Nordeifel : Die neue Plage: Wildschweine werden in der Eifel zum Problem
Nordeifel Der Wildschweinbestand in der Eifel steigt immer weiter an, und die Tiere werden zunehmend zum Problem. Sie rücken immer näher an Wohngebiete heran, verwüsten Gärten und Ackerflächen und werden zum Risiko für Autofahrer.
In der dunklen Jahreszeit, wenn die Fahrt zur Arbeitsstelle — beziehungsweise von der Arbeitsstelle nach Hause — mit der Dämmerung zusammenfällt, komme es vermehrt zu Verkehrsunfällen durch Schwarzwild, schreibt die Kreisbauernschaft Aachen in einer Pressemitteilung. „Um Unfälle zu verhindern, muss der Wildschweinbestand dringend reduziert werden“, fordert deshalb der Vorsitzende der Kreisbauernschaft, Wilfried Jansen aus Lammersdorf.
Tisch ist ganzjährig gedeckt
Aktuell werde die Zahl der im Jahr 2017 in NRW erlegten Wildschweine von der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung auf 40.000 geschätzt. Im vergangenen Jahr habe die Zahl noch bei 39.000 gelegen. „Die Ursachen liegen auf der Hand. Der Winter von 2016 auf 2017 war besonders mild. Insgesamt werden die Winter immer wärmer. Die Wildschweine finden auch im Winter ein reichhaltiges Nahrungsangebot vor, so dass ideale Bedingungen zur Vermehrung der Tiere vorherrschen. Sie finden ganzjährig einen gedeckten Tisch vor“, hebt Jansen hervor.
Um sich gegen die Wildschweine zu schützen, könnten Landwirte Wildschutz- und Elektrozäune um ihre Felder ziehen. Allerdings sei die Einrichtung der Zäune sehr zeit- und kostenintensiv. „Tatsächlich hilft eine intensive Bejagung gegen einen zu hohen Wildschweinebestand am besten. Hier setzen wir Landwirte auf die gute Zusammenarbeit mit den Jägern“, erklärt Jansen. Vor allem müssten Anreize geschaffen werden, die nachfolgenden Wildschweingenerationen zu dezimieren.
Dass die Zahl der Wildschweine zu hoch ist und die Tiere stärker bejagt werden müssen, bestätigen auch Konrad Hecker, Leiter des Forstamtes Rureifel-Jülicher Börde, Bernd Roggenkamp, vereidigter Jagdaufseher bei der Kreisjägerschaft Aachen, und der Vorsitzende des Nabu-Kreisverbands Aachen-Land, Dr. Eike Lange.
Die Lebensbedingungen für die Tiere würden immer besser. Mindestens zwei milde Winter in Folge hätten zu einer Erhöhung des Bestandes von bis zu 300 Prozent geführt, erklärt Roggenkamp. Inzwischen würden die Wildschweine zu allen Jahreszeiten neue Frischlinge zur Welt bringen. „Durch die milden Winter findet keine natürliche Auslese mehr statt. Darauf muss reagiert werden“, sagt auch Dr. Lange. Mit Abschüssen allein sei das aber nicht zu schaffen. Die Tiere seien nachtaktiv, in der Dämmerung schlecht zu sehen und fast nur bei Vollmond zu bejagen.
Roggenkamp sieht das nicht anders. „Außer bei Mondlicht hat man im Wald auf legalem Weg kaum eine Chance, ein Wildschwein zu erlegen“, sagt er. Auch mit Blick auf den Tierschutz dürfe nur ein sicherer Schuss abgegeben werden, der direkt zum Tod des Tieres führt. Das sei unter diesen Umständen nur schwer möglich. Auf den Wiesen sehe es schon etwas anders aus, wenn dort noch etwas Restlicht der Ortschaften vorhanden sei.
Die Tiere seien aber auch äußerst lernfähig und intelligent und würden sich sehr schnell auf neue Situationen einstellen. Roggenkamp kritisiert, dass die Jäger auch durch das von der alten Landesregierung verabschiedete Jagdgesetz eingeschränkt worden seien. Demnach sei vom 15. Januar bis zum 1. August nur das Erlegen von Wildschweinen unter einem Jahr erlaubt gewesen. Seit dem Sommer sei diese Regelung aber nun außer Kraft.
