Zwiegespräch : „Das politische Klima hängt vom Thema ab“
Interview Simmerath Politisch waren sie zwar Konkurrenten, aber in der Sache oft nicht soweit voneinander entfernt. Mit SPD-Vertreter Siegfried Lauscher aus Rurberg und Ulrich Offermann (CDU) aus Kesternich ziehen sich zwei seit Jahrzehnten engagierte Volksvertreter aus der Simmerather Kommunalpolitik zurück: Ein Zwiegespräch.
Als Kommunalpolitiker waren sie über Jahrzehnte im Simmerather Gemeinderat feste Größen, haben Spuren hinterlassen und Akzente gesetzt. Sie standen nicht unbedingt gerne im Scheinwerferlicht und große Reden überließen sie den anderen, lieber arbeiteten sie verlässlich und solide im Hintergrund, und ihre Meinung ließen sie sich von niemanden vorschreiben.
Man darf Siegfried Lauscher (71) aus Rurberg und Ulrich Offermann aus Kesternich (72) ganz sicher als Urgesteine in der Simmerather Kommunalpolitik bezeichnen. Klar und eindeutig war auch die Entscheidung für beide Volksvertreter, bei der zurückliegenden Kommunalwahl im September nicht mehr anzutreten. In der abschließenden Sitzung des Forst- und Agrarausschusses, dem Offermann und Lauscher (letzterer elf Jahre als Vorsitzender) lange Zeit gemeinsam angehörten, würdigte Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns kurz die engagierte und konstruktive Arbeit der beiden ausscheidenden Kommunalpolitiker.
Ulrich Offermann gehörte dem Rat 30 Jahre an, die letzten sechs Jahre war er noch sachkundiger Bürger, außerdem war er 27 Jahre lang Ortsvorsteher in Kesternich. Siegfried Lauscher saß 26 Jahre im Rat, war zehn Jahre Mitglied des Kreistages und elf Jahre als sachkundiger Bürger im Städteregionstag. Unterschiede gibt es dennoch, denn Ulrich Offermann war CDU-Vertreter im Gemeinderat und ihm gegenüber im Simmerather Ratssaal saß Siegfried Lauscher in den Reihen der SPD.
Diese politischen Unterschiede machten sie in der Diskussion auch immer deutlich, aber die gegenseitige Wertschätzung litt nie darunter. Am Beginn eines neuen Lebensabschnittes ohne aktives Mitwirken in der Kommunalpolitik sitzen sich Siegfried Lauscher und Ulrich Offermann noch einmal gegenüber und sprechen mit unserem Mitarbeiter Peter Stollenwerk über alte und neue Zeiten. Dabei geht es, wie sollte es auch anders sein, lebhaft, engagiert und pointiert zu.
Waren Sie mit dem Ergebnis der Kommunalwahl 2020 in Simmerath zufrieden?
Siegfried Lauscher: Ich war nicht ganz zufrieden, aber viele Probleme waren hausgemacht.
Ulrich Offermann: Ich war sehr zufrieden, vor allem mit dem Ergebnis in Kesternich.
Und was sagen Sie zum überraschenden Ausgang der Bürgermeisterinnenwahl mit der Abwahl der Amtsinhaberin in der Nachbarkommune Monschau?
Lauscher: Da war ich platt. Mit diesem Ergebnis hätte ich nie gerechnet. Da ging es wohl um eine reine Persönlichkeitswahl.
Offermann: In Monschau hat die CDU grundsätzlich etwas gelitten. Dass Margareta Ritter aber in der Stichwahl abgewählt werden würde, war für mich unvorstellbar. Ich muss das nicht bewerten, aber die Einzelergebnisse in einigen Wahlbezirken waren schon sehr enttäuschend.
Sie haben sich im Simmerather Ratssaal immer gegenüber gesessen. Wie groß war die Distanz wirklich?
Lauscher: Ich habe mit Uli Offermann nie Probleme und nie Krach gehabt. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, aber das ist eben gelebte Demokratie.
Offermann: Ich habe ja nie soviel gesagt, habe mich aber auch nicht gescheut, kontra zu geben. Ich habe immer versucht, höflich zu bleiben. Siggi Lauscher ist fast wie ein Freund für mich. Ich hatte aber mit fast allen Ratsvertretern ein gutes Verhältnis. Das ist die Voraussetzung für gegenseitige Akzeptanz.
In welchen Punkten gingen Ihre Meinungen denn vollkommen auseinander?
Lauscher: Ich habe 2001 mal einen Antrag für die Errichtung einer Brücke über den Obersee ab Hannesauel gestellt, für die es 90 Prozent Zuschüsse gegeben hätte. Das ist von der CDU abgelehnt worden, wäre aber mit Blick auf den späteren Nationalpark Eifel eine tolle Sache gewesen. Um das durchzubringen, hätte ich in der CDU sein müssen.
Offermann: Bei der Diskussion um die Flüchtlingsunterkunft Langschoß war ich immer völlig anderer Meinung als die SPD. Ich habe nichts gegen den Ansatz, Flüchtlinge dezentral unterzubringen, Wer die Unterkunft aber nicht an diesem Platz haben möchte, muss eine Alternative aufzeigen. Diese habe ich bisher vermisst. Dennoch habe ich mir oft überlegt, was würdest Du sagen, wenn Du in der Opposition wärst.
