Dürener Talk der Lions : Vom Gelegenheitsverkehr in deutschen Amtsstuben
Düren Im Rahmen der Lions-Kulturtage bot der „Dürener Talk“ äußerst kurzweilige Unterhaltung nach der Corona-Pause. Im Mittelpunkt standen dabei die Sprache und Geschichte Dürens.
Drei Jahre lang musste das beliebte Talk-Format ausfallen. Doch am Mittwochabend saßen wieder Dürener Köpfe beim „Dürener Talk“ auf der Bühne von Schloss Burgau. Zum ersten Mal nach der Corona-Pause hatte der Lions-Club Düren Marcodurum im Rahmen der Lions-Kulturtage seines Hilfswerkes wieder zum kurzweiligen Austausch eingeladen. Gäste waren der ehemalige Bürgermeister Paul Larue, der von Moderator Jürgen Roßkamp wahrlich nicht lange vorgestellt werden musste, sein Amtsnachfolger Frank Peter Ullrich, Karl Heinz Schumacher, der den Lesern unserer Zeitung besser als „Julius“ und „Herr Jedönsrat“ bekannt ist, und der englische Schauspieler und Regisseur Steve Hudson.
Moment, wie war das mit Dürener Köpfen gemeint? „Steve Hudson hat in Düren einen Steuerberater“, scherzte Moderator Roßkamp, doch mehr ins Gewicht falle, dass der Wahl-Kölner im vergangenen November das Memento-Konzert der Lions in der Marienkirche zur mahnenden Erinnerung an die Zerstörung der Stadt 1944 gestaltet hat. Roßkamp: „Das hat er so gut gemacht, dass er zu den Dürener Köpfen zählt.“
Doch wie kommt ein gebürtiger Londoner dazu, sich mit diesem Kapitel der Geschichte zu beschäftigen? Über die eigene Familie: „Mein Großonkel war Flieger, der über Deutschland abgeschossen wurde und in Gefangenschaft geriet.“ Bei der Auseinandersetzung mit dem Krieg habe er viele Perspektiven einfließen lassen. Die der Opfer, aber auch die Perspektive der Bomber-Piloten, für die jeder Einsatz ein Himmelfahrtskommando war. Hudson: „Das waren 18-, 19- und 20-Jährige, die in den Tod geschickt wurden.“
„Da wo heute St. Anna steht, geht es spätestens im achten Jahrhundert los“, ließ Talk-Gast Paul Larue vor dem Hintergrund der Zerstörung kurz die Geschichte der Stadt Revue passieren. Jahrhunderte Stadtgeschichte. „Das alles sank am 16. November 1944 in Schutt und Asche.“ Mut und Anerkennung gelte den Bewohnern, die den Mut hatten, den Wiederaufbau zu starten. Dabei ließ der Historiker nicht außen vor, dass während des Krieges auch die Dürener Industrie vom Einsatz von Zwangsarbeitern profitiert hatte und wie in anderen Städten die jüdische Bevölkerung in den Tod geschickt wurde.
Dass auch in seiner Arbeit viel Recherche steckt, berichtete Kolumnist Karl Heinz Schumacher. „Die Geschichten liegen auf der Straße“, beantwortete er die Frage, wie er seine Ideen entwickelt. Doch nach dem Aufheben der Geschichte müsse noch viel Arbeit und Zeit investiert werden, um aus der Idee eine ebenso „runde“, wie spitzfindige Geschichte werden zu lassen. Noch kniffliger werde es, wenn sich der „Herr Jedönsrat“ mit Blick auf Sprachkarten damit auseinandersetzen muss, welche Form des „Platt“ wohl die größte Schnittmenge hat. „Ich versuche daher, in Regiolekt zu schreiben“, sagte er.
In der Frage, wie wichtig die Pflege der Sprache ist, herrschte große Einigkeit zwischen dem „Herrn Jedönsrat“ und Steve Hudson. „Business-Englisch, das wir ja alle lernen sollen, ist der Tod für die Sprache Shakespeares. Das ist eine Sprache ohne Poesie“, betonte Hudson. An dieser Stelle hakte Karl-Heinz Schumacher mit einem Exkurs zum „Behördendeutsch“ ein und wollte von Paul Larue und Frank Peter Ullrich wissen, was eine bedarfsgesteuerte Fußgängerfurt sei, also eine Ampel. Oder ob Gelegenheitsverkehr etwas Unmoralisches sei. „Für Taxis und Mietwagen ist der Kreis zuständig“, fand Paul Larue eine äußerst humoristische Form, eine typisch behördendeutsche Antwort zu geben.
„Wieso wird man denn Bürgermeister, wenn man ein vernünftiges Beamtenleben hat“, wollte Jürgen Roßkamp von Frank-Peter Ulrich wissen, der 1989 seine Karriere beim Verfassungsschutz startete. Neben der Arbeit in den unterschiedlichen Amtsstuben seiner Karriere stand die Arbeit in der Politik. Als sich die Möglichkeit ergab, die beiden Linien von Verwaltungsarbeit und Politik zu vereinen, kandidierte er für das Amt des Bürgermeisters. Ulrich: „Nicht jeder Schritt in der Kommunalpolitik von mir war erfolgreich, aber man lernt auch aus Rückschlägen.“
„Es ist immer leicht, über Kommunalpolitik zu schimpfen“, gab Paul Larue zu bedenken, dass Kommunalpolitik immer ehrenamtlich meist neben einem Hauptberuf ausgeübt werde. Durchaus eine Belastung, die in seinem Fall dazu geführt habe, dass er sein Promotions-Projekt nicht beenden konnte. Als hauptamtlicher Bürgermeister war der Terminkalender von 1999 bis 2020 noch voller. „Nicht der Abschluss ist wichtig, aber allein die Beschäftigung damit bereitet mir sehr viel Freude“, berichtete der Ex-Bürgermeister von der wieder aufgenommenen Arbeit an der Dissertation über den römischen Geschichtsschreiber und Politiker Tacitus. „Ich tauche 2000 Jahre in die Geschichte ein, um festzustellen, dass die Leute von ähnlichen Sorgen geplagt wurden“, scherzte Larue.