Einig sind sich Roggenkamp, Hecker und Lange darin, dass die Ansitzjagd durch einzelne Jäger im vergleich zur Drückjagd wenig effektiv ist. „Das reicht nicht, um die Population zu vermindern“, sagt Hecker. Seiner Meinung nach müssten sich die Jäger der Aufgabe gemeinsam widmen und revierübergreifende Drückjagden ins Auge fassen. Die seien aber nicht einfach zu organisieren.
Das weiß auch Roggenkamp: „Das geht nur, wo es das Gelände zulässt. In der Nähe von Ortschaften und großen Straßen ist eine Drückjagd aus Sicherheitsgründen schwierig. Man kann es halt nicht überall machen.“ Eine Alternative sei der Einsatz von „Nachtsichtzieloptiken“, der aber verboten sei. „Wenn die Bestände so ansteigen, sollte man überlegen, ob der Einsatz zu bestimmten Zeiten nicht doch erlaubt wird“, fordert Roggenkamp.
Der Leiter des Forstamtes Rureifel-Jülicher Börde, Konrad Hecker, sieht vielfältige Ursachen für den Anstieg der Population. Der milde Winter spielt in seinen Augen dabei eher eine marginale Rolle. Die Wildschweine würden ganzjährig mehr als genug Nahrung vorfinden. Die Abstände zwischen den Jahren, in denen Eichen und Buchen Samen produzieren, würden kürzer, und in diesen Jahren gebe es auch mehr Frischlinge als in normalen Jahren. Aber auch die Landwirtschaft leiste, insbesondere durch den intensiven Maisanbau, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Vergrößerung der Wildschweinpopulation.
Das sehen Dr. Eike Lang und Bernd Roggenkamp, der ansonsten die gute Zusammenarbeit mit den Landwirten lobt, genauso. Die Deckung, die die Maisfelder den Tieren bieten, sei dabei aber entscheidender als das zusätzliche Nahrungsangebot, meint Dr. Lange. Er sieht hier vor allem die Energiepolitik in der Verantwortung. Diese schaffe Anreize für den Maisanbau, der meist nicht für Futterzwecke, sondern zur Gas- und Energieproduktion eingesetzt werde. Daher sei es den Landwirten nicht zu verdenken, wenn sie entsprechend handeln würden. „Das ist ein sehr komplexes Thema“, sagt er.
Ein weiterer Punkt, der zum Anstieg der Wildschweinpopulation beiträgt, ist für ihn und Hecker das so genannte Kirren. Dabei wird das Wild mit Futter an einen bestimmten Platz gelockt, um es leichter zu erlegen. „Das ganzjährige Kirren der Jäger ist auch nicht zu verachten“, betont Hecker. Die Tiere würden oftmals eher gefüttert als angelockt.
Dem widerspricht Roggenkamp. Das Kirren sei gesetzlich zugelassen und in Verordnungen sei genau geregelt, wie viel Köderfutter ausgebracht werden darf. Auch die Zahl solcher Stellen in einem Jagdrevier sei vorgeschrieben, sagt Roggenkamp. „Wir wollen die nicht füttern, sondern anlocken. Das ist auch wichtig, um zu Abschüssen zu kommen“, erklärt er.
Durch den großen Bestand an Wildschweinen steige auch das Risiko, dass die „Afrikanische Schweinepest“ verbreitet werde, schreibt die Kreisbauernschaft in ihrer Mitteilung. „Es wäre eine Katastrophe, wenn die Schweinpest in den Hausschweinbestand übertragen wird. Mit einer kleineren Wildschweinpopulation kann man das Risiko senken“, hält der Vorsitzende Wilfried Jansen fest.
„Die Schweinepest kommt aber nicht auf Wildschweinfüßen, sondern auf Rädern“, sagt Hecker. Die Ursache seien nicht die Wildschweine, vielmehr werde die Krankheit zum Beispiel durch Viehtransporte importiert. Wenn sie aber nach hier gelange, könne eine hohe Population auch zu einer hohen Infektionsrate führen.
„Die Schweinepest ist absolut tödlich und könnte auch zu uns durchdringen. Das würde die Bestände zwar dramatisch reduzieren, das Problem ist aber, dass sie auch die Hausschweine befallen würde. Dann hätten wir ein neues Fiasko“, erläutert Roggenkamp.
„Ob es gelingt, die Wildschweinpopulation einzudämmen, werden wir am Ende der Jagdsaison sehen“, sagt Hecker.