Krankenhaus Düren : Video holt Blasenschwäche aus der Tabuzone
Düren Viele Menschen sind von Blasenschwäche betroffen, nur sprechen wollen sie darüber nicht. Aus Scham. Das Krankenhaus Düren veröffentlichte nun ein Video zu dem Thema und machte dabei überraschende Erfahrungen.
Genaue Zahlen, wie viele Menschen nachts immer mehrfach die Toilette aufsuchen müssen oder in bestimmten Situationen das Wasser nicht halten können, bestehen nicht. „Etwa sieben Millionen Frauen leiden nach Schätzungen unter Blasenschwäche in Deutschland“, sagt der Facharzt für Urologie am Krankenhaus Düren, Dr. Guido Breuer. Die Betroffenen schweigen oft darüber. Mit einem Video über dieses Tabuthema in der eigenen Reihe „Medizin hautnah“ konnte die Dürener Einrichtung die Hemmschwelle für viele senken.
Grundsätzlich sind Veröffentlichungen in digitalen Kanälen für Krankenhäuser wie für andere Unternehmen auch schlichtweg Werbung. Der Kommunikationsleiter des Krankenhauses Düren, Christoph Lammertz, macht keinen Hehl daraus, dass dies durchaus ein Ziel des Videos ist. „Aber wir sehen uns als kommunales Krankenhaus auch in der Pflicht, Gesundheitsthemen zu setzen und medizinische Aufklärung zu betreiben“, sagt er.
Vor der Pandemie geschah dies mit Präsenzveranstaltungen im Haus zu unterschiedlichen Themen. „Die Resonanz war immer groß“, sagt Lammertz. Mehr als 100 Interessierte pro Veranstaltung waren üblich. Mit Corona und dem damit verbundenen Lockdown gerieten digitale Kanäle immer mehr in den Fokus. Und damit auch die Möglichkeit, einen Film zu drehen und auf Youtube, Facebook , Instagram und der eigenen Homepage zu veröffentlichen. So ersetzte nicht nur das Krankenhaus Düren die Kreißsaalführung mit einem Kamerarundgang, sondern auch das St.-Marien-Hospital in Birkesdorf mit vierstelligen Aufrufzahlen.

Beim Thema Blasenschwäche stellte sich der digitale Weg sogar als großer Vorteil heraus, der sich allerdings erst nach der Veröffentlichung offenbarte. Dem Dialog im Studio folgte eine Telefonaktion, bei der man direkt mit Dr. Breuer sprechen konnte. Binnen 110 Minuten führte er 36 Telefonate. Da offensichtlich noch Bedarf bestand, fand eine Woche später das gleiche Angebot mit der gleichen Zahl an Telefonaten statt.
Wie schwierig das Gespräch über die Blasenschwäche für Betroffene ist, zeigte sich an einigen Stellen. „Einmal nannte mir die Dame erst einen falschen Namen und meinte nachher, dass sie nach der netten Unterhaltung nun ihren richtigen Namen preisgeben wolle“, schildert Dr. Guido Breuer. Die Menschen leiden oft schon lange darunter, dass sich die Blase unkontrolliert entleert. „Manchmal haben auch schon Operationen stattgefunden, die nicht zum Erfolg geführt haben“, sagt er. Dass die Blasenschwäche allerdings eben nicht der Normalzustand sei, mache er in den Gesprächen deutlich.
Im Juli wurde das Video veröffentlicht, im dritten Quartal nahm die Zahl der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus zu diesem Thema um 103 zu. Allein 56 Betroffene seien aufgrund des Videos in die Sprechstunde gekommen. „Manche nehmen dafür bis zu 200 Kilometer Anfahrt in Kauf“, sagt der leitende Oberarzt.
Aufgrund dieser Zahlen lässt sich betriebswirtschaftlich begründen, warum sich ein aufwendig produziertes Video im Netz für das Krankenhaus lohnt. Und die Reihe soll fortgesetzt werden, wie Lammertz verrät. Allerdings nicht nur zu Tabuthemen, schließlich wolle man auch zeigen, welche Kompetenzen und Möglichkeiten am Krankenhaus bestehen. Allerdings erreicht man aufgrund der Reichweite mit Youtube, Instagram, Facebook und Twitter eben nicht nur Menschen im unmittelbaren Umfeld, die sich für ein medizinisches Thema interessieren, sondern auch in der Ferne.