Was wissen Sie am jeweils anderen zu schätzen?
Lauscher: Uli Offermann war immer offen und nie hinterlistig.
Offermann: Das kann ich für für Siggi Lauscher nur so erwidern.
Gibt es etwas, was sie an ihrem politischen Gegenüber so richtig stört?
Lauscher: Nichts.
Offermann: Nichts.
Wie würden Sie das aktuelle politische Klima im Gemeinderat beschreiben?
Lauscher: Das politische Klima im Rat hängt vor allem vom jeweiligen Thema ab. Insgesamt empfinde ich das Klima im Rat als gut.
Offermann: Das Klima im Rat ist gut, weil jeder mit jedem redet, auch außerhalb der Sitzungen. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass jeder Ratsvertreter zum Wohle der Gemeinde arbeitet.
Gab es Zeiten, in denen das Klima im Rat vergiftet war?
Lauscher: Diese Zeiten gab es, aber das lag häufig an Personen. Das war auch der Grund, warum ich damals in die Politik eingestiegen bin. Ich wollte gegenüber der CDU und dem damaligen Bürgermeister ein Gegengewicht setzen. Inzwischen aber ist der Umgang humaner geworden. Das Kirchturmdenken ist weniger geworden, aber noch nicht ganz verschwunden.
Offermann: Es gab Zeiten, da war der Umgang mit der Opposition nicht immer gut, weil früher auch der Fraktionszwang stärker war. Die stärkste Opposition aber gab es meistens in der eigenen Fraktion.
Welchen Politiker schätzen Sie am meisten und warum?
Lauscher: Angela Merkel hat in den vergangenen Jahren einen guten Job gemacht, aber das gilt in letzter Zeit auch für Olaf Scholz.
Offermann: Frau Merkel genießt meine höchste Wertschätzung. Es ist enorm, was diese Frau aushalten muss. Der Verkehrsminister hingegen ist für mich eine Katastrophe.
Gibt es langfristig betrachtet Entwicklungen in Simmerath, die Ihrer Meinung nach nicht in die richtige Richtung gelaufen sind?
Lauscher: Enttäuscht bin ich von der Entwicklung der Städteregion. Da sind die erhofften Synergie-Effekte nicht eingetreten. Simmerath hat sich zwar gut als Zentralort entwickelt, aber gleichzeitig bedaure ich den Verlust der dörflichen Strukturen. Es ist aber schwer zu sagen, ob die Politik dagegen steuern kann. Die Nicht-Ausweisung von Gewerbegebieten wäre sicherlich auch nicht die Lösung gewesen. Der ÖPNV aber muss unbedingt stärker ausgebaut werden.
Offermann: Der aktuelle ÖPNV in Simmerath ist wirklich ein Unding. Es ist ja kaum möglich, von Rurberg nach Kesternich zu gelangen. Die Entwicklung des Zentralortes Simmerath sehe ich sehr positiv.
Was kann eine Opposition bei klaren Mehrheitsverhältnissen, wie sie im Rat in Simmerath seit Jahrzehnten vorherrschen, eigentlich ausrichten?
Lauscher: Wenn ich zurückblicke, dann wurden früher grundsätzlich von der Mehrheit alle Anträge von der SPD abgelehnt. Das hat sich zum Glück verändert. Wenn dann Jahre später Anträge der SPD von der CDU aufgegriffen werden, ist das auch ein Erfolg. Man darf darüber nur nicht die Lust verlieren. Ich halte absolute Mehrheiten immer für schlecht, und mit den Grünen als Partner hat die CDU im Moment ja leichtes Spiel.
Offermann: Wer gute Ideen hat, kann auch etwas gestalten. Die Bereitschaft, über Vorschläge der SPD zu diskutieren, ist größer geworden. Wenn Anträge der SPD zu einem späteren Zeitpunkt aufgriffen werden, dann hat das auch damit zu tun, dass man in der Fraktion ja zunächst einmal die eigene Vorstellungen durchbringen möchte.
In welcher Form werden Sie zukünftig das aktuelle kommunalpolitische Geschehen in Simmerath verfolgen?
Lauscher: Ich werde Zeitung lesen. Wenn mich jemand fragt, gebe ich auch gerne einen Rat, Ich werde weiter meine Meinung sagen, aber nicht mehr aktiv ins Geschehen eingreifen.
Offermann: Je länger man aus dem Rat ist, umso weniger kann man mitreden. Wenn ich weiter mitreden wollte, dann hätte ich ja auch im Rat bleiben können. Ich werde mich also zurückhalten.
Was wünschen Sie dem neuen Gemeinderat und dem neuen Bürgermeister?
Lauscher: Gutes Gelingen im Interesse der Bürger der Gemeinde Simmerath sowie viel Glück und Erfolg.
Offermann: Eine gute Hand, um zum Wohl und zur Zufriedenheit der Bürger zu arbeiten. Es muss immer die Frage vorangestellt werden, was eine Sache dem Bürger bringt. Im übrigen kann man Ratsarbeit vorher nicht üben.