Monschaus erste Grüne : „Stadtverordnete verdrehten genervt die Augen“
Monschau 1984: Mit Astrid Kirfel-Rühle zog die erste grüne Abgeordnete in den Stadtrat Monschau ein. Jetzt gratuliert sie der neuen grünen Bürgermeisterin. Und blickt zurück.
Wenn sich am 3. November der Monschauer Stadtrat zu seiner konstituierenden Sitzung wenige Wochen nach der Kommunalwahl trifft, dann bietet die Runde der gewählten Volksvertreter ein neues Bild. Besonders an das Gesicht der neuen Vorsitzenden des Stadtrates, das von Amts wegen dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin zufällt, wird man sich noch gewöhnen müssen, denn in der kommenden Legislaturperiode ist die neu gewählte Bürgermeisterin Silvia Mertens (Grüne) die Chefin im Rathaus. Sie löste bekanntlich mit einem knappen Vorsprung in der Stichwahl am 27. September völlig überraschend Amtsinhaberin Margareta Ritter (CDU) ab, die seit 2009 das Amt bekleidete.
Das politische Erdbeben in Monschau hat sogar Wellen bis nach Thüringen geschlagen, denn aus dem romantischen Örtchen Bedheim meldete sich jetzt eine gewisse Astrid Rühle von Lilienstern zu Wort, die mit tief empfundener Freude das Ergebnis der Bürgermeisterinnenwahl in Monschau kommentiert: „Soweit sind wir nach fast 40 Jahren in Monschau gekommen! Es wurde in diesem Herbst eine grüne Bürgermeisterin gewählt!“
Ein Blick zurück
Astrid Rühle weiß, wovon sie spricht, denn bei der Kommunalwahl 1984 kandidierte die heute 77-Jährige für die Grünen in Monschau, die erstmals überhaupt zur Wahl antraten. Erst 1980 war die Partei gegründet worden und setzte sich zusammen aus Anhängern der Anti-Atomkraft- und Umweltbewegung, der Friedensbewegung und der neuen Linken aus den 1970er-Jahren. Astrid Kirfel-Rühle, so ihr damaliger Name, wurde 1984 gemeinsam mit Meinolf Dellen in den Monschauer Stadtrat gewählt und bildete mit ihm die erste grüne Fraktion.
„Damals war Monschau politisch kohlpechrabenschwarz und es bedurfte schon einiger Unverdrossenheit, um das ändern zu wollen“, erinnerte sich die engagierte Kommunalpolitikerin. „Zur Kommunalwahl 1984 kandidierte ich zum ersten Mal für die Grünen. Ich verteilte als alternative Wahlwerbung Zettelchen mit einem Gedicht von Kurt Marti: ‚Wo kämen wir hin,wenn alle sagten, wo kämen wir hin! Und niemand ginge, um einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge‘“.
Allein schon diese farbige und pointierte Note abseits klassischer Wahlkampfmuster war den etablierten Parteien in der Rurstadt suspekt. Ohnehin galten die Grünen als natürlicher politischer Feind des eingefahrenen Drei-Parteien-Systems. Die neue grüne Stadträtin erschien vielen altgedienten Monschauer Stadtvätern wie eine Außerirdische, die nur für Unruhe und Unberechenbarkeit sorgt und plötzlich Sand ins Getriebe vertrauter politischer Abläufe streut.
Astrid Kirfel-Rühle räumt aber auch ein, dass innerparteilich bei den noch jungen Grünen häufig das Chaos regierte. „Der Anfang war turbulent. In den 1980er Jahren vor der Wahl trafen sich die unterschiedlichsten Menschen aus den Friedens-, Frauen-und Umweltbewegungen, mehr oder weniger militante Linke sowie Bürgerinnen und Bürger, die Lust auf neu belebte Demokratie hatten. All dem schienen die Grünen gerecht zu werden“, erinnert sie sich.
Bei den Versammlungen sei es heftig zugegangen. „Vor allem die links-orientierten Leute wollten radikale Programmpunkte durchsetzen, es gab geheime Absprachen, Spaltungen und Intrigen. Es wurde viel Bier getrunken, die Luft war vom massenhaften Rauchen zum Schneiden dick“, beschreibt Astrid Kirfel-Rühle die aufgewühlte Atmosphäre, als sei es gestern gewesen.
Zuerst habe man sich in Simmerath, später dann in der Monschauer Lumpenfabrik getroffen. „Ganz am Anfang, 1981, verzweifelte der erste tüchtige und liebenswürdige Begründer der Grünen, Wilfried Stoyan aus Kalterherberg, an der Schlechtigkeit der Welt und nahm sich das Leben.
