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„Scheinplombe“ wird eingesetzt: Dorflinde steckt den Astbruch weg

„Scheinplombe“ wird eingesetzt : Dorflinde steckt den Astbruch weg

Ein mächtiger Seitenast der Dedenborner Dorflinde war in der Nacht zu Montag krachend zu Boden gegangen. Jetzt steht fest: Der Baumriese wird den Trockenbruch wohl locker wegstecken.

Zwischen 15 und 20 Prozent ihres Volumens hat die exakt 304 Jahre alte Sommerlinde auf dem Pfarrer-Engels-Platz in Dedenborn verloren, nachdem in der Nacht zum Sonntag ein kapitaler Seitenast von rund 40 Zentimetern Durchmesser und rund 35 Zentnern Gewicht plötzlich zu Boden krachte. Niemand kam zu Schaden, das ist die wichtigste Nachricht, aber nicht weniger bedeutsam ist die Feststellung, dass der Baumriese den Trockenbruch wohl locker wegstecken kann und das Naturdenkmal neben der Pfarrkirche erhalten bleibt – wenn auch künftig mit ein paar altersbedingten Blessuren.

Dass die Linde den Verlust verkraften kann, ist die übereinstimmende Meinung der Experten, die am Donnerstag den Schaden begutachteten. Udo Thorwesten von der Unteren Landschaftsbehörde der Städteregion Aachen und seit über drei Jahrzehnten engagiert im Dienste der Naturdenkmale im Einsatz, geht davon aus, dass die Linde sich von dem Schaden erholen und den Kürze anstehenden kleinen baumchirurigischen Eingriff durch eine Fachfirma gut verkraften wird.

 Trotz Astverlust immer noch ein stattlicher Baumriese: Die 304 Jahre alte Sommerlinde auf dem Pfarrer Engels-Platz in Dedenborn.
Trotz Astverlust immer noch ein stattlicher Baumriese: Die 304 Jahre alte Sommerlinde auf dem Pfarrer Engels-Platz in Dedenborn. Foto: Peter Stollenwerk

Diese Nachricht vernahm auch Kurt Bongard aus Dedenborn mit Erleichterung, der beim Ortstermin den in Urlaub befindlichen Ortsvorsteher Helmut Kaulard vertrat. „Für Dedenborn ist es das Wichtigste, dass die Linde erhalten bleibt“, sagte Bongard. Für Udo Thorwesten, der bekennt, dass „die Linde in Dedenborn zu meinen Lieblings-Naturdenkmälern zählt“, ist es das Zusammentreffen mehrerer Ursachen, das zum Verlust des Astes führte.

„Sie kämpft um jeden Tropfen“

„Der Baum hat einen eher bescheidenen Standort“, sagt Thorwesten mit Blick auf die nahe vorbeiführende asphaltierte Ortsdurchfahrt, den mit Pflaster versiegelten Parkplatz und die halbrund in Stammnähe verlegten Bruchsteinplatten. „Die Linde kämpft um jeden Tropfen Wasser“, sagt der Baumexperte. Was die Wassernot betrifft, wurde umgehend für Abhilfe gesorgt. Der Bauhof der Gemeinde Simmerath wird der Linde, solange die Hitzewelle anhält, nun fein dosiert täglich rund 1000 Liter Wasser zuführen, wobei es problematisch ist, dass das lebenswichtige Nass auch den weit ausladenden Wurzelteller erreicht. Diese Menge sei das Minimum, erläutert Thorwesten, denn täglich verdunste der Blätterwald der Linde mindestens die gleiche Menge an Wasser. „Es ist bei alten Bäumen wie bei alten Menschen“, ergänzt Thorwesten: „Die müssen viel trinken“. Zudem soll zeitnah ein Teil des Bruchsteinbelages entfernt werden.

Kein Abfluss: Dieses Röhrchen dient allein dem Luftaustausch und kommt bei der Reparatur von Bruchstellen an alten Bäumen zum Einsatz.
Kein Abfluss: Dieses Röhrchen dient allein dem Luftaustausch und kommt bei der Reparatur von Bruchstellen an alten Bäumen zum Einsatz. Foto: Peter Stollenwerk

Vor dem Hintergrund der beiden zurückliegenden Trockenjahre habe die Linde in diesem Frühjahr extrem kräftig ausgetrieben, hat Udo Thorwesten verwundert beobachtet. „Der Baum hat stark zugenommen“, was nicht gesundheitsfördernd gewesen sei. Die enorme Blättermasse habe das Gesamtgewicht erhöht, und die daraus folgende intensivere Verdunstungsquote habe dem Stamm und den Ästen daher überdurchschnittlich viel Wasser entzogen und diese geschwächt. Warum die Natur das so einrichtet, kann Thorwesten nicht erklären. „Jeder Baum ist anders“, zitiert er eine unbestreitbare Lebensweisheit.

„Jeder Eingriff ist kritisch“

Erst vor gut zwei Wochen hatte Thorwesten die Linde noch in Augenschein genommen, da Nachbarn den Wunsch geäußert hatten, den inzwischen abgebrochenen Ast zurückzuschneiden, damit ein Lkw mit einer Materiallieferung ihr Grundstück, ohne die Linde zu streifen, erreichen konnte. Man habe sich darauf geeinigt, per Rückschnitt ein Lichtraumprofil von 4,30 Meter Höhe herzustellen. „Jeder Eingriff bei einem Baum dieses Alters ist kritisch“, betont Thorwesten, der sich dazu bekennt, „Partei für die Bäume zu ergreifen“, denn das Entfernen von Ästen wirke sich auch negativ auf die Stabilität der Wurzeln aus, da hier eine direkte Verbindungen zur Baumkrone bestehe.

Provisorisch geschützt: Nach dem Astbruch soll kein Regenwasser in den ausgehöhlten Stamm der Linde eindringen.
Provisorisch geschützt: Nach dem Astbruch soll kein Regenwasser in den ausgehöhlten Stamm der Linde eindringen. Foto: Peter Stollenwerk

Zur Sicherung des Baumes sei vor rund zehn Jahren eine „dynamische Kronensicherung“ vorgenommen worden. Zu diesem Zweck seien die großen Äste ohne Spannung mit Seilen stabilisiert worden. Diese Seile dienten allein der Eigenstatik des Baumes, um bei Starkwinden das seitliche Schwingen der Äste zu bremsen.

Provisorische Abdichtung

Der abgebrochene Ast hat ein Loch von rund 30 Zentimetern Durchmesser in rund drei Meter Stammhöhe hinterlassen, Dass der Stamm hohl war, was nun für jedermann sichtbar wurde, war bekannt und ist laut Thorwesten kein Grund zur Besorgnis. Das Augenmerk der Baumpfleger zielt nun darauf zu verhindern, dass Regenwasser in die Öffnung eindringt. Nach einer provisorischen Abdichtung trifft sich in der nächsten Woche eine Expertenrunde, um die weiteren Maßnahmen abzustimmen.

Vorgesehen ist, das Loch mit PU-Schaum und einem Metallgewebe, einer sogenannten „Scheinplombe“, zu verschießen. Ein kleines Röhrchen wird eingebaut, dass für den Luftaustausch sorgt. Die früher oft von nicht fachlicher Hand vorgenommenen Wundverschließungen mit Beton hätten sich nicht bewährt. Dass die bevorstehende „kosmetische Operation“ in Dedenborn gelingt, ist für Udo Thorwesten von großer Bedeutung, möchte er doch ein halbes Jahr vor seiner Pensionierung seinem Nachfolger sein „Lieblings-Naturdenkmal“ mit einer guten Zukunftsprognose übergeben.