Schüler in polnischer Partnerstadt : Begegnungen, die das ganze Leben prägen
Eschweiler Bereits zum achten Mal besuchte jetzt eine 16 bis 18 Jahre junge, zwölfköpfige Schülergruppe der Städtischen Gesamtschule Waldschule Eschweiler die polnische Partnerschule Zspól Szkól Ogólnokszalcacych N° 2 im schlesischen Ruda Śląska.
Ermöglicht wurde der einwöchige Schüleraustausch, wie auch bereits in den vorangegegangen Jahren, durch die finanzielle Unterstützung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks (DPJW).
Nach anderthalbstündigem Flug von Köln-Bonn nach Kattowice wurden die Schüler warmherzig in ihren Gastfamilien aufgenommen. Eine faszinierende Erfahrung für diejenigen, die zum ersten Mal das östliche Nachbarland besuchten, ebenso wie für diejenigen, die bereits wiederholt am Austausch teilnahmen.
„Ich fühlte mich anfangs noch sehr unsicher. Man besucht schließlich eine fremde Familie, die man vorher noch nie gesehen hat. Meine Sorgen erwiesen sich doch sehr schnell nach der Ankunft als unbegründet. Mit der offenen und gastfreundlichen Art war es leicht sich wie ein Mitglied der Familie zu fühlen“, sagt Jason Timm.
Zweites Zuhause
„Der Aufenthalt in der polnischen Gastfamilie ist für mich wie in einem zweiten Zuhause. Seit fünf Jahren nehme ich am Austausch teil und meine Partnerin und ich sind beste Freundinnen geworden. Unsere Gespräche führen wir zwar meist auf Englisch, doch das hat uns nie daran gehindert uns alles, was uns persönlich bewegt, mitteilen zu können. Eine Fern-Freundschaft verbindet uns, die ich weder aufgeben noch vergessen kann“, freut sich Jana Wiemers Und Sina Gehlen bestätigt: „Wir alle wurden herzlich in unseren Gastfamilien aufgenommen und sofort in die Familie integriert.“
Auch erste Ängste vor möglichen Sprachbarrieren konnten ebenso schnell relativiert werden:
„Die Kommunikation in der polnischen Gastfamilie war zum Großteil unproblematisch. Wenn es nicht mit Englisch ging, nahm man eben Hände und Füße“, berichtet Marcella Schönen. Das herrliche Spätsommerwetter tat in den kommenden Tagen sein Übriges, die deutsch-polnische Schülergruppe zusammenzuschweißen.
Am Freitag wurden die deutschen Gäste vom Schulleiter Pan Aleksander und der stellvertretenden Schulleiterin Mariola Ulejczyk herzlich begrüßt und vor dem Schulgebäude mit folkloristischem Tanz polnischer Schülerinnen und der traditionellen Überreichung von Brot und Salz in der Schule Willkommen geheißen. Auf Kennenlernspiele, bei denen den Gästen Schultüten mit regionalen Spezialitäten und Informationsmaterial überreicht wurden, folgte ein gemeinsames Frühstück in der Schulkantine.
Anschließend wurde die Schülergruppe auf das Projektthema „Der NS-Opfer gedenken“ mit einer musisch-szenischen Darbietung der emotionalen Situation der Frauen im KZ-Ravensbrück eingestimmt. „Der Ausdruckstanz hat mich zutiefst beeindruckt. Insbesondere der Tanz der inhaftierten Frauen mit den weißen Hemden, die die Sehnsucht nach ihren Ehemännern symbolisieren sollten“, so Julia Janowski. „Nach der Führung durch die Schule sind alle am Austausch beteiligten Schüler nach Kattowitz gefahren, haben Geld am Kontor, einer polnischen Wechselstube, gewechselt, gemeinsam gegessen, die Mall besucht und Lasertag gespielt. Am Ende des Tages lag ich geschafft und zufrieden im Bett.“, berichtet Martin Ebner.
Am Samstag ging es für die Schülergruppe Richtung Krakau. Bei der Besichtigung des Schindlermuseums konnten die Schüler die Geschichte der Stadt Krakaus während des Zweiten Weltkrieges sowie das Leben und Handeln Oskar Schindlers erfahren. Die museumsdidaktisch exzellent gestaltete Ausstellung leitete die Schülergruppe durch verschiedene Erfahrungsräume, die z.B. die Enge des Lebens im Ghetto simulierten. Anschließend folgte ein Besuch des ehemaligen Krakauer Ghettos. „Schockierend war für mich die Darstellung des Lebens im Ghetto genauso wie der Mut des Besitzers der Adlerapotheke und die Raffinesse Oskar Schindlers“, so Martin Ebner.
