Gaby Lennartz in Roetgen : Seniorenbeauftragte tritt zurück: „Kein schöner Job“
Roetgen Mit einem Paukenschlag verabschiedet sich Roetgens Seniorenbeauftragte nach eineinhalb Jahren aus dem Amt. „Es ist niederschmetternd“, sagt Gaby Lennartz.
Dabei hat die engagierte Seniorenbauftragte durchaus auch positive Erfahrungen gemacht. Gabriele Lennartz ist stolz, wenn sie (weiter)helfen konnte. Das hat sie seit September 2021, als sie das Ehrenamt von Walter Herriger übernommen hat, vielfach geschafft.
Geholfen hat Lennartz bei vielen kleinen Dingen, die das Leben einfacher machen können. Beispielsweise bei Gesprächen für „ihre“ Senioren mit Krankenkassen, wenn es um Ausweise ging, und „immer wenn ich Anträge stellen musste, hat das geklappt“, berichtet die 64-Jährige im Ratsausschuss für Bildung, Generationen, Soziales und Sport.
Solchen Erfolgen stehen allerdings vielfältige andere, enttäuschende Erfahrungen gegenüber, die die Seniorenbeauftragte machen musste. „Es ist kein schöner Job“: Mit diesen Worten beginnt Gabriele Lennartz ihren Erfahrungsbericht vor dem Ausschuss. Der wird mit gravierenden Mängeln konfrontiert.
„Es gibt im weiten Umkreis keinen ambulanten Dienst mehr, der freie Kapazitäten hat“, sagt Lennartz. „Und es gibt keine Kapazitäten mehr bei mobilen Mittagstischen.“ Es sei niederschmetternd, die Leute immer nur vertrösten zu müssen, sagt Lennartz: „Ich weiß dann auch nicht mehr, was ich sagen soll. Es ist traurig, aber es ist wahr, dass es derzeit um die Senioren so schlecht bestellt ist.“
Es gebe keine Abdeckung mehr für eine ambulante Versorgung, egal bei welchen Trägern – so hat es Gabriele Lennartz erfahren. Und wenn die Senioren „in ein Altenpflegeheim sollen, dann landen sie auf der Warteliste“. Das gelte für die Einrichtung an der Jennepeterstraße in Roetgen ebenso wie für alle anderen Heime in der Umgebung. „Ich weiß, dass auf der Warteliste für Simmerath 94 Interessierte stehen, und für Venwegen sind es weit über 200“, so Lennartz. „Ich weiß nicht mehr, wohin mit den Menschen.“
Froh ist Gaby Lennartz dann, wenn sie aus den anderen Berichten im Sozialausschuss erfährt, dass „die Kinder und Jugendlichen in Roetgen so gut versorgt sind“, so die Seniorenbeauftragte weiter. „Vielleicht sollte man auch etwas mehr an die Senioren denken.“
Was für die Eltern von Kinder gilt, gelte auch für die Kinder betreuungsbedürftiger Senioren. „Die müssen ja ebenso arbeiten gehen wie die Eltern von Kindern. Was machen die dann mit ihrem Vater oder ihrer Mutter?“ Es gebe keine Möglichkeiten mehr zur Unterbingung. „Man macht sich um die Senioren in Roetgen zu wenig Gedanken“, konstatiert Gabriele Lennartz.
In persönlichen Fällen werde sie gerne noch helfen, „aber Seniorenbeauftragte mache ich nicht mehr“. Lennartz sagt, sie habe versucht, sich mit Simmerath und Monschau kurz zu schließen. „Aber die haben leider gar keine Seniorenbeauftragten.“ Anderenfalls hätte man sich zu Dritt austauschen und nach Lösungen suchen können. So bleibt Gabriele Lennartz nicht viel anderes als anzuregen, eine feste Sprechstunde für Senioren im Rathaus einzurichten.
Applaus spendet das Gremium. Vorsitzende Ingrid Kaarst-Feilen, die über Monate hinweg als Leiterin des Arbeitskreises „Älter werden in Roetgen“ Ziele und Standards mit definiert hat, dankt der scheidenden Beauftragten ausdrücklich. Bürgermeister Jorma Klauss überreicht einen Blumenstrauß.
Der scheidende SPD-Ratsherr Willi Axer zieht als erster politische Konsequenzen aus dem Vortrag: „Wir haben einen Jugendbeirat, wie wäre es mit der Idee eines Seniorenbeirats?“ Auch Rainer Welzel (UWG) denkt über eine Anpassung der Strukturen nach und regt eine Vernetzung zwischen Seniorenbeirat und der ZWAR-Gruppe (zwischen Arbeit und Ruhestand) an: „Das kann ich nur unterstreichen“, sagt Kaarst-Feilen. „Das hat bislang nur nie geklappt.“
„Gibt es einen Plan B?“, fragt Anita Buchsteiner (Grüne) nach dem „dramatischen Bild, das die Seniorenbeauftragte beschrieben hat“ und dem Rückzug der Itertalklinik beziehungsweise der Hamburger Immac Sozialbau GmbH als Immobilieneigentümerin aus den Erweiterungsplänen für das Seniorenheim an der Jennepeterstraße. Anstelle von zwei Erweiterungsgebäuden nebst umfangreichen Umbauten ist nun nur noch die Rede von Sanierungen im Bestand. „Gibt es vielleicht andere Betreiber von Seniorenheimen, die sich gemeldet haben?“, so Buchsteiner weiter.
„Die Städteregion hat vergeblich versucht, die Betreuungsplätze auszuschreiben“, antwortet Jorma Klauss (SPD). Es geht um 20 Pflegeplätze des ehemaligen Standortes an der Bundesstraße sowie den weitergehenden Bedarf von sieben Plätzen in Roetgen, so der Bürgermeister. Nach dem Scheitern sei der Bedarf für Roetgen, Simmerath und Stolberg als Pool von 60 Plätzen ausgeschrieben worden. Aber auch dafür habe sich kein potenzieller Betreiber interessiert. „Als Konsequenz werden nun alle Betreuungsplätze für die Städteregion neu ausgeschrieben“, berichtet Klauss im Ausschuss.
„Wer heute älter wird, möchte möglichst lange verhindern, in ein Heim zu müssen“, sagt Jorma Klauss zur aktuellen Lage: „Wer aber jetzt einen festen Betreuungsplatz braucht, hat nicht nur in Roetgen, sondern insgesamt in der Region ein großes Problem.“ Während der nächsten Jahre werde man sich sehr strecken müssen und auf Alternativen angewiesen sein, so der Verwaltungschef. Ingrid Kaarst-Feilen spricht von der Strategie in Roetgen, den Bedarf an festen Pflegeplätzen hinaus zu zögern durch andere Maßnahmen, die die Mobilität und mehr erhöhen könnten. „Wir werden auf Alternativen angewiesen sein“, sagt die Vorsitzende: „Auf dem Markt der stationären Pflege gibt es im Moment ein Problem, weil die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist.“
Derweil beschließt der Ausschuss einstimmig, die Position eines ehrenamtlichen Seniorenbeauftragten öffentlich auszuschreiben.