Kommentar zum Schneetourismus : Der Egoismus der anderen
Meinung Nordeifel Nach dem Chaos-Wochenende in der Eifel sind die Fronten zunehmend verhärtet. Schneetouristen gegen Einheimische: Beide Seiten werfen einander Egoismus vor. Dabei ist die Sache eigentlich ziemlich einfach.
In der Eifel liegen die Nerven blank: Der Strom von schneehungrigen Tagestouristen, die in einer schier endlosen Autoschlange über die Himmelsleiter schlichen, wollte am Wochenende einfach nicht abreißen. Die Menschen vor Ort fühlten sich überrollt: Während an den bekannten Hotspots teilweise das blanke Chaos herrschte, belagerten die Ausflügler zuletzt auch zunehmend die abgelegeneren, mit Schnee bedeckten Ortsteile von Simmerath und Monschau – mit ganz praktischen Folgen.
Denn wer selbst das Haus verlassen wollte oder musste, stand mit im Stau; oft über Stunden. Von den vielfachen Verstößen gegen Park- und Durchfahrtsverbote und den unschönen Hinterlassenschaften der Massen ganz zu schweigen. Und die bange Frage lautet: Wie soll das erst am kommenden Wochenende aussehen?
Nicht nur in den Sozialen Medien, auch vor Ort im realen Leben prallen die Fronten zunehmend hart aufeinander: Schneetouristen gegen Einheimische. Die einen wollen „doch nur mit den Kindern mal raus in den Schnee“. Schlitten fahren, einen Schneemann bauen. Was man halt so macht, wenn man nach mehrstündiger Anreise noch ein kleines Zeitfenster bis zum Anbruch der Dunkelheit hat.
Die anderen wollen im Grunde nur ihre Ruhe. Sie wollen nicht fremdbestimmt werden durch Tausende auswärtige Autofahrer, die das Fortkommen nahezu unmöglich machen und die Dörfer verstopfen. Schneetouristen halten Einheimische für egoistisch. Diese wollten die Natur und den Schnee für sich allein und seien kinderfeindlich, so ist zu lesen. „Sie gönnen den anderen nicht ihr Glück.“ Einheimische wiederum halten Schneetouristen für egoistisch. Diese seien rücksichtslos wie nie. Sie ignorierten rechtliche Vorgaben, die guten Sitten und auch die Corona-Schutzregeln. Damit gefährdeten Ausflügler letztlich sogar Menschenleben.
Wer liegt da falsch? Um es klar zu sagen: Es gibt kein Recht auf Schneevergnügen – sehr wohl aber das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Eigentum und in der Eifel nicht zuletzt auch das Recht und die Pflicht, die Natur zu schützen. Wenn Eltern mit dem Wohl ihrer Kinder argumentieren, sollten sie sich einmal fragen, welches Naturverständnis sie ihren Kindern in den vergangenen Tagen vorgelebt haben: Man sitzt stundenlang im Auto, um sich anschließend um Parkplätze zu balgen, Wiesen zu Matsch zu fahren, Müll zu hinterlassen und Tiere zu verscheuchen. Natur als Spielplatz – ein Trend, der sich im Coronavirus-Jahr verstärkt hat. Mit einer solchen Einstellung ist man allerdings besser in einem Freizeitpark aufgehoben. Ach ja, die sind doch geschlossen!
Ein gutes Stichwort: Die Belgier haben im Venn vorgemacht, wie es geht, indem sie die Durchfahrtsstraßen und Parkplätze zeitweise einfach gesperrt haben. Zugegeben: Dies ist ungleich simpler, als den Schneetourismus in der gesamten Nordeifel zu unterbinden. Man kann die Eifel schließlich nicht einfach abriegeln.
Für die kommenden Tage und vor allem Wochenenden muss daher ein neues Konzept her – im Idealfall eine Kombination aus örtlichen Betretungsverboten, großflächigen Parkverboten und noch stärkerem Kontrolldruck, auch mit Unterstützung der Polizei. Alles mit dem Ziel, die Fahrt in die Eifel so unattraktiv wie möglich zu machen.
Die Alternative zu solchen begrenzten Maßnahmen kann man demnächst wahrscheinlich in Thüringen bestaunen. Dort will die Landesregierung den Lockdown drastisch verschärfen, um den Schneetourismus in den Harz zu unterbinden. Menschen sollen sich nur noch in einem 15-Kilometer-Radius um ihr Zuhause bewegen dürfen. Der Preis für das bisschen Schneevergnügen kann also hoch sein: Am Ende leiden alle Menschen unter dem Egoismus einer Minderheit.