1. Lokales
  2. Eschweiler

Clearing-Wohnungen in Eschweiler sollen Frauen helfen

Clearing-Wohnung : Den Grundstein für ein neues Leben legen

In den kommenden Tagen soll die erste Clearing-Wohnung in Eschweiler bezugsfertig sein. Sie dient als Anlaufstelle für Frauen, die wohnungslos sind oder denen die Wohnungslosigkeit droht.

Die Stühle stehen bereit, die Betten wurden ebenfalls schon geliefert. Der Rest soll in den kommenden Tagen folgen, berichten Doris Ganser und Leonie Frings von der Wabe. Dort, wo die beiden Frauen in diesem Moment stehen, werden voraussichtlich ab Mitte Februar drei Frauen ein neues Zuhause finden. Dort sollen sie sich dann in Ruhe auf ein neues Leben vorbereiten können, eine eigene Wohnung suchen und lernen, ihr Leben selbstständig bestreiten zu können. Das primäre Ziel der sogenannten Clearing-Wohnung ist die Vermeidung und Überbrückung von akuter Wohnungslosigkeit – und die ist sowohl in Eschweiler als auch in Stolberg ein Problem.

Seit 2019 werden im durch den Europäischen Sozialfonds geförderten EHAP-Projekt wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Frauen in Eschweiler und Stolberg beraten. Die Zahlen sprechen für sich. Bis Oktober 2021 nahmen 468 Personen diese Möglichkeit in Anspruch – die meisten Klienten waren weiblich. 171 Personen waren Eltern. Dadurch konnten zusätzlich 363 Kinder erreicht werden. In Eschweiler fanden 87 Beratungen statt. Davon waren 37 Personen akut wohnungslos, während 50 Menschen von Wohnungslosigkeit bedroht waren.

Im Juni 2021 beschäftigten sich die Eschweiler Politik und Verwaltung erstmals mit dem Thema Clearing-Wohnung. SPD und Grüne stellten damals einen entsprechenden Antrag an die Verwaltung, mit der Bitte zu prüfen, ob eine Schutzwohnung für wohnungslose Frauen und deren Kinder bereitgestellt werden kann. Eine Zusage verkündete Sozialamtsleiterin Demet Jawher-Özkesemen in der Sitzung des Sozial- und Seniorenausschusses Anfang Oktober.

Hoher Betreuungsschlüssel

Die Wohnung, deren Adresse anonym bleibt, sollte ursprünglich schon ab November zur Verfügung stehen. Aufgrund des verheerenden Hochwassers, nach dem etliche Wohnungen für Betroffene der Katastrophe zur Verfügung gestellt worden waren, verzögerte sich der Start.

Mitte Februar soll es nun so weit sein. Betreut werden die Frauen von Doris Ganser. „Geplant ist, dass ich einmal in der Woche mit den Frauen eine Art WG-Gespräch führe“, berichtet sie. Dabei könne es um allgemeine Themen, wie beispielsweise die Aufgebenverteilung in der Wohnung, gehen. Als Vorbild für die Arbeit in Eschweiler dient das Pendant in Aachen. Dort betreibt die Wabe ebenfalls eine Clearing-Wohnung. Bei den wöchentlichen Treffen bleibt es allerdings nicht. „Der Betreuungsschlüssel ist sehr hoch“, erklärt Leonie Frings, die als Projektkoordinatorin bei der Wabe tätig ist. Fünf Stunden kann Doris Ganser pro Woche in die Betreuung einer Frau investieren. Macht bei drei Bewohnerinnen insgesamt 15 Stunden.

Die seien allerdings oft auch notwendig, weiß die Beraterin aus Erfahrung. „Die Unterstützung richtet sich in erster Linie auf die Wohnungssuche“, sagt sie. Allerdings werden auch andere Fragen geklärt. „Gibt es beispielsweise einen Leistungsbezug oder ist die Frau verschuldet? Die Sicherung der Existenz spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle“, betont Ganser. Sie spricht mit den Frauen auch darüber, ob weitere Hilfe- und Unterstützungsangebote gebraucht werden. Die Erfahrung habe gezeigt, dass das in vielen Fällen nötig sei.

Kraft sammeln

„Wir setzen auf den Housing-First-Ansatz“, erklärt Leonie Koch. „Der sieht vor, den Frauen erst einmal ein Dach über dem Kopf zur Verfügung zu stellen und dann alle weiteren Dinge zu organisieren.“ Ganser und Frings legen Wert darauf, dass sich die Frauen in der Wohnung wohlfühlen. „Es soll für sie ein Zuhause sein. Sie sollen gerne hierher kommen und gerne hier schlafen. Sie sollen hier Kraft sammeln, denn die werden sie brauchen“, weiß Doris Ganser.

Klar ist jedoch auch: „Die Wohnung ist keine Notschlafstelle, aber auch keine langfristige Bleibe. Hier soll ein Grundstein für die Zukunft der Frauen gelegt werden“, sagt Frings. In der Regel wohnen die Frauen dort bis zu drei Monate. In zwei der drei Zimmer können auch Frauen mit Kindern bis sechs Jahren eine Bleibe finden. Frauen mit Suchterkrankungen oder psychischen Krankheiten können dort nicht aufgenommen werden.

Leonie Frings betont zudem: „Es wird zwar oft der Begriff Schutzwohnung verwendet, aber bei der Clearing-Wohnung gibt es keinen Security-Dienst und keine Bewachung rund um die Uhr.“ Auch mit einem Frauenhaus sei diese Einrichtung nicht vergleichbar. Der Kontakt zu den Frauen soll auch nach ihrem Auszug bestehen bleiben. „Sie werden auf jeden Fall noch ein bis zwei Mal in ihrer neuen Wohnung besucht. Uns ist es wichtig, dass unser Konzept ganzheitlich ist und die Frauen so langfristig stabilisiert werden“, macht Frings deutlich.

Ein Problem, das ihr und ihrer Kollegin Doris Ganser immer wieder begegnet: „Viele Frauen nutzen die vorhandenen Systeme nicht, weil bei ihnen oft die Hemmschwelle höher ist als bei Männern. Oft nimmt man gar nicht wahr, dass eine Frau wohnungslos ist, weil sie so penibel darauf achtet, dass das nicht auffällt“, sagt Ganser und fügt hinzu: „Doch genau dieses Verdeckte ist das Problem.“

Wann die ersten Frauen einziehen werden, steht noch nicht fest. Ganser und Frings sind sich aber sicher, dass die Plätze schnell belegt sein werden. „Wir sind sehr glücklich, dass wir in Eschweiler loslegen können. Nun hoffen wir, dass wir dieses Problem auch in Stolberg bald angehen können“, wirft Leonie Koch einen Blick in die Zukunft.