Einrichtungsleiter aus Simmerath warnt : „Die Sicherheit auf dem Dorf ist trügerisch“
Simmerath/Roetgen Im Pflegeheim Seliger Gerhard in Simmerath bedauert man die Lockerungen bei den Besucherregelungen. Leiter Thomas Pulwey sieht große Probleme auf die Einrichtungen zukommen.
Am vergangenen Donnerstag hat das Land Nordrhein-Westfalen die erst drei Tage alte Corona-Schutzverordnung der Städteregion Aachen mit Blick auf die Zugangsregelungen für Alten- und Pflegeheime gekippt. Diese greife zu stark in die Rechte der Bewohner ein, hieß es zur Begründung. In Kalterherberg sorgt das für Genugtuung, in Simmerath dagegen für Stirnrunzeln.
Im Pflegeheim Seliger Gerhard in Simmerath gab es im Frühjahr insgesamt 32 Infizierte – 27 Bewohner und fünf Mitarbeiter. Fünf infizierte Bewohner starben, wobei die Zahl der Verstorbenen nicht signifikant höher war als zu Vor-Corona-Zeiten. „Wir haben nur mit großer Mühe geschafft, die Sache in den Griff zu bekommen“, sagt Einrichtungsleiter Thomas Pulwey. „Deshalb bedauern wir es, dass es nicht bei der zunächst strengeren Verordnung der Städteregion geblieben ist.“
Mit Blick auf die Verfechter einer weniger restriktiven Regelung in Kalterherberg warnt Pulwey vor der „trügerischen Sicherheit auf dem Dorf“. Dort sei man vor der Pandemie keineswegs sicher. Letztlich sei die Besucherregelung eine Frage der Güterabwägung. „Die Lebensqualität der Bewohner ist fraglos ein hohes Gut und Besuchsbeschränkungen beeinträchtigen diese natürlich. Wenn Offenheit aber letztlich dazu führt, dass wir aufgrund von erkrankten Mitarbeitern unserem Pflegeauftrag nicht mehr gerecht werden können, bleibt die Frage: Welches von beiden Übeln ist das Schlimmere?“
In Simmerath rechnet Pulwey mit rund 200 Besuchern pro Woche. Diese dürften sich nun nach einem Screening und einer Unterweisung frei im Haus bewegen. „Ob diese Menschen in den Zimmern den Mindestabstand einhalten können wir nicht kontrollieren.“
Die von der Städteregion ursprünglich verfolgte Lösung habe man dagegen gut umsetzen können: An fünf „Besucher-Inseln“ hätten sich dann Bewohner und Angehörige durch Plexiglasscheiben getrennt treffen können – immer unter Aufsicht. „Ich habe die berechtigte Sorge, dass diese Lockerungen ihren Preis haben werden“, mahnt Pulwey. „Wenn sich am Ende wieder das Virus in der Einrichtung verbreitet, ist der Preis eindeutig zu hoch.“
Virusfrei ist bislang das zuletzt umstrittene Pflegeheim der Itertalklinik in Roetgen durch die Coronavirus-Krise gekommen. Einrichtungsleiter Matthias Bonnie begrüßt deshalb die Entscheidung der Landesregierung gegen die restriktive Aachener Regelung. „Unser individuell auf Roetgen zugeschnittenes Besuchskonzept funktioniert sehr gut.“ Angehörige könnten die Bewohner nun wie gewohnt auf dem Zimmer besuchen. Die weitere Entwicklung im Herbst sieht aber auch Bonnie einigermaßen kritisch. Wie sein Kollege Pulwey hofft er auf regelmäßige Reihentestungen für Bewohner und Mitarbeiter.