Grundschule Roetgen : „Wir versuchen, aus Not eine Tugend zu machen“
Roetgen Susanne Bortot, Rektorin der Roetgener Grundschule, blickt steigenden Schülerzahlen entgegen, wartet aber weiterhin auf bauliche Anpassungen.
Während die Leiterin der Roetgener Grundschule frühzeitig steigende Nutzerzahlen bei der Gemeinde reklamiert hatte, hinkt diese mit baulichen Antworten dem Trend hinterher. Die Ideen zur Erweiterung von Schule und Betreuungsmöglichkeiten sind über ein frühes Planungsstadium noch nicht hinausgekommen. Susanne Bortot nimmt diesen Umstand als eine von viele anderen Herausforderungen an.
Auf Corona, Füchtlinge und Lehrermangel musste sie schon vielfältige und individuelle Antworten geben. „So schwierig das klingen mag, möchte ich deutlich machen, dass wir als Schule immer damit umgehen“, sagt Susanne Bortot. Die Rektorin der Roetgener Grundschule sieht dabei gar nicht so schwarz, auch wenn harte empirische Fakten Mangelware sind.
Im Schulausschuss der Gemeinde bilanziert Bortot mit Blick auf Auswirkungen der Pandemie auf die Leistungen am Beispiel von Vergleichsarbeiten im dritten Schuljahr in Deutsch und Mathematik: „Überraschend ist, dass nichts überrascht. Die Kinder sind gleich stark, wenn nicht gar besser geworden.“ Gründe dafür kann sie nicht anführen. Weiteres Beispiel: Von 326 Schülern haben 200 das Deutsche Sportabzeichen in Bronze, Silber und Gold inklusive Schwimmen erworben – obwohl Sportstätten geschlossen und Vereine ihre Angebote eingeschränkt hatten. „Schafft die Generation es, mit einem Stück Pandemie umzugehen?“, fragt sich Bortot.
Die „vertikale Förderung“
In Roetgen werden 25 Flüchtlingskinder, darunter zehn aus der Ukraine, in der Erstförderung betreut. Als ein Kind aus Roetgen an ein städtischen Gymnasium wechseln wollte, war dort die Flüchtlingsklasse voll und das Kind wurde dort nicht aufgenommen. „Das darf in der Schule nicht passieren“, zeigt sich Bortot entsetzt. „Ich selbst habe das komfortable Problem, dass ich keine volle Flüchtlingsklasse habe, weil die Lehrer dafür fehlten.“
Roetgen selbst praktiziert – nach Erfahrungen der Flüchtlingswelle 2015/16 – eine „vertikale Förderung“: Die Kinder werden in ihrer originäre Jahrgangsstufe beschult. Um dem Förderbedarf gerecht zu werden, wird durch alle Jahrgänge flächendeckend in der ersten Stunde Deutsch und in der zweiten Mathematik unterrichtet. „Dann schieben wir die Kinder nach ihren Leistungen in die Klasse, wo sie bestmöglich gefördert werden können“, erklärt Bortot. „Das funktioniert, und nach der Pause geht es im nomalen Klassenverband mit den anderen Angeboten weiter.“
Ein anderes Beispiel: Roetgen schreibt eine Vertretungsstelle mit zehn Stunden aus. „Wir haben keinen Lehrer gefunden, aber einen interessanten Musiker“, sagt Susanne Bortot. Der Pianist kann singen, auch russische und ukrainische Lieder. Jetzt schaut die Rektorin, wie diese Kraft gewinnbringend eingesetzt werden kann. „Wir schauen nicht auf das, was wir brauchen, sondern auf das, was wir bekommen, und überlegen, wie kann es gehen.“
Dauerthema Lehrermangel
Lehrermangel ist ein Dauerthema – auch an der GGS. Zum Start des Schuljahres sei man mit 22 Lehrkräften für fünf Klassen gut besetzt gewesen – wenn denn alle da wären. Fünf Kolleginnen sind schwanger oder im Anschluss an Elternzeit. „Das hat uns vor große Herausforderungen gestellt.“, sagt Bortot. Das riss tiefe Lücken in den Stundenplan.
