche Petter genannt, durch die Straßen des Ortes, schwang seine Bimmel und rief: „Morgen werden die Klocken kapott geschlagen, die Leut sollen sich nicht verschrecken, als of et brennt!“ Mit dieser wörtlich überlieferten Ankündigung beginnt die Geschichte der Herz-Jesu-Glocke. Am 27. September wurde sie vor den Augen der Einwohnerschaft gegossen, am 27. Oktober wurde sie geweiht, Anfang November 1820 ertönte sie zum ersten Mal. Diese Glocke überstand beide Weltkriege und läutet immer noch, 200 Jahre später, im Turm der Kirche St. Peter und Paul. Es ist die größte der Glocken in der Pfarrkirche am Markt. Sie ist heute unter Denkmalschutz.

Am Morgen nach dem Rundgang des Gemeindedieners wurde es dann richtig laut. Die Gebrüder von Reth, Schmiede von Beruf, zerschlugen im Kirchturm mit ihrem Schmiedehämmern zwei defekte alten Glocken und warfen die Stücke aus dem Schallloch. Ein 60 Pfund schweres Bruchstück bohrte sich auf dem Kirchhof so tief in die Erde, dass die Aufsammler es übersahen, berichtete Jahrzehnte später der Arzt und stellvertretende Bürgermeister Dr. Ernst Joseph Lexis. Er hatte als Zwölfjähriger den Glockenguss miterlebt.

Schnell kaputt

Zuvor hatten die Eschweiler mit ihren Kirchenglocken wenig Glück. Sie gingen schnell kaputt. Das lag an einem alten Eschweiler Brauch. Wenn ein Bürger starb, gingen sechs seiner Nachbarn zur Kirche und läuteten die Glocken. Ein zweites Mal taten sie das am Vorabend des Begräbnisses, ein drittes Mal am Beerdigungstag. Das hält auf die Dauer keine Glocke aus, wenn sich sechs Männer, die keine Ahnung vom Läuten haben, an die Seile hängen. Eine Marienglocke von 1763 war schon nach 20 Jahren geborsten, ihre Nachfolgerin war im Jahr 1820 bereits seit Jahren unbrauchbar. Ebenso eine der beiden Glocken, die St. Peter und Paul sich 1803 in Kornelimünster organisiert hatte, für wenig Geld, denn das Kloster dort war von den Franzosen säkularisiert worden.

Das Geld für den Glockenguss von 1820, rund 600 Reichstaler, hatten die Eschweiler Bürger bei einer Haussammlung aufgebracht. „Durch die freiwilligen Gaben der Pfarreingesessenen, Katholiken und Protestanten, bin ich gegossen worden“ steht (in Französisch) auf der Glock.

Die alte Schule an der Hehlrather Straße. An dieser Stelle wurde 1820 die Herz-Jesu-Glocke gegossen. Damals war das noch eine Wiese. Die Schule entstand erst 40 Jahre später.
Die alte Schule an der Hehlrather Straße. An dieser Stelle wurde 1820 die Herz-Jesu-Glocke gegossen. Damals war das noch eine Wiese. Die Schule entstand erst 40 Jahre später. Foto: Friedhelm Ebbecke-Bückendorf

Die Herz-Jesu-Glocke wurde nicht wie ihre Vorgängerinnen auf dem Markplatz gegossen, sondern außerhalb des Ortes, am Weg nach Hehlrath. Dort, wo heute die 1861 gebaute alte Schule Hehlrather Straße steht, war damals eine Wiese mit einem Ziegelplatz. Die beiden wallonischen Glockengießer Habert und Gaulard hoben eine Grube von vier mal vier Metern aus, mehr als zwei Meter tief, ausreichend groß für drei Glocken – außer der Eschweiler Glocke fertigten sie auch zwei kleinere für die Kirche in Büsbach.

