Posse in Lammersdorf : Neue Klage gegen den Kreisverkehr
Lammersdorf Den Umbau der zentralen Kreuzung haben die Kläger nicht verhindern können, wohl aber das sehnlichst erwartete Neubaugebiet. Nun ziehen sie erneut vor Gericht.
Das Neubaugebiet Lammersdorf wird vorerst nicht realisiert. Bemühungen, mit dem vor dem Oberverwaltungsgericht erfolgreichen Kläger Klaus Genter eine Einigung in buchstäblich letzter Sekunde zu erreichen, sind gescheitert. Die Frist zur Rücknahme der Klage war Anfang Dezember abgelaufen. Genters Anregungen zum weiteren Verfahren, die der Fleischermeister aus Lammersdorf über den Paragrafen 24 der Gemeindeordnung NRW in den Simmerather Rat eingebracht hat, wurden am Dienstagabend von der Politik lediglich „zur Kenntnis genommen“. Dabei kam es immerhin zu einer kürzeren Aussprache des planungsrechtlichen Debakels. Das geht in diesen Tagen vor dem Verwaltungsgericht Aachen in die nächste Runde: Nun klagen Genter sowie ein weiterer Anlieger direkt gegen den Bau des Kreisverkehrs – mit derzeit noch nicht absehbaren Folgen.
Eine verhängnisvolle Planung
Die Geschichte des Lammersdorfer Kreisverkehrs dürfte dereinst einen ganzen Band der Lammersdorfer Chronik füllen. Weil er den Umbau der T-Kreuzung der beiden Bundesstraßen 399 und 266 wegen möglicher Nachteile für seinen Geschäftsbetrieb verhindern wollte, machte Klaus Genter von der Möglichkeit eines Normenkontrollverfahrens Gebrauch und zog vor Gericht – mit fatalen Folgen für die Entwicklung des Ortes. Unter Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns (CDU) hatte die Verwaltung bekanntlich den Bau des Kreisverkehrs mit der Erschließung des wichtigen Neubaugebiets Hasselfuhr planungsrechtlich verbunden. Um die Entwicklung zu beschleunigen, trennte sein Nachfolger Bernd Goffart den Bau des Kreisverkehrs dann wieder ab. Er wird derzeit auf Grundlage des alten, bestehenden Bebauungsplans errichtet.
Für das Neubaugebiet Hasselfuhr beginnt die Planung nach der Niederlage der Gemeinde vor dem Oberverwaltungsgericht Münster dagegen von vorne: Wie die Richter bemängelten, existiert nicht einmal ein gültiger Flächennutzungsplan, der eigentlich die Grundlage für einen Bebauungsplan ist. Und weil der aktuell gültige Regionalplan an dieser Stelle zumindest teilweise Agrarflächen vorsieht, müsste auch er in einem ersten Schritt noch geändert werden. Wie die Verwaltung ausführt, will man deshalb im Rathaus auf den vor wenigen Tagen auf den Weg gebrachten neuen Regionalplan warten: „Mit einem neuen Raumordnungsplan, der für den gesamten Regierungsbezirk Köln neu aufgestellt werden soll, ist nach den bislang hier vorliegenden Informationen jedoch nicht vor 2023 zu rechnen. Erst wenn dieser vorliegt, kann daraus ein neuer Flächennutzungsplan entwickelt werden.“ Bis daraus am Ende ein rechtssicherer Bebauungsplan entwickelt ist, werden mehrere Jahre ins Land ziehen, hatte Bernd Goffart schon vor Wochen gewarnt.
Streit um Parkplätze
Seine Bemühungen, Klaus Genter zu einer Rücknahme der Klage zu bewegen und damit den Weg für das Neubaugebiet in letzter Sekunde freizumachen, sind jedoch gescheitert. Der Kläger hatte zuletzt mehrere Parkplätze vor dem mittlerweile verpachteten Betrieb in Lammersdorf für sich reklamiert – und dafür auch praktisch eine „Ewigkeitsgarantie“ verlangt. Die Parkplätze habe man Genter zugestanden, eine weitergehende Garantie sei aber schlicht nicht möglich, erklärte Bernd Goffart. In der Verwaltungsvorlage für den Rat stellt die Gemeinde nun fest: „Die Fleischerei Genter hatte vor ihrem Geschäft bislang keine eigenen Parkplätze. Die dort regelmäßig in zweiter, dritter oder gar vierter Reihe und zum Teil sogar auf dem Bürgersteig stehenden Fahrzeuge wurden dort im Ergebnis verkehrswidrig geparkt, obwohl auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein großer Parkplatz mit zahlreichen kostenlosen Parkplätzen zur Verfügung stand und auch weiterhin steht.“
Genter hingegen beruft sich faktisch auf Gewohnheitsrecht. Die bislang bestehende Parkplatzsituation sei vor Jahrzehnten so geschaffen worden. „Ich ziehe den Hut vor dem damaligen Gemeinderat, der die unmittelbar vor dem Geschäft verlaufende Straßenführung in eine sichere T-Kreuzung mit einer Anliegerstraße, Wendehammer und Parkmöglichkeiten umgestaltet hat“, argumentiert Klaus Genter in einer Stellungnahme.
