Besonderer „Geburtstag“ : 800 Jahre und kein bisschen greise
Eschweiler-Hehlrath Gelassen, ernst und doch lustig und auf jeden Fall stolz – wenn man 800 Jahre auf dem Buckel hat, sind das nachvollziehbare Attribute. Hehlrath feiert einen ganz besonderen „Geburtstag“ und das ganze Dorf ist mit vielen Gästen auf den Beinen.
Hehlrath vollendet sein 8. Jahrhundert dank einer mittelalterlichen Ritterschaft und feiert dies mit einem außergewöhnlichen Wochenende.
Den Blick zurück warf das Dorf bereits mit einer Ausstellung im März, die Geschichtliches visuell abbildete. Nun folgte der zweite und noch größere Streich mit dem Festwochenende, das bereits am Samstagabend wohl das halbe Dorf zum Ort der Feierlichkeiten lockte.
Gewählt wurde dazu der Platz vor der Kirche St. Cäcilia, wenn man ihn denn als Platz bezeichnen kann, denn im Grunde passiert lediglich eine recht schmale zweispurige Straße den heiligen Bau. Platz war dennoch genug, um eine Bühne aufzubauen, vor der sich auch noch zahlreiche Menschen versammeln konnten und die taten dies auch.
Lieder und Anekdoten
Doch zuvor beging man am Samstagnachmittag den ersten Teil der Feierlichkeiten mit einer gemütlichen Kaffeetafel im Pfarrheim, um anschließend die sogenannten „Hehlrath-Lieder“ einzustudieren. Heinz-Theo Frings und die Band Puddelrüh, die auch beim Abendprogramm noch einmal ihre musikalischen Qualitäten unter Beweis stellten, waren die unterstützenden Akteure, um dem möglicherweise schwachen Gedächtnis bei den Liedern auf die Sprünge zu helfen.
Bevor dann die feierliche Zeremonie begann, lieferte die Dudelsackgruppe „Hochland Heistern“ ein musikalisches Intermezzo.
Wer unterdessen dem Trubel an der Bühne entkommen wollte, der konnte unweit auf dem Rasen des Sportplatzes beim mittelalterlichen Zeltlager mit einer Rittergruppe aus Duisburg wahrlich in die Historie eintauchen.
Großes hatte das Dorf unter der Federführung von Heinz-Theo Frings geplant. Während Frings auf der Bühne unterhielt, freute sich sein Mitstreiter Nikolaus Müller abseits: „Stressig waren die letzten Tage schon. Aber die Hehlrather Ortsvereine haben hervorragend zusammengearbeitet, um dieses Ereignis auf die Beine zu stellen.“
So konnte Frings als Sprachrohr gelten, das den 800. Geburtstag gebührend mit Anekdoten und Lobeshymnen zelebrierte. Zunächst bat er Bürgermeister Rudi Bertram auf die Bühne, keinesfalls wurden nur Grußworte ausgesprochen. Bertram nutzte die Chance, auf den Zusammenhalt und das Menschliche hinzuweisen, in diesen Zeiten notwendig und vorbildlich vorgelebt von Hehlrath. Als eines der ersten vom Tagebau betroffenen Dörfer war und ist es Bertrams Anliegen, die Menschen mitzunehmen, gar in den Mittelpunkt bei politischen Entscheidungen zu stellen. Neben den weiteren Begrüßungen an die Anwesenden von Seiten der Politik, der Pfarre und der Sponsoren, stand das Dorf zweifelsohne im Mittelpunkt.