Bis Vertretungslehrer zumeist als Seiteneinsteiger eintreffen, vergehen Monate. Um Distanzunterricht zu vermeiden, wurden Eltern eingebunden, um verlässlich Schule zu haben. „Wir haben versucht, aus der Not eine Tugend zu machen“, sagt Bortot. Dennoch gelang es regelmäßig bedarfsorientierten Förderunterricht für 65 Kinder anzubieten, in dem die schwangeren Kolleginnen mitzogen und digital unterrichteten.
Bei der Sonderpädagogik wird die eine Kraft im Sommer die Schule verlassen; diese Stelle ist ausgeschrieben. Vor drei Jahren durfte Roetgen noch drei Stellen ausschreiben. Weil es auf diese und später auf die zweite Stelle keine Bewerbungen gab, wurden die Stellen gestrichen, berichtet Bortot: „Ich hoffe, dass wir nicht auch jetzt noch leer ausgehen.“ Der Mangel an Personal sei so umgreifend, dass auch an der Förderschule Nordeifel ein Kind aus Roetgen nicht mehr kurzfristig habe untergebracht werden können.
Derweil steht die Grundschule mit Blick auf steigende Schülerzahlen vor weiteren Herausforderungen. Aktuell werden 326 Kinder in 14 Klassen beschult. Für 2023/24 wird mit 359 Kindern und 16 Klassen gearbeitet. Drei vierte Schuljahre gehen, fünf Eingangsklassen kommen mit 106 Schülern hinzu.
Franziska Radermacher als Leiterin beschreibt zudem eine rasante Entwicklung bei der offenen Ganztagsbetreuung. „Wir haben jetzt 153 Teilnehmer, im nächsten Schuljahr werden es 200 sein“. Darüber hinaus gibt es durchgängig 25 Kinder mit besonderem Betreuungsbedarf. „Wir werden in der neuen ersten Klasse 77 OGS-Kinder aufnehmen“, sagt Radermacher; „Wir sind gespannt, was uns erwartet. Während der letzten vier Jahre hat sich die Nachfrage verdoppelt.“
Dieser Andrang könne kaum im Zusammenhang mit der Reduzierung von Elternbeiträgen gesehen werden. Nach Information über die neuen Freibeträge und Beitragssätze habe es eine weitere Anmeldung gegeben, erklärte Franziska Radermacher auf Nachfrage von Frank Hahnbück (CDU): „Der Bedarf für Ganztagsbetreuung ist einfach da.“ Eingestiegen werden müsse nun auch in eine erweiterte Personalplanung. Mindestens drei Mitarbeitende zusätzlich würden für das neue Schuljahr benötigt.
Auf 100 Kinder ausgelegt
Dabei ist der bestehende OGS-Komplex auf 100 Kinder ausgelegt. Tendenziell gehen Radermacher und Bortot davon aus, dass die vormittags beschulten Kinder nachmittags auch betreut werden. „Wir brauchen also ein tolles, gemeinsames Nutzungskonzept“, sagt Bortot. Das bedeutet, dass die OGS ihre exklusiven Bereich verliert. Die Hälfte der Räume im Obergeschoss werden zu Klassen, zwei Räume bleiben vorwiegend mit Spielsachen bestehen. Im Hauptgebäude werden Gruppen- zu OGS-Räumen.
„WIr werden sehen, wie wir das hinbekommen“, so Bortot, die diese Vorhaben als Übergangsszenarien – bis zur Vollendung der diskutierten Erweiterung – wertet. „Es ist verdammt eng“. Manche Kinder dürften sich damit schwertun. Die Pädagogik werde sich anpassen müssen. „Es wird eine spannende Zeit“, blicken Radermacher und Bortot optimistisch und mit einer gehörigen Portion Idealismus in die Zukunft.