Vorgezogener Kohleausstieg : Was das Rheinische Revier fordert
Elsdorf Die Gesellschafter der Zukunftsagentur Rheinisches Revier stellen ein Positionspapier mit elf Forderungen für die Region vor.
Eigentlich war schon mit dem Revierpakt, der im April dieses Jahres unterzeichnet worden war, inhaltlich alles gesagt. Die finanziellen Weichen waren ebenfalls gestellt: Bis zum Jahr 2038 sollen 14,8 Milliarden Euro für den Strukturwandel ins Rheinische Revier fließen. Aber dann kam der Regierungswechsel in Berlin.
Und von der Formulierung der Ampel im Koalitionspapier, der Kohleausstieg solle idealerweise bis zum Jahr 2030 vorgezogen werden, wurde die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR), die den Strukturwandelprozess koordinieren soll, „aufgeschreckt“, wie Jürgen Steinmetz, Geschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein am Mittwoch im Forum Terra Nova in Elsdorf sagte.
Er und weitere Vertreter der ZRR hatten sich dort versammelt, um ein an Bundes- und Landesregierung adressiertes Positionspapier mit elf Forderungen für die Region vorzustellen. Direkt an der Abbaukante des Tagebaus Hambach, also vor bedeutungsschwangerer Kulisse, wo der „Strukturwandel unmittelbar erlebbar“ werde, wie Städteregionsrat Tim Grüttemeier (CDU) sagte. Nicht nur die Gesellschafter der ZRR, zu denen unter anderem die betroffenen Kreise, Gewerkschaftsbünde und Handelskammern gehören, sondern auch die Anrainerkommunen selbst hatten das Dokument signiert.
Kurz zusammengefasst handelt es sich um ein „klares Signal aus der Region“, wie der Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Frank Rock, es formulierte. Im Kern werden neue Gesetze für beschleunigte Genehmigungsverfahren und mehr Mittel gefordert, die ausschließlich dem Strukturwandel vorbehalten sind und nicht – wie man zuletzt in Zusammenhang mit dem S-Bahn-Ausbauprojekt Westspange Köln gesehen hatte – in Maßnahmen umgeleitet werden, die eh schon geplant waren.
Akute Gefahr
Die Details: Den Kohleausstieg bis zum Jahr 2038 zu erreichen, sei schon „sehr schwer“ – ihn noch mal deutlich vorzuziehen, erfülle die Gesellschafter der ZRR „mit größter Sorge“, hieß es. Zehntausende Menschen drohten in den Braunkohlerevieren ihre Arbeit zu verlieren. Sollten nicht Sofortmaßnahmen ergriffen werden, bestehe akute Gefahr, dass diese Menschen ihr Vertrauen in Politik und Wirtschaft verlieren. Es gebe zwar viele gute Projekte, die aber ihre Wirkung erst zeitlich verzögert entfalteten, wie Grüttemeier weiter sagte.
Deshalb fordert die ZRR von Bund und Land, alles zu unternehmen, „damit die relevanten strukturpolitischen Prozesse, insbesondere der Fördermitteleinsatz und die planerischen Verfahren, vereinfacht und beschleunigt werden“. Das gelte auch für rechtliche Spielräume. Schnellstmögliche Klarheit sei da vonnöten. „Wir müssen mehr PS auf die Straße bringen“, sagte Steinmetz.
Unter anderem werden Sonderplanungs- und Sonderwirtschaftszonen gefordert: Die Entwicklung von Gewerbegebieten von der Planung bis zur Ansiedlung dauere mit durchschnittlich zehn Jahren deutlich zu lang, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Räumlich und zeitlich begrenzt müssen laut ZRR außerdem „die Rahmenbedingungen für fokussierte staatliche Beihilfen radikal vereinfacht werden“. Subventionen sollen also unbürokratisch und schnell fließen.
In dem Zusammenhang wird auch eine eigene Bundesförderrichtlinie gefordert. Exakte Summen wurden explizit nicht genannt. „Die Problemlösung liegt eher in anderen Bereichen“, befand Steinmetz. Fördermittel seien nur ein Element. Das Angebot an Flächen sei da, sie müssten aber auch schnell genehmigt werden, betonte Frank Rock. Die Regionalplanung müsse also über den Landesgesetzgeber vereinfacht werden. Am letzten Regionalplan wurde von 2009 bis 2018 gearbeitet. Diese Zeit hat das Rheinische Revier nicht.
Stromversorgung sicherstellen
Außerdem empfiehlt die ZRR, einen Teil der Subventionen „auf die hohe Kante zu legen“, wie Elsdorfs Bürgermeister Andreas Heller meinte. „Nicht alle Flächen stehen bis zum Jahr 2038 zur Verfügung.“ Gemeint ist nicht nur der Tagebau, sondern auch das Kraftwerk.
Das liefert das nächste Stichwort: Die Stromversorgung müsse sichergestellt werden, immerhin hat die Region den höchsten Anteil energieintensiver Betriebe in ganz Deutschland. Darunter Papierindustrie, Aluminium- und Stahlindustrie sowie Lebensmittelindustrie. Und das Revier-Wassersystem müsse über Jahrzehnte wiederhergestellt werden.
All diesen und weiteren Aufgaben seien die Kommunen und Kreise vor Ort nicht gewachsen. Sie benötigten personelle und finanzielle Unterstützung. „Es hilft nichts, wenn man die Planungsprozesse beschleunigt, man vor Ort aber keine Leute hat, die das umsetzen können“, sagte Heller.