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Gefährliche Erkrankung : Beim Schlaganfall gilt: Zeit ist Hirn

Gefährliche Erkrankung : Beim Schlaganfall gilt: Zeit ist Hirn

Die Zahl der Schlaganfallpatienten in den Krankenhäusern ist im Frühjahr deutlich zurückgegangen. Das ist kein positives Zeichen. Der 29. Oktober ist Tag des Schlaganfalls. Genau der richtige Zeitpunkt, um sich diese Krankheit genauer anzusehen.

Plötzlich ist die rechte Körperhälfte gelähmt. Die richtige Reaktion: den Notarzt anrufen. Sofort. Denn eine halbseitige Lähmung kann ein deutliches Anzeichen für einen der gefährlichsten Notfälle sein: den Schlaganfall. Doch was für eine Erkrankung ist das eigentlich? Wer gehört zur Risikogruppe? Was kann man tun, um ihn zu verhindern? Und erhöht Corona das Schlaganfallrisiko?

Die Krankheit

Die häufigste Form des Schlaganfalls ist der sogenannte ischämische Schlaganfall. Die Ursache ist meistens ein Gefäßverschluss im Gehirn. Dieser Verschluss entsteht in der Regel durch ein Blutgerinnsel, welches aus einem anderen Gefäßebiet des Körpers in der Regel aus dem Herzen bei Vorhofflimmern stammt. Das kann man mit einer Lungenembolie vergleichen, hier stammt das Blutgerinnsel aus den tiefen Beinvenenthrombosen. Alternativ können sich die Gefäße lokal auch durch Fett- und Kalkablagerungen, die zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Arteriosklerose führen, verschließen. „Über 80 Prozent aller Schlaganfälle werden durch Gefäßverschlüsse ausgelöst“, sagt Professor Uwe Janssens, Chefarzt für Innere und Intensivmedizin am Eschweiler St.-Antonius-Hospital.

Eine andere Ursache sind Hirnblutungen. Die Schlaganfälle werden hierbei durch platzende Gefäße im Gehirn ausgelöst. Das austretende Blut kann das Gewebe im betroffenen Hirnbereich schädigen.

Die Symptome

„Eine halbseitige Lähmung ist ein eindeutiges Anzeichen für einen Schlaganfall“, sagt Dr.Dr. Christoph Dietrich, Chefarzt der Inneren Medizin am Bethlehem-Gesundheitszentrum in Stolberg. Doch es gibt noch andere Symptome, manche davon für den Laien leichter, andere schwerer zu erkennen: eine verwaschene Sprache, ein herabhängender Mundwinkel oder eine andere Lähmung im Gesicht können auf einen Schlaganfall hinweisen. In den meisten Fällen sind die Erscheinungen lokal, sprich: Sie lassen sich klar auf eine Körperstelle bzw. eine Körperhälfte eingrenzen. Auch bei nur recht kurz auftretenden Symptomen, die sich von selbst wieder zurückbilden, ist der Gang zum Arzt dringend angeraten. Es kann sich um eine sogenannte transitorisch-ischämische Attacke handeln, die Vorstufe zum Schlaganfall. Patienten sollten, nachdem die Symptome weg seien, nicht denken, dass alles gut sei, mahnt Dietrich.

 Dr. Dr. Christoph Dietrich, Chefarzt der Inneren Medizin am Bethlehem-Gesundheitszentrum in Stolberg.
Dr. Dr. Christoph Dietrich, Chefarzt der Inneren Medizin am Bethlehem-Gesundheitszentrum in Stolberg. Foto: SAH

Problematisch in Corona-Zeiten: „Auch Riech- und Geschmacksstörungen können ein frühes und manchmal das einzige Symptom eines Schlaganfalls sein, so dass eine Covid-Erkrankung einen Schlaganfall maskieren kann“, sagt Prof. Guido Michels, Chefarzt der Klinik für Akut- und Notfallmedizin des St.-Antonius-Hospitals Eschweiler.