Die Hehlrath-Lieder kamen zum Einsatz. „Mio wedde vottjebaggert“ oder „Hähle mie Hähle“ waren nur ein Teil dessen, was Heinz-Theo Frings mit seinem umfangreichen Stimmvolumen gekonnt anstimmte und die Schar sang freudig mit.Besonderes Jubiläum, besondere Ehrungen: Wichtig für das Dorf sind wohl viele Personen, aber sechs Menschen wurde die Ehre zuteil, außergewöhnliches im Namen von Hehlrath geleistet zu haben. Sie alle waren anwesend und zu jedem hatte Frings aus dem Stehgreif die passende und beeindruckende Geschichte parat. Drei Damen machten den Anfang:
Mathilde Heinen: Die First Lady von Hehlrath, so bezeichnete Frings die Mittneunzigerin. Lied- und Textschreiberin, musikalisch begabt und für einige Zeit mit einem Quartett unterwegs war sie wohl noch länger die Damenpräsidentin der hiesigen Karnevalsgesellschaft und ist aufgrund ihres Engagements untrennbar mit Hehlrath verbunden.
Agnes Siegers: Als Küsterin fing sie mit ihrem Einsatz Einiges auf, was durch die Krankheit des Pastors liegen blieb. Mit den Schützen treu verbunden, aktiv in einer Tanzgruppe und von einem der älteren Höfe Hehlraths stammend, prägte auch sie das Bild, vor allem in der kirchlichen Frauengemeinschaft.
Roswitha Karduck: Und ebenso die Dritte im Bunde ist vor allem für ihr Engagement bei der Frauengemeinschaft bekannt. Aus dem Publikum bezeichnete sie eine Frau als „Mädchen für Alles“, wohl positiv gemeint, was wäre das Dorf und die Pfarre ohne sie?
Bei den Herren der Schöpfung wurde dann deutlich, dass Ehrungen zwar zeremoniell sind, aber durchaus nicht so bierernst genommen werden müssen.
Heinrich Krüttgen: Er ist musikalischer Allrounder, entschied sich aber gegen die Karriere als Posaunist bei einer berühmten Big Band und wählte einen bürgerlichen Beruf. Der Musik in Hehlrath litt nicht darunter, denn ob Vocal, mit Akkordeon, am Klavier oder Orgel – Krüttgen hat sie alle drauf. Er wurde für sein Engagement im Dorf mit einer Urkunde der sogenannten „Kurt Conzen-Musikakademie“ ausgezeichnet, die einst eher aus Spaß in Hehlrath durch ihren Namensgeber gegründet wurde. Letzterer brachte in seiner Familie aber tatsächlich einige Berufsmusiker hervor.
Hans-Günter Esser: Der 82-Jährige ist quasi Hehlrath. Über 60 Jahre ist er aktiv und das in so gut wie allen Ortsvereinen. Musikalität, Sportlichkeit und der karnevalistische Brauchtum führten dazu, dass er für jeden Spaß zu haben ist. Königlich war seine Ehrung, denn er bekam als Erster das Erste Goldene Hehlrather Rittervlies verliehen und soll es fortan 800 Jahre tragen, um es an den Nächsten zu vererben.
Peter Heilrath: Über ihn streiten sich die Geister, auch sein eigener. Er ist vermutlich und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der jüngste Nachfahre der Ritterschaft, die Hehlrath gründete und er war anwesend, obgleich er eine Reise durch die halbe Bundesrepublik auf sich nahm, um beim Jubiläum dabei zu sein. Er selber nahm das Wappen der adligen süddeutschen Familie von Heilrath dankbar entgegen: „Ich bin etwas beschämt“, gestand er und ergänzte: „Den Hut ziehe ich vor den fünf Geehrten, denn sie haben im Gegensatz zu mir wirklich etwas für Hehlrath getan durch ihren jahrzehntelanges Engagement.“
Ein Tag ist nicht genug
Nachdem der zeremonielle Teil der Ehrungen abgeschlossen war, galt es, zu feiern. Das DFB-Pokalfinale im Pfarrheim wurde übertragen, aber weitaus reger wurde das Angebot bei milder Witterung im Freien angenommen. Die Mundartband Puddelrüh musizierte und rockte bis in die späte4 Nacht, ehe DJ Fabian übernahm. Der (Fest-)Sonntag wartete aber bereits. (mah)