Streit um den Braunkohleabbau : SPD will „Ende Gelände“-Protestcamp verhindern
Niederzier Mit Blick auf das von der Anti-Braunkohle-Bewegung „Ende Gelände“ vom 25. bis 29. Oktober in der Gemeinde Niederzier geplante Protestcamp mit mehr als 2000 Teilnehmern ruft die Niederzierer SPD alle gesellschaftlichen Gruppen zum bürgerlichen Widerstand auf.
„Wir haben große Sorgen, dass Niederzier zum zweiten Wackersdorf wird“, spricht die Ortsvereinsvorsitzende Marion Wynands Klartext. Schon im Sommer 2015 hatte die Ende-Gelände-Bewegung für Aufsehen gesorgt, als Hunderte in weiße Anzüge gehüllte Aktivisten den Tagebau Garzweiler gestürmt hatten.
Diesmal kündigt die Bewegung an, mit Tausenden Aktivisten die Kohle-Infrastruktur rund um den Tagebau Hambach blockieren zu wollen. „Wir werden nicht hinnehmen, dass der Ökomob alle Gesetze aushebelt, um hier bei uns Randale machen zu können“, betonen Wynands und der SPD-Fraktionsvorsitzende Johannes Komp. „Wir rufen über alle Parteigrenzen hinweg dazu auf, alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Camp zu verhindern.“
Enttäuscht sind die Niederzierer Genossen von der Politik in Berlin und Düsseldorf: „Wir fühlen uns seit dem vom Oberverwaltungsgericht Münster verhängten Rodungsstopp im Hambacher Forst von der Bundes- und Landesregierung, aber auch von den direkt gewählten Abgeordneten aus dem Kreis Düren im Stich gelassen“, erklärt Komp. Dabei denkt er auch und vor allem an die Beschäftigten von RWE, von denen viele in den Anrainerkommunen leben. „Wir stellen uns an die Seite des Tagebaubetreibers, der Beschäftigten und der IG BCE.“
Dass der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung kommen werde, sei unbestritten, aber er müsse geordnet und sozialverträglich erfolgen, um Strukturbrüche zu vermeiden, betonen Wynands und Komp, die Bürgermeister Hermann Heuser (SPD) an ihrer Seite wissen. Der hatte schon in der vergangenen Woche versucht, die Ruraue zwischen Huchem-Stammeln und Merken als Ort des Protestcamps zu verhindern. Mittlerweile ist bekannt geworden, dass auch den Städten Jülich und Bergheim Anfragen von „Ende Gelände“ vorliegen. Sein mit Jülichs Bürgermeister Axel Fuchs abgestimmter Vorschlag, das Gelände des ehemaligen Flüchtlingscamps auf der Merscher Höhe zur Verfügung zu stellen, sei von der Bezirksregierung Köln abgelehnt worden, berichtet Heuser.
Nicht zuletzt deshalb scheinen sich die Braunkohlegegner wieder auf das Gebiet der Gemeinde Niederzier zu fokussieren. Heuser musste gegenüber dem für die Genehmigung zuständigen Polizeipräsidium Aachen eine Stellungnahme zu sieben weiteren Flächen im Gemeindegebiet abgeben, unter anderem auch zum Freizeitpark in Niederzier. Das aber wäre mit großen Veranstaltungs- und Hunderten Campingzelten aus Sicht der SPD das nächste Horror-Szenario. Schließlich liegt das sieben Hektar große Areal nicht nur in unmittelbarer Nähe zu einer Kita, die den Park als Spielplatz nutzt, sondern auch zu Wohngebieten, in denen zahlreiche RWE-Beschäftigte wohnen. Konflikte wären damit programmiert, betonen die Genossen.
Heuser ist im Übrigen weiterhin überzeugt, dass das hohe Gut der grundgesetzlich verankerten Versammlungsfreiheit im Fall des Protestcamp nicht greift. „Wir sehen in dem angemeldeten Camp keine Versammlung, die vom Versammlungsrecht gedeckt ist, sondern nur eine reine Schlafstätte“, betont Heuser, der große Sicherheitsbedenken hat und den sozialen Frieden in seiner Gemeinde gefährdet sieht.
Sollte der Aachener Polizeipräsident zu einer anderen Auffassung kommen und das Protestcamp in der Gemeinde Niederzier, ganz egal ob in den Rurauen oder im Freizeitpark, genehmigen, will der Bürgermeister mit einem kurzfristig einzuholenden Votum des Gemeinderates gerichtlich gegen eine etwaige Genehmigung vorgehen.
Auf Nachfrage erklärte eine Sprecherin der Aachener Polizei am Dienstag, dass noch keine Entscheidung zu einem Veranstaltungsort für das Protestcamp gefallen sei. Die Behörde führe immer noch Kooperationsgespräche.