Für den Bürgermeister ist diese Anspruchshaltung „ein Unding“, wie er unserer Zeitung sagt: „Warum sollte die Gemeinde bestraft werden, nur weil wir vor Jahrzehnten an dieser Stelle ein Auge zugedrückt und Parken dort toleriert haben, wo es eigentlich nicht gestattet ist?“, fragt Goffart. „Warum bewegt sich die Gemeinde nicht, wenn an anderer Stelle doch immer beteuert wird, dass man Handel und Gewerbe in den Dörfern fördern müsse?“, fragt wiederum der Sohn des Klägers, Mario Genter, der darauf hinweist, dass es die Probleme bei einer nur geringfügigen Verschiebung des Kreisverkehrs in Richtung Dorfplatz gar nicht gegeben hätte.
„Einzelinteressen über Gemeinwohl“
Die Antwort der Politik fällt zwar nach wie vor eindeutig aus, eine Aussprache zu dem Thema war zuletzt regelmäßig unterblieben. Doch vor kritischen Nachfragen scheut zumindest die UWG nicht mehr zurück. Am Dienstag machte es CDU-Fraktionschef Christoph Poschen zunächst kurz: Es sei sehr bedauerlich, wenn Bürger Einzelinteressen über das Gemeinwohl stellten, merkte er spitz an. Auch sein SPD-Kollege Gregor Harzheim „bedauert sehr, dass nun in Lammersdorf nicht zeitnah Bauland entstehen kann“. Das sei schließlich auch nicht im Sinne des örtlichen Handels. Ben Steinborn erklärte, dass letztlich nur ein kleiner Fehler der Verwaltung zum Scheitern des Baugebiets geführt habe. „Und ich glaube fest daran, dass wir daraus gelernt haben.“ Bei künftigen Planungen wie denen für das Neubaugebiet „Am Meisenbruch“ müsse die Verwaltung künftig „mit der Lupe“ an die Arbeit gehen, forderte der FDP-Fraktionsvorsitzende.
Auch UWG-Fraktionschef Reinhold Köller äußerte sein Bedauern über die Hartnäckigkeit der Kläger. Deren Vorgehen sei sicher nicht im Sinne des Lammersdorfer Handels. „Diese Geschichte hat uns alle schon eine Menge Geld gekostet. Nicht zu vergessen: die Enttäuschung der vielen Bauwilligen, die gerne in Lammersdorf ihr Haus errichten würden.“ Köller griff allerdings auch die Verwaltung an, der er mangelnde Transparenz vorwarf. Bernd Goffart habe die Fraktionen über die schlechten Erfolgsaussichten der Gemeinde vor dem OVG womöglich nicht ausreichend informiert. Das wollte der CDU-Politiker so nicht auf sich sitzen lassen: „Ich habe immer gesagt, dass das Verfahren völlig offen ist“, verteidigte sich Goffart. Da der rechtliche Mangel des Baugebiets zunächst nicht vom gegnerischen Anwalt aufgegriffen worden sei, habe man diese offene Flanke nicht öffentlich preisgeben können. „Unsere Erfolgsaussichten waren nicht schlecht. Wir haben unser Bestes probiert, letztlich hat sich das Gute leider nicht durchgesetzt“, sagte Goffart. Mit mangelnder Transparenz habe das nichts zu tun. Tatsächlich hatte am Ende erst das Oberverwaltungsgericht erkannt, dass der Flächennutzungsplan fehlerhaft war.
Im Rat schlug nun die Stunde des Michael Schreiber. Der Ratsherr der Grünen attackierte die auf den Publikumsrängen anwesenden Kläger persönlich. Die hätten zwar nicht das Baugebiet verhindern wollen, sich aber so in die Sache verbissen, dass am Ende genau dies herausgekommen sei. „Mir tut auch der Pächter der Metzgerei leid. Wegen eines Streits um ein paar Parkplätze gehen dem nun Kunden verloren, die er sicher auch gut hätte brauchen können. Ich hoffe, dass der Kläger einmal in sich geht und sich fragt, ob er sich noch im Spiegel anschauen kann. Denn er schadet nicht nur sich, sondern den vielen Menschen, die in Lammersdorf eine neue oder auch alte Heimat finden wollten.“
Neue Rechtsfragen
Die so Angesprochenen quittieren dies mit Kopfschütteln. Man nehme lediglich die in einem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Möglichkeiten als betroffene Bürger wahr, sagt Mario Genter später. Ein Satz, der bei der Gemeinde inzwischen alle Warnglocken schrillen lässt. Tatsächlich ist bereits wieder eine Klage anhängig – diesmal vor dem Verwaltungsgericht Aachen. Nun zielen die Kläger darauf ab, dass die Gemeinde beim Bau des Kreisverkehrs ein sogenanntes vereinfachtes Verfahren gewählt hat, um Zeit zu sparen. Dazu müssen aber eigentlich die unmittelbar vom Bau betroffenen Anlieger ein positives Feedback geben. Dem Vernehmen nach haben zwei Anlieger dem Bau zugestimmt. Klaus Genter sowie der Bewohner eines Einfamilienhauses, das direkt am künftigen Kreisverkehr liegen würde, haben dies nach eigenem Bekunden nicht getan. Beide klagen. Die Erfolgsaussichten sind noch völlig unklar. Nicht auszuschließen ist, dass die Geschichte des Kreisverkehrs um ein neues Kapitel reicher wird.