Lebenswerk : Ensemble Priamos spielt Werke von Johann Sebastian Bach
Düren „Hören, spielen, lieben, verehren und — das Maul halten!“, entfuhr es Albert Einstein 1928, als er von der „Illustrierten Wochenzeitschrift“ gefragt wurde, was er zu Johann Sebastian Bachs Lebenswerk zu sagen habe.
Das berühmte Zitat um die Liebe zur und Wertschätzung für Bachs exzellente Musik machte das Priamos-Ensemble zum Titel eines Programms, in dem Werke von Bach auf Texte über den berühmten Komponisten und dessen drei Jahrhunderte währenden Einfluss auf die kulturelle Entwicklung treffen.
Am Montagabend waren die Mitglieder des Ensembles damit zu Gast in der Kulturfabrik Becker & Funck, im Rahmen der Konzertreihe „TonSpuren“ und vor rund 100 Zuhörern. Der Essener Barockoboist Peter Wuttke wurde von Christoph Scholz an der Orgel begleitet. Die Texte sprach Schauspielerin und Altistin Natalie Hüskens. Wuttke hatte zuvor Orgeltrios und Sinfonien Bachs gewählt, um sie für die Oboe zu arrangieren. Bach selbst hat dem Instrument zwar viele Solos, nicht aber eigene Sonaten gewidmet.
Wuttke, der das Priamos-Ensemble mit dem Ziel gegründet hat, verborgene Schätze der Kammermusikliteratur mit dem Instrument Oboe zu finden oder zu editieren, brillierte in Düren in kleiner, hervorragender Besetzung, die an einen Kammermusikabend im Hause Einstein erinnerte. Der berühmte Physiker und Nobelpreisträger war nämlich ebenfalls ein passionierter und talentierter Geigenspieler und seine Kammermusikabende waren überaus beliebt.
Die eindringlichste Episode, die Natalie Hüskens vortrug, war dann auch die des amerikanischen Autors Jerome Weidman, der in jungen Jahren bei einem Kammerkonzert auf Albert Einstein traf. Der junge Autor gab ihm gegenüber zu, nichts über Bach zu wissen und kein musikalisches Gehör zu besitzen, was Einstein bestürzte und ihn dazu veranlasste, dem jungen Mann eine Lektion in Musikgeschichte und Gehörbildung zukommen zu lassen. Im Arbeitszimmer des Gastgebers tasteten sich die beiden unter Einsteins Anleitung von einfachen Melodien Bing Crosbys über John McCormacks „The Trumpeter“ bis hin zu Arien Enrico Carusos vor, wobei Einstein Weidman aufforderte, die Melodien mitzusingen oder zu summen.
Als die beiden schließlich bei komplexer Instrumentalmusik angekommen waren, befand Einstein: „Jetzt sind wir bereit für Bach!“ Und tatsächlich konnte Weidman im Anschluss an diese Unterrichtsstunde, in der er langsam zum Hören ermuntert und ermächtigt wurde, zum ersten Mal Bachs Werk „Schafe können sicher weiden“ wertschätzen.
Die Zeitgenossen Bachs hätten über seine Arbeiten oft auch kritisch geurteilt, erzählte Hüskens, so wie der Musikkritiker Johann Adolf Scheibe, der Bach dafür kritisiert habe, dass seine Musik eine Hauptstimme vermissen lasse. Die Lyrikerin Rose Ausländer habe Bachs Musik dagegen verehrt, ebenso wie der französische Komponist Claude Debussy.
Texte und Musik im Wechsel sorgten für einen kurzweiligen und lehrreichen Abend in der Kulturfabrik. Wuttke und Scholz, beide Virtuosen ihres Faches, überzeugten mit absoluter Präzision, Hüskens schaffte es in ihrem Vortrag, die Texte der unterschiedlichsten Autoren zum Leben zu erwecken.
Peter Wuttke, der das Konzept für den Abend entworfen hat, studierte moderne Oboe und Barockoboe. Er ist Solooboist der Chursächsischen Philharmonie und Mitglied des Ensemble 1704 (Prag), gastiert bei vielen Orchestern der Alten Musik-Szene. Christoph Scholz ist als Kantor in Krefeld tätig. Außerdem leitet er den Chor Cantate Krefeld, das Ensemble für Alte Musike Capella 94 und den Madrigalchor Dinslaken. Natalie Hüskens schloss ein Musik- und Germanistikstudium an der Musikhochschule und der Universität zu Köln ab.