Die Therapie

Beim Schlaganfall gilt „Time is brain“ (Zeit ist Gehirn). Maximal viereinhalb Stunden haben die Ärzte nach dem Schlaganfall Zeit zur Therapie, damit der Patient möglichst wenige Schäden davonträgt. Es ist Eile geboten. „Am besten ist, man ruft sofort den Notarzt. Der bringt den Patienten dann zu uns in die Notaufnahme. Dort werden Schlaganfallpatienten vorgezogen, und wir beginnen sofort mit der Diagnostik. Dazu wird zunächst ein CT (Schnittbildgebung) gemacht. Einen Schlaganfall mit Durchblutungsstörung sieht man zwar erst nach sechs bis acht Stunden, so können wir aber eine Hirnblutung ausschließen, die eine andere Therapie erfordert. Dann beginnen wir hier vor Ort mit der Therapie, sorgen aber dafür, dass der Patient schnellstmöglich in die nächste Stroke Unit (Schlaganfall-Abteilung im Krankenhaus, Anm. d. Red) verlegt wird. Diese sind in unserem Fall in Würselen oder im Uniklinikum in Aachen“, erklärt Dietrich. Zur Therapie wird der Patient meistens „lysiert“, das heißt, er bekommt Medikamente, die den Thrombus (Gefäßverschluss) im Gehirn auflösen können. Alternativ kann durch die Arterien an der Hand oder der Leiste ein Katheter bis in die Blutbahnen im Gehirn geführt werden, mit dem man das Blutgerinnsel zertrümmert. Das Ziel der Therapie: „Wir wollen verhindern, dass die Patienten langfristige Schäden zurückbehalten“, sagt Prof. Janssens.

Die Heilungschancen

Schlaganfälle stellen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland dar. Momentan gibt es etwa 250 bis 300 Fälle pro 100.000 Einwohnern, jährlich sind damit rund 250.000 Menschen von einem Schlaganfall betroffen. „Nahezu jeder fünfte Erkrankte stirbt innerhalb der ersten vier Wochen, etwa ein Drittel innerhalb eines Jahres“, sagt Prof. Dr. Guido Michels. Etwa die Hälfte der Patienten bleibt nach einem Schlaganfall pflegebedürftig.

Die Risikogruppe

Der Schlaganfall betrifft meistens Menschen in höherem Alter. Neben Vorerkrankungen erhöhen Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, Stress und Alkoholkonsum das Risiko.

 Prof. Dr. Uwe Janssens ist Chefarzt der Inneren und Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.
Prof. Dr. Uwe Janssens ist Chefarzt der Inneren und Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler. Foto: dpa/Annegret Hilse

Die Vorerkrankungen

Zwei der wichtigsten Vorerkrankungen sind das Vorhofflimmern und die Arteriosklerose. Beim Vorhofflimmern handelt es sich um eine Herzrhythmusstörung. Es kommt immer wieder vor, dass ein solches Vorhofflimmern erst erkannt wird, wenn der Schlaganfall bereits eingetreten ist.

Manchmal fällt ein Vorhofflimmern aufgrund neuer Technik auf: Puls- oder Fitnessuhren, die den Herzschlag messen, schlagen Alarm, gerät das Herz aus dem Takt, erzählt Dr. Dr. Christoph Dietrich.

Die Arteriosklerose ist hingegen eine Veränderung der Blutgefäße, bei der die Arterien verkalken. Die Verkalkungen verändern die Eigenschaften der Blutgefäße und verringern den Durchmesser. So können sich bei der Bildung von Blutgerinnseln die Gefäße schneller zusetzen.

Eine weitere Risikogruppe, die vielen unbekannt ist, sind Migräniker. Sie haben, vor allem wenn es sich um eine Migräne mit Aura handelt (eine Aura ist ein Vorbote der Migräne, häufig assoziiert mit einer Sehstörung), ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. „Ist die Migräne-Patientin gleichzeitig Raucherin und nimmt sie ein orales Kontrazeptivum ein (die Antibabypille, Anm. d. Red), verdoppelt sich das Risiko“, sagt Prof. Uwe Janssens.

Die Prävention

Die Vermeidung von Risikofaktoren ist die beste Prävention. Mehr Bewegung, weniger Stress, Verzicht auf Nikotin, wenig bis gar kein Alkohol und eine gesunde Ernährung. Für den Fall, dass bereits ein leichter ischämischer Schlaganfall aufgetreten ist oder andere Risikofaktoren, die sich nicht durch Verhaltensänderungen einschränken lassen, kann die Gabe von ASS (Acetylsalicylsäure, dieser Wirkstoff ist auch in Aspirin enthalten) angezeigt sein. Denn dieses ist auch ein Thrombozytenaggregations-Hemmer, sprich: sie verhindern das Verklumpen von Blutplättchen und können so die Entstehung von Blutgerinnseln verhindern.