Der zweite Teil des Tages widmete sich der Erkundung der vielleicht schönsten Innenstadt Polens. Die Schüler erkundeten in Gruppen den Marktplatz (Rynek) mit den Tuchhallen (Sukienice), dem Denkmal des Nationaldichters Adam Mickiewicz und der Marienkirche. Auf dem Wawel und dessem imposanten gotischen Dom mit seinen romanischen und klassizistischen Anbauten hatten die Schüler die Möglichkeit, die kulturelle Entwicklung Polens vom Mittelalter bis heute nachzuvollziehen.
Am Montag und Dienstag setzten sich die Schüler während der Begehung der Gedenkstätten Auschwitz (Oswiecim), Birkenau (Brzezinka) und Monowitz intensiv mit dem Schicksal der Opfer des Nationalsozialismus auseinander. Zudem wurde durch den Besuch der jüdischen Synagoge und des jüdischen Friedhofs die Verknüpfung der Geschichte der Stadt Auschwitz mit dem Schicksal der Juden, vor, während und nach dem Krieg erfahrbar gemacht.
„Der Besuch von Auschwitz und Birkenau war ein Kampf der Emotionen. Das Gefühl der Leere verbunden mit den Gefühlen der Unfassbarkeit und die Erdrückung, ausgelöst durch Gebrauchsgegenstände der Opfer und der erhaltenen Gebäude“, konstatiert Jana Wiemers. „Auschwitz war eine überwältigende Erfahrung. Die Ausstellungsstücke haben diesen dunklen Teil der Geschichte mehr als real für uns gemacht“, sagt Nina Vogel. „Ich fand es spannend, wie uns in der Synagoge in Oswiecim die zentralen Aspekte der jüdischen Religion sehr gegenständlich nahe gebracht wurden“, berichtet Julia Janowski, und Nina Vogel ergänzt: „Der jüdische Friedhof war hochinteressant für uns, da wir über das Entschlüsseln der Grabsymbolik, Rückschlüsse auf die Verstorbenen ziehen konnten.“;
„Der Besuch von Auschwitz führte zu einem intensiven Meinungsaustausch zwischen mir und meinem Austauschschüler, aber auch innerhalb der ganzen Gruppe. Das Internat, in dem wir gemeinsam von Montag auf Dienstag übernachteten, gab uns hierzu die passende Gelegenheit. Es gab uns zudem die Chance, uns innerhalb der Gruppe besser kennenzulernen“, sagt Jason Timm.
Nachdem in der Schule am Mittwoch die Ausflüge auf Plakaten fotografisch dokumentiert und ausgestellt worden waren, verabschiedete die Schuleitung offiziell die deutschen Gäste mit der Überreichung der Teilnahme-Urkunden des DPJW. Auch das Regionalfernsehen war zugegen und interviewte u.a. Felix Kirschvink, den Schulsprecher der Waldschule, der bereits zum vierten Mal am Austausch teilnahm. Hiernach organisierten die Schüler eine abendliche Abschiedsfeier, die mit Snacks und Musik und viel Tanz ausklang. Martin Ebner: „Die Party war ein Fest der Freude.“;
Am Donnerstag flossen beim Abschied dann auch reichlich Tränen. „Polen ist ein wundervolles Land mit super netten Menschen. Ich bin für diese Austauscherfahrung sehr dankbar“, sagt Marcella Schönen. „Ich habe mich wie ein Teil der Familie gefühlt und es keine Sekunde bereut, am Austausch teilgenommen zu haben“, konstatiert Viktoria Szefer. „In dieser Woche wächst man mit der Gastfamilie und insbesondere mit dem Austauschschüler zusammen“, bilanziert Jason Timm.
„Um ehrlich zu sein, hatte ich im Vorfeld eine riesige Angst davor, was meine Partnerin von mir denken würde und wie die ganze Woche verlaufen würde. Aber als ich mich letztlich von ihr verabschiedete und uns beiden die Tränen in den Augen standen, wusste ich, dass dieser Austausch mich gestärkt und mein Leben in eine positive Richtung gelenkt hat“, fasst Julia Janowski ihre Erfahrungen zusammen.
„Der Austausch ermöglichte mir nicht nur eine andere Kultur kennenzulernen und neue Freunde zu gewinnen, sondern darüber hinaus tiefgreifende Erfahrungen für mein ganzes Leben zu machen“, weiß Sina Gehlen.
Durchgeführt wurde das Programm in diesem Jahr auf polnischer Seite von Irena Bugoslawka mit Unterstützung von Krzysztof und Angelika Waloszczyk sowie Malgorzata Stygienko, auf deutscher Seite von Christel Schäber und Tobias Marquardt.