Eifel/Lammersdorf : Aus dem Nichts wieder ein Zuhause geschaffen
Eifel/Lammersdorf Das Szenario, auf behördliche Anordnung von heute auf morgen nur mit dem Nötigsten versehen Haus und Dorf verlassen zu müssen, um auf unabsehbare Zeit einige hundert Kilometer entfernt einquartiert zu werden, kann man sich heute nur schwer vorstellen.
Im Herbst 1944 war dies jedoch für viele Bewohner des Monschauer Landes harte Realität. Sie wurden evakuiert und mussten teilweise bis ans andere Ende Deutschlands flüchten.
Zerstörte Dörfer
Diese Situation aus dem damaligen Weltkriegsgeschehen wurde nun zum Ende des Projektes „Zeitreisen Eifel 44/45“ im Lammersdorfer Bauernmuseum von Heimatforscher H. Jürgen Siebertz im Rahmen einer Gesprächsrunde noch einmal in Erinnerung gerufen. Im Gespräch mit Menschen, welche die damaligen Ereignisse teilweise noch als Kind erlebt hatten, wurde eine Vielfalt von Erinnerungen und Emotionen aufgearbeitet. Hierbei wurde auch deutlich, dass Vieles in Vergessenheit geraten war, da jeder letztlich mit sich selbst beschäftigt war.
Anhand der von Siebertz gezeigten Fotos, die zerstörte Dörfer und Häuser sowie deren verzweifelte Bewohner zeigten, wurden in der Gesprächsrunde viele Erinnerungen geweckt. Dabei wurde auch deutlich, dass die Ereignisse von den Kindern ganz anders wahrgenommen wurden, als von den Erwachsenen.
Für die Kinder waren Evakuierung und die Rückkehr in zerbombte Dörfer mit total verschlammten Straßen letztlich eine Art Abenteuer, während die Erwachsenen die ganze Wucht der absoluten Verwüstung bewusst in sich aufnehmen mussten. H. Jürgen Siebertz hierzu: „Nicht nur die Heimat, sondern auch die Seelen der Menschen lagen in Trümmern“.
Eine breite Spur der Verwüstung hat das Monschauer Land auf Jahrzehnte gekennzeichnet. Der Ort Kommerscheidt wurde zu 100 Prozent zerstört, Vossenack, Kesternich und Schmidt zu mehr als 90 Prozent , Huppenbroich, Eicherscheid, Rollesbroich und Imgenbroich zu mehr als 80 Prozent, Simmerath, Konzen, Rohren und Höfen über 70 Prozent, Germeter und Dedenborn mehr als 60 Prozent und Steckenborn, Hammer und Strauch über 50 Prozent.
Die Landstraßen waren zu 94 Prozent zerstört, die Brücken zu 69 Prozent völlig oder teilweise gesprengt. Neben den Schäden an Häusern und Kirchen waren auch das Stromnetz und die Wasserversorgung zerstört worden. Der einst stolze Waldbestand des Kreises Monschau fiel zu einem großen Teil dem Krieg zum Opfer. Ferner wurden 12 Kirchen im Monschauer Land total zerstört und 12 weitere schwer beschädigt.
In der von Siebertz geleiteten Gesprächsrunde wurde eine Erklärung dafür gesucht, welche Kraft die Menschen damals angesichts der vor ihnen aus Steingeröll und verkohlten Balken liegenden Hausruine antrieb, einen Neuanfang zu wagen. Siebertz: „Wie war es möglich, in der Stunde Null nicht aufzugeben, sondern weiter zu machen? Welche Kraft hat die Menschen gesteuert, aus dem Nichts wieder ein Zuhause zu machen?“.
Reger Meinungsaustausch
Dem Heimatforscher, der seit kurzem auch Leiter des Museumspädagogischen Dienstes des Bauernmuseums in Lammersdorf ist, war es wichtig, die psychologische Situation der Betroffenen in vielfältiger Weise zu verdeutlichen. Hierzu fand ein reger Meinungsaustausch in der Remise des Lammersdorfer Bauernmuseums statt. Siebertz, der als Autor zahlreicher Bücher viele Erlebnisberichte von Heimgekehrten dokumentierte, erinnerte auch an einige Ereignisse aus der damaligen Zeit.
So konnten die Huppenbroicher, die in Vogelsang einquartiert waren, im April 1945 in Lammersdorf ihr Vieh abholen. Zum gleichen Zeitpunkt durften auch die Paustenbacher wieder nach Hause. Und im Mai 1945 durften die ersten Kalterherberger wieder in ihr Dorf zurück. Allerdings bestimmte auch der Hunger damals den Alltag.
H. Jürgen Siebertz am Ende der Veranstaltung: „Heute, 70 Jahre später, sind die materiellen Schäden von damals kaum noch sichtbar. In den Dörfern pulsiert das Leben, und eine Fülle von schmucken Neubauten sind die Zierde für jeden Ort. Das Monschauer Land mit seinen Bergen und Tälern, mit seinen Bächen und Stauseen ist als Urlaubsparadies bekannt und beliebt. Wer von den Besuchern ahnt schon, was sich hier zugetragen hat“.