Unterschiede zwischen Mann und Frau

Statistiken zeigen, dass Frauen rund fünf Jahre später einen Schlaganfall bekommen als Männer – und auch die Ursachen unterscheiden sich, sagt Prof. Janssens. „Bei Frauen kommen Schlaganfälle als Emoblie meistens aus dem Herzen, bei Männern liegt die Ursache in der Gefäßverkalkung.“ Frauen würden sich allerdings nach einem Schlag schlechter erholen. „Das kann mit dem höheren Alter der Patientinnen zusammenhängen“, erläutert der Mediziner. Außerdem gibt es einen soziodemographischen Faktor: Ältere Frauen leben häufiger alleine als ältere Männer, unter anderem, weil die Partner möglicherweise schon verstorben sind. Kommt es zu einem schweren Schlaganfall gibt es niemanden, der Hilfe herbeirufen kann. „Eine dann zu spät einsetztende Hilfe verschlechert die Prognose erheblich“, erklärt Janssens.

Die jungen Schlaganfall-Patienten

Auch jüngere Menschen können einen Schlaganfall erleiden. Das Risiko ist jedoch bedeutend geringer. Als „juvenile Patienten“ gelten alle unter 40 Jahren, wie Prof. Janssens erklärt. Meist liegen Vorerkrankungen vor, beispielsweise ein „Loch im Herzen“, ein Vorhofseptumdefekt oder ein offenes Foramen ovale. Dabei handelt es sich um eine unverschlossene Stelle zwischen den beiden Herzvorhöfen. Normaler­weise schließen diese sich nach der Geburt, bei etwa 25 Prozent der Menschen bleibt das Loch allerdings offen. Aufgrund dieser Erkrankungen können Thromben und Embolien aus dem venösen Kreislauf in den großen arteriellen Kreislauf gelangen.

Rund 25 Prozent der Schlaganfälle bei juvenilen Patienten sind zudem auf Gefäßdissektionen zurückzuführen, das Einreißen von Gefäßen im Gehirn, beziehungsweise von gehirnversorgenden Gefäßen.

 Prof. Dr. Guido Michels ist Leiter der Klinik für Akut- und Notfallmedizin im St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.
Prof. Dr. Guido Michels ist Leiter der Klinik für Akut- und Notfallmedizin im St.-Antonius-Hospital in Eschweiler. Foto: SAH/Michael Strauch/Michael Strauch

Schlaganfall und Corona

Wie auch beim Herzinfarkt zeigte sich während des Frühjahrs ein Rückgang der Schlaganfallpatienten in den Krankenhäusern. In einigen Ländern waren es rund 80 Prozent weniger Menschen. Die deutsche Krankenkasse AOK stellte für ihre Versicherten einen Rückgang der behandelten Fälle von rund 18 Prozent (von 6190 auf 5046 Personen) fest. Die Anzahl der Patienten mit einer transitorisch-ischämischen Attacke sank sogar um 37 Prozent. (Stand: Juni 2020). „Es macht mir Sorgen, dass die Patienten mit Vorstufen zum Schlaganfall seltener in die Klinik kommen. Das sind unter Corona etwa 40 Prozent weniger nach Krankenkassendaten“, sagt Dietrich. Ein möglicher Grund für das Ausbleiben: Die Patienten fürchten eine Ansteckung mit Covid-19 in Arztpraxen und Krankenhäusern. Das ist aufgrund der „Time-is-brain“-Regel problematisch. Daher raten Experten dazu, bei Symptomen eines Schlaganfalls auch in Corona-Zeiten unverzüglich einen Arzt aufzusuchen. Sonst könnte es vielleicht schon zu spät sein.

Auch die Covid-19-Erkrankung selbst kann Einfluss haben auf das Schlaganfall-Risiko: Mittlerweile ist bekannt, dass das Virus nicht nur die Lungen beziehungsweise die Atemwege befällt: „Ungefähr 30 Prozent aller Patienten, die wegen einer Covid-19-Erkrankung stationär behandelt werden, entwickeln neurologische Beschwerden. Bedeutsam ist dabei die erhöhte Rate an Schlaganfällen“, sagt Guido Michels. Zwar sind die genauen Mechanismen noch unbekannt, allerdings habe sich gezeigt, dass „unter Covid unter anderem Mikroinfarkte – unter anderem durch eine Gerinnungsstörung – auftreten, die zu einem Schlaganfall führen können“, sagt Michels.