Das war traurig, aber es entmutigte uns nicht. Schließlich wurden der Lehrer Meinolf Dellen aus Mützenich, der nicht lange Abgeordneter blieb, und ich aus Monschau in den Stadtrat gewählt“, erzählt Astrid Kirfel-Rühle emotional berührt aus ihren Erinnerungen.
Das Wahlergebnis von 1984 bezeichnet sie als „Sensation“. Sie sei damals die einzige Frau im Stadtrat gewesen, nachdem Anita Schotten von der FDP ausgeschieden sei. Der politische Alltag erwies für die tapfere grüne Abgeordnete allerdings als beinhart: „Ich hatte es nicht leicht. Alles, was ich beantragte, wurde abgelehnt. Die Stadtverordneten verdrehten genervt die Augen, wenn ich mich überhaupt zu Wort meldete. Aber ich war unverdrossen, ließ nicht nach und wehrte mich. Als es zu fies wurde, ging ich zu Bürgermeister Isaac und erklärte ihm, dass ich genau wie er, bloß von einem anderen politischen Standpunkt aus, zum Wohle der Stadt beitragen wollte. Das hat er irgendwie verstanden und mich nicht mehr angegriffen.“
„Frau Kirfel-Grüne“
Die Missbilligung bei einigen Ratsherrn saß dennoch tief: So wurde Astrid Kirfel-Rühle von einigen Volksvertretern mit subtilem Zynismus auch als „Frau Kirfel-Grüne“ tituliert. Darüber habe sie nur lachen können, erzählt sie. Schließlich habe sie auch ihren Mann gebeten, als Zuhörer an den Ratssitzungen teilzunehmen. „Da waren die Ratsherren tatsächlich umgänglicher mit mir. Nur als mein ältester Sohn, der damals 15 Jahre alt war, mitkam, nutzte es nichts. Man war wieder unfair zu mir. Da sprang mein Sohn auf, rannte raus, knallte die Saaltür und rief: ‚So ein blöder Rat!‘“, erinnert sich Astrid Kirfel-Rühle an den emotionalen Beginn ihrer kommunalpolitischen Arbeit.
Den Grünen anzugehören, erforderte damals nicht nur politische Überzeugung, sondern auch Zivilcourage. „Einige Leute hatten Bedenken, sich den Grünen zu bekennen, weil sie dadurch Nachteile befürchteten“, sagt sie. Erst viel später habe sich eine gewisse Akzeptanz eingestellt: „Da konnte auch die konservative Mehrheit nicht mehr achtlos an der grünen, differenzierten Meinung und ihrer alternativen Sichtweise auf das Stadtgeschehen vorbeigehen.“
An Selbstbewusstsein mangelte es grünen Rastvertreterin jedenfalls nicht: „Ich war meistens besser über die zu entscheidenden Sachverhalte informiert als die meisten Stadtverordneten, da ich mir vor den Sitzungen genau anschaute, worum es ging, sei es den Haushalt, die Kläranlage oder eine Straßenlaterne“, schreibt sie rückblickend. Mit der Zeit habe die grüne Politik in Monschau stetig interessierte und engagierte Menschen hinzugewonnen, wie zum Beispiel Paul Schubert aus Kalterherberg oder Renate Krickel aus Monschau.
Die Gesamtbilanz ihrer Zeit in Monschau fällt für Astrid Kirfel-Rühle am Ende aber versöhnlich aus: „Mit den meisten Ratsmitgliedern, dem damaligen Bürgermeister Herbert Isaac und Stadtdirektor Helmut Etschenberg bin ich mit der Zeit gut ausgekommen, zumindest haben wir uns nicht mehr angefeindet. Ich glaube, dass dazu auch der rheinische Humor beigetragen hat.“
Sie freue sich jedenfalls über die politische Entwicklung in Monschau, „die damals ihren Anfang nahm. Die neue Amtsinhaberin nicht näher kennend, wünscht sie der grünen Bürgermeisterin „einen guten Weg und engagierte MitstreiterInnen.“ Seit 27 Jahren lebt Astrid Kirfel-Rühle nun in Südthüringen. Hier wirkte sie auch vier Jahre lang für die Grünen im Kreistag des Landkreises Hildburghausen mit. Auch über diese Zeit verliert sie ein Wort: „Was soll ich über meine dortigen Erfahrungen sagen: Dasselbe in Grün! Nur ohne rheinischen, dafür aber mit fränkischem Humor.“