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600 Jahre bewegte Geschichte: Die Bonifatiusglocke in Eschweiler läutet seit dem Jahr 1421

600 Jahre bewegte Geschichte : Die Bonifatiusglocke in Eschweiler läutet seit dem Jahr 1421

Eine der ältesten Glocken im Rheinland überstand wie durch ein Wunder die Zerstörung der Dürwisser Kirche im Zweiten Weltkrieg. Inzwischen ist das historische Stück 600 Jahre alt – und hat viel erlebt.

Von dem Glockengießer Gottfried von Hyntum wissen wir nicht viel. Aber eines ist sicher: Er muss ein Meister seines Fachs gewesen sein. Denn die Glocke, die er vor 600 Jahren goss, läutet heute noch. Es ist die Bonifatiusglocke in der katholischen Kirche St. Bonifatius Dürwiß. Eine lateinische Inschrift am oberen Rand dokumentiert ihr Alter. Ins Deutsche übersetzt steht dort: „Bonifatius werde ich genannt, im Jahr des Herrn 1421 am 4. November hat Gottfried von Hyntum mich gemacht“.

Mit 600 Jahren gehört die Bonifatiusglocke in Eschweiler zu den ältesten Glocken im Rheinland. Nur eine Glocke in St. Pankratius Odenthal und die Glocke „Sifride“ in St. Clemens Wipperfeld sollen älter sein. Und sie ist besser erhalten als manche viel jüngere Kirchenglocke. Dabei ist man mit ihr nicht immer pfleglich umgegangen.

Den anderen Glocken, die einst im Turm der Dürwisser Kirche hingen, ging es allerdings schlimmer. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg 1940 beschlagnahmt, nach Hamburg transportiert und dort in einer Munitionsfabrik eingeschmolzen. Die Bonifatiusglocke blieb verschont, sie stand unter Denkmalschutz. Dann aber kam im November 1944 die Bombardierung von Dürwiß. Der Ort war ein einziges Trümmerfeld, Bombenkrater an Bombenkrater. Auch die Pfarrkirche wurde völlig zerstört, samt einer wertvollen Barockorgel aus dem 17. Jahrhundert. Die Glocke aber blieb heil. Dann verschwand sie.

 Nach dem Zweiten Weltkrieg feierten die Dürwisser Katholiken ihre Gottesdienste in einer Baracke, die als Notkirche diente. Die Bonifatiusglocke hing in einem provisorischen Glockenstuhl neben der Baracke. Dieses Bild entstand wahrscheinlich im Jahr 1946.
Nach dem Zweiten Weltkrieg feierten die Dürwisser Katholiken ihre Gottesdienste in einer Baracke, die als Notkirche diente. Die Bonifatiusglocke hing in einem provisorischen Glockenstuhl neben der Baracke. Dieses Bild entstand wahrscheinlich im Jahr 1946. Foto: Archiv Hans Nelles

Amerikanische Truppen hatten Dürwiß erobert. Sie sprengten die Mauerreste der Kirche und transportierten die Trümmer ab, um damit verschlammte Wege zu befestigen. Die Glocke nahmen sie mit. „Wie durch ein Wunder“, so schreibt der Dürwisser Heimatgeschichtler Hans Nelles, wurde die unversehrte Glocke später in Aldenhoven wiedergefunden: „Im März 1946 kehrte sie dann in den Heimatort zurück und fand neben der Notkirche eine vorläufige Bleibe“. Die Notkirche von Dürwiß war eine in Stolberg gekaufte Baracke, die Glocke hing in einem provisorischen Glockenstuhl neben dieser Baracke im Freien.

1951 war die jetzige neue Kirche St. Bonifatius fertiggestellt. Helfer der Gemeinde zogen die alte Glocke in den neuen Kirchturm hinauf. Der damalige Pfarrer Peter Bringmann, nach dem ein Platz in Dürwiß benannt ist, hat es fotografiert.

 Fast geschafft. Mit diesem Foto dokumentierte Pfarrer Bringmann die Montage der alten Bonifatiusglocke im Turm der nach dem Krieg neu gebauten katholischen Dürwisser Kirche.
Fast geschafft. Mit diesem Foto dokumentierte Pfarrer Bringmann die Montage der alten Bonifatiusglocke im Turm der nach dem Krieg neu gebauten katholischen Dürwisser Kirche. Foto: Pfarrgemeinde St.Bonifatius/Peter Bringmann

Aufwärts durch die Orgel

Seitdem läutet die Bonifatiusglocke wieder aus luftiger Höhe. Hören kann sie jeder. Wenn man sie sehen möchte, sollte man aber schwindelfrei sein. Und keine Angst vor Spinnweben haben. Der Weg hinauf in die Glockenstube führt mitten durch die Orgel, vorbei an hunderten Orgelpfeifen, dann durch zwei Falltüren und hoch über eine steile Leiter. Oben fällt hell das Licht durch die Schallblenden auf den Glockenstuhl. Drei Glocken hängen dort, die 600-jährige Bonifatiusglocke in der Mitte ist die größte. Sie wiegt 1430 Kilogramm.

Läutet seit 600 Jahren: Die Bonifatiusglocke im Turm der Dürwisser Pfarrkirche.
Läutet seit 600 Jahren: Die Bonifatiusglocke im Turm der Dürwisser Pfarrkirche. Foto: Ebbecke-Bückendorf

Die Glocke links neben ihr hat auch schon einige Jahrhunderte und eine weite Reise hinter sich. Das sieht man ihr auch an. 1617 gegossen, erklang sie früher in Kleinhelmsdorf. Das ist, wie der Name schon nahelegt, ein kleines Dorf in Schlesien, im ehemaligen Kreis Goldberg. Der gehört heute zu Polen.

Die 700-Kilo-Glocke wurde nach dem Krieg mit vielen anderen, die nicht mehr eingeschmolzen werden konnten, in Hamburg gefunden. Sie wurde der Dürwisser Pfarre leihweise überlassen. Die dritte Glocke ist die kleinste und jüngste. Sie wurde 1955 gegossen, wiegt 430 Kilogramm und heißt Marienglocke. Die drei Bronze-Glocken erklingen in den Tönen e', g' und a'. Zusammen bilden diese drei Töne das Te-Deum-Motiv.