Mitarbeiter stellen Anzeige wegen Überlastung : Steigende Zahlen und Software-Probleme bei der Job-com
Kreis Düren Geflüchtete aus der Ukraine, steigende Fallzahlen, Bürgergeld und Wohngeldreform – die Liste der Aufgaben für die Job-com wird länger und länger. Jetzt haben die Mitarbeiter eine Überlastungsanzeige gestellt.
„Ich bitte um Unterstützung der Öffentlichkeit, da ich mir keinen anderen Ausweg mehr weiß.“ Mit diesen Worten beginnt ein anonymes Schreiben an unsere Redaktion. Verfasst von einem mutmaßlichen Teammitglied der Job-com, also jener Behörde, die den Lebensunterhalt für etwa 23.000 Menschen im Kreis sichert. Inhalt der Zeilen: der Arbeitsdruck und die Arbeitsumstände, die letztlich zu einer Belastungsanzeige der Mitarbeiter führten.
Dass diese Anzeige seit einigen Wochen vorliegt, wird auch vom Personalrat des Kreises bestätigt. Dessen Vorsitzender Jens Rosenbohm arbeitete selbst 15 Jahre bei der Job-com und kennt die Arbeitsabläufe dort. „Wir sind im engen Austausch mit den Mitarbeitern und der Amtsleitung“, berichtet er. Die Überlastungsanzeige macht nicht nur schriftlich deutlich, dass die Arbeit unter den aktuellen Umständen nicht zu leisten ist, sondern dient auch dem Selbstschutz. „Durch Überlastung gemachte Fehler haben keine Konsequenzen für die Mitarbeiter“, schildert Rosenbohm. Ausgenommen sind natürlich grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz.
Die Ursachen für die Überlastung der etwa 300 Mitarbeiter in der Job-com sind allerdings auch hausgemacht, wie der Personalratsvorsitzende einräumt. Konkret erweist sich die fortschreitende Digitalisierung als zusätzlicher Hemmschuh. Der Aufruf einer digitalen Akte sei mit einer 15-minütigen Wartezeit verbunden, heißt es in dem Schreiben, zudem sei die verwendete Software extrem fehlerhaft.
Dies bestätigt Job-com-Leiter Karl-Josef Cranen: „Wir haben seit Monaten mit Performance-Problemen der digitalen Technik und Programmabstürzen zu kämpfen.“ Ein Update im Februar habe die Situation verschärft und die Behörde nahezu lahmgelegt. Dass dies für Unmut in der Belegschaft führe und die „Nerven blank liegen“, stoße bei ihm auf Verständnis. „Wir sind allerdings abhängig von den IT-Firmen und können nur mit Nachdruck auf die Missstände hinweisen“, beklagt er.
Auch ohne die massiven digitalen Probleme ist der Druck auf die Jobcenter enorm. Cranen spricht davon, dass man sich seit Anfang 2020 unentwegt im Krisenmodus befinde: „Die Leute arbeiten seitdem am Anschlag.“ Erst Corona, dann der Ukrainekrieg mit Hunderten Geflüchteten, die Gesetzesänderungen im Bürger- und Wohngeld, steigende Fallzahlen – die Aufgaben sind in den vergangenen Jahren gewachsen. Bei gleichbleibendem Personalstand.
Damit untermauert der Leiter des kommunalen Jobcenters für den Kreis Düren einige Aspekte aus dem anonymen Schreiben an die Redaktion. Allerdings nicht in allen: Darin wird geschildert, dass man als Angestellter verschlissen werde, Kollegen täglich weinend zusammenbrechen würden und der Kreis zu Lasten der Gesundheit der Mitarbeiter spare. „Die Kunden rufen an, beschimpfen uns als faul, Nazis, dumm oder Arschlöcher“, heißt es zudem. Zudem schreibe man keine Überstunden auf, weil bei der Arbeitsbelastung kein Freizeitausgleich möglich sei.
In diesen Punkten widerspricht Cranen ausdrücklich: „Ich bin stolz auf unser hochmotiviertes und krisenerprobtes Team.“ Es herrsche ein gutes Arbeitsklima, was sich auch in der geringen Fluktuation der Belegschaft widerspiegele. Auch der Krankenstand sei nicht höher als in anderen Behörden. Rückendeckung bekommt er vom Personalrat: „Es findet dort eine hohe Wertschätzung für das Geleistete statt“, sagt Jens Rosenbohm. Auch die Krankenstatistik sei nicht ungewöhnlich.
Einigkeit herrscht darüber, dass die derzeitige Belastung reduziert werden muss. Sprich: Die Job-com benötigt mehr Personal. „Wenn der Gesetzgeber mit dem Bürgergeld richtungsweisende Entscheidungen trifft, dann muss er uns im zweiten Schritt auch in die Lage versetzen, diese umzusetzen“, fordert Cranen, „was nutzen uns die schönsten Gesetze, wenn sie nicht finanziert werden.“ Finanziert werden die Jobcenter aus Bundesmitteln. Um 200.000 Euro stockte Berlin Anfang des Jahres den Etat für den Kreis Düren auf. Angesichts der erwarteten Tariferhöhung wird in den Augen der Dürener Behördenleitung von dieser Summe nicht mehr viel übrigbleiben.
Es werden jedoch auch positive Signale aus der Job-com gesendet. Laut Cranen läuft die Software nach einem erneuten Update seit einigen Tagen schnell und stabil. Auch mancher befürchtete Ansturm wie der beim Wohngeld blieb aus. An der grundsätzlich hohen Belastung ändert dies jedoch nichts, daraus macht der Behördenleiter keinen Hehl. Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass er und Martina Forkel als Doppelspitze der Job-com immer wieder Appelle an die verantwortlichen Politiker richteten. Ergebnis: „Bisher konnten wir keine einzige Stelle mehr aufstocken“, resümiert Cranen.
Übrigens: Deutliche Folgen für die Leistungsbezieher, den Kunden der Job-com, habe es bisher laut Cranen nicht gegeben.