Heller Klang

Als dann am 27. September die beiden Glockengießer den selbst gebauten Schmelzofen anfeuerten, schaute eine große Menschenmenge zu. Die Grube, in der die hohlen Formen für die Glocken standen, war nun wieder mit Erde aufgefüllt. Nach einem Zeitungsbericht von 1911 war neben dem Ofen, in dem das Metall brodelte und zischte, ein Gerüst gezimmert worden. „Die Eschweiler Einwohner, veranlasst durch ihren Frommsinn, gingen reihenweise über das Gerüst und warfen Silber- und Kupfermünzen in die glühende Masse, damit die neue Glocke einen schönen und hellen Klang erhalten solle“. Sie wurde aber eher dunkler im Klang, denn statt der geplanten 3300 Pfund passten schließlich 3400 Pfund Metall in die unterirdische Form. Das damalige Pfund entspricht 468 Gramm – die Herz-Jesu-Glocke wiegt also 1,6 Tonnen. Der Glockenton wird heute im Realienbuch des Bistums Aachen mit Des angegeben, geplant war ein D.

Mit scharfen Meißeln entfernten Tage später Schuljungen die Gussnähte von der erkalteten Glocke. Dann wurde sie auf einen Schlitten gehievt und „unter dem Beistand des Kirchen- und Gemeinderates im Triumphe nach Eschweiler hineingefahren“. So steht es im „Sonntagsblatt zur Belehrung und Unterhaltung zum Besten des Hospitals“, gleich in der allerersten Ausgabe vom 3. Januar 1864. Aus diesem Sonntagsblatt ist später die Eschweiler Zeitung „Bote an der Inde“ entstanden, sie nennt 1864 als ihr Gründungsjahr.

An der jetzigen Kreuzung Kochsgasse/Jülicher Straße machten Pferde, Schlitten und Glocke Halt, denn „die Jungfrauen von Eschweiler hatten Kränze gewunden, mit denen der neue Ankömmling geschmückt wurde“. Auf dem weiteren Weg zum Markt soll sich der Schlitten auf dem Kopfsteinpflaster derart erhitzt haben, dass das Holz drohte, Feuer zu fangen. Der Schmied Friedrich von Reth kühlte mit eimerweise Wasser. Die Fahrt endete unter der Orgelempore in der Kirche St. Peter und Paul. Zwei Frauen aus der Pfarre scheuerten die neue Glocke mit Sand und Wasser blank, auch ihre Namen sind überliefert: „Appels Anna Cathreng“ und „Frau Offergeld“.

Am 27. Oktober, einen Monat nach dem Guss, wurde die Herz-Jesu-Glocke geweiht. Der Zimmermeister May aus Weisweiler und seine Gesellen brauchten dann noch eine Woche, die Glocke im Turm hoch zu winden und dort in den neu gezimmerten Glockenstuhl zu hängen. An welchem Tag sie das erste Mal zu hören war, ist nicht überliefert. Es wird Anfang November 1820 gewesen sein.

Das „Sonntagsblatt“ war der Vorläufer der Zeitung Bote an der Inde. In seiner ersten Ausgabe vom 3. Januar 1864 berichtete dieses Blatt über die Geschichte der Eschweiler Glocken.
Das „Sonntagsblatt“ war der Vorläufer der Zeitung Bote an der Inde. In seiner ersten Ausgabe vom 3. Januar 1864 berichtete dieses Blatt über die Geschichte der Eschweiler Glocken. Foto: Friedhelm Ebbecke-Bückendorf

Im Ersten Weltkrieg sollten alle Glocken eingeschmolzen werden, das Deutsche Reich brauchte Kanonen. Am 21. Juni 1917 musste die Pfarre St. Peter und Paul deshalb alle Glocken bis auf eine abgeben. Die Pfarre entschied sich, ihre älteste Glocke zu behalten, die von 1820. Im Zweiten Weltkrieg wurden wieder drei Glocken beschlagnahmt und abtransportiert, diesmal auch die Herz-Jesu-Glocke. Doch sie wurde nicht eingeschmolzen. Die Eschweiler Glocken lagerten auf einem Firmengelände in Stolberg. Am 14. September 1945 wurde die Herz-Jesu-Glocke wieder nach Eschweiler geholt. Heute hängt sie im Turm der Peter-und-Paul-Kirche zusammen mit der etwas kleineren Michaelsglocke von 1957 und einer dritten Glocke aus dem Jahr 1923.