Fitnessstudios schlagen Alarm : Die Verzweiflung wächst
Rollesbroich Der verlängerte Lockdown trübt die Stimmung in vielen Branchen. Bei Betreibern von Fitnessstudios sitzt der Frust besonders tief. Michael Anders aus Rollesbroich versteht die Welt nicht mehr: Staatliche Hilfen kämen viel zu zögerlich. Es drohe ein Sterben auf Raten.
Aus den Lautsprechern tönen Hits aus den 80er Jahren, an der Wand hängt ein älteres Foto von Michael Anders aus Wettkampfzeiten. Das war es auch schon mit Retro-Anklängen im Rollesbroicher Fitnessstudio „Fit for Life“: Auf knapp 1700 Quadratmetern reiht sich in der modernen Halle im Gewerbegebiet Gerät an Gerät. 30 Crosstrainer und Laufbänder stehen derzeit still, auch an den 50 Kraftgeräten werden noch immer keine Eisen gestemmt. Frustriert über die Verlängerung des Lockdowns schreitet Inhaber Michael Anders durch seinen Fitnesstempel. „Eigentlich wollte ich mit 60 Jahren in Rente gehen und meinen Kindern die Geschäftsführung übergeben“, sagt er. Anders ist 57 Jahre alt, hat den Standort in Rollesbroich von 1998 an aufgebaut und immer wieder neu investiert. Das Coronavirus hat seinen Plänen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. „Ein moderner, professioneller Crosstrainer kostet rund 12.000 Euro. Man kann sich also schnell ausrechnen, dass Stillstand in einem solchen Studio eine Menge Geld kostet.“
Geld, das Anders zumindest in Teilen vom Staat ersetzt bekommen möchte. Doch die Hilfen laufen derzeit nur schleppend an. Erst Anfang der Woche hat der Unternehmer die Novemberhilfen vollständig erhalten. Zuvor war lediglich ein Abschlag gezahlt worden. Zu dem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand, den ein Steuerberater erledigen muss, gesellt sich ein weiteres Problem: „Die Gelder für November und Dezember müssen für 2020 versteuert werden, obgleich ich sie mit großer Verspätung erhalte. Es ist unfassbar kompliziert.“ Während sich das Finanzamt bei Steuervorauszahlungen am Normaljahr 2019 orientiere, habe er in den vergangenen zehn Monaten 18 Prozent seines Umsatzes verloren. Michael Anders ist wütend: „Von Monat zu Monat verliere ich Umsatz. Die Kosten laufen in dieser Zeit aber munter weiter. Und ob ich die für acht Wochen Komplettausfall im Jahr 2020 erhaltenen Hilfsgelder zurückzahlen muss, weiß ich derzeit nicht einmal. Es ist ein Wahnsinn!“
Fassungslos
Der Unternehmer hat an die Bundesregierung geschrieben, an Landesvater Armin Laschet, und er hat Bürgermeister Bernd Goffart im Simmerather Rathaus besucht. Er hat dort seine App präsentiert, über die sich Kunden für ihren Besuch im Studio einloggen. „Das Ordnungsamt könnte vom Schreibtisch aus in Echtzeit kontrollieren, wie die Belegung der einzelnen Geräte gerade ist. Man kann die Besucherzahl ganz einfach begrenzen und zu jedem Zeitpunkt nachvollziehen, wer wo ist.“ Im Rathaus ist er hier auf Interesse und Verständnis gestoßen, aber am Lockdown kann man hier auch nicht rütteln – er wurde am Mittwochabend bekanntlich sogar noch einmal verlängert. Michael Anders ist fassungslos: „Eigentlich sollten wir einfach mal öffnen – nur als Zeichen, dass man uns einmal anhört. Was der Staat uns bietet, ist keine richtige Hilfe. Wir wollen arbeiten!“
Seine Probleme will der Unternehmer aus Rollesbroich auch seinen Kunden verständlich machen – mit durchwachsenem Erfolg. Die Zahl der Kündigungen ist in den vergangenen Tagen weiter angewachsen. Hauptsächlich als Reaktion auf missverständliche Informationen der Verbraucherzentrale, die landesweit über Möglichkeiten zur Kündigung informierte, wie Anders meint. Andererseits hat der ehemalige Profi-Kraftsportler und dreimalige Weltmeister im Februar zum ersten Mal im Lockdown einen Monatsbeitrag von seinen Kunden abgebucht. „Ich erkläre den Leuten immer wieder: Dieses Geld verliert ihr nicht! Für einen bezahlten Monat Lockdown bekommt ihr automatisch einen Freimonat im Anschluss an die Vertragslaufzeit.“ Nicht jeder verstehe das, doch die Resonanz von langjährigen Stammkunden sei durchweg sehr positiv.
Mit jeder Kündigung verliert Michael Anders dennoch ein Stück Planungssicherheit. Ein Studio seiner Größenordnung braucht eine vierstellige Kundenzahl, um dauerhaft profitabel zu arbeiten. „Derzeit leben wir noch vom Ersparten. Doch das geht nicht auf Dauer.“ Anders warnt: „Es wird ein stilles Sterben im Mittelstand geben. Erst in einiger Zeit wird sich zeigen, wer diese Krise überlebt. Für Hilfe wird es dann zu spät sein.“