Detailreich und etwas gruselig : Das Burgenmuseum auf Burg Nideggen wird 40 Jahre alt
Nideggen Das hatte sich der Erzbischof von Köln sicher anders vorstellt. Aber statt eines ehrenvollen Sieges über seine Feinde saß Konrad von Hochstaden nun im Verlies der Burg Nideggen in der Gewalt des Grafen von Jülich.
Wilhelm IV. Konrad war eine wichtige Person im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Wichtig war er weniger für die Kirche als für die weltliche Macht. Zwar erreichte sein Wirken einen Tiefpunkt mit der Niederlage in der Schlacht bei Lechenich, welche ihn von Februar bis November 1242 in Gefangenschaft brachte.
Am Allerseelentag 1242 wurde ein Friedensvertrag zwischen den beiden Kontrahenten geschlossen. Demnach verpflichtete sich der Erzbischof von Köln, den Grafen und sein Land vom Kirchenbann zu befreien, Frieden zu halten und keine Burgen zu bauen, die dem Grafen von Jülich schaden konnten. Außerdem musste Konrad ein hohes Lösegeld bezahlen. Im Gerichtsaal gibt es eine Öffnung im Boden, die einen Blick in den Kerkerraum erlaubt.
Schon diese kurze, aber wichtige Episode mag die Bedeutung von Burg Nideggen beleuchten. Die Burg wurde im 12. Jahrhundert als Wohnsitz der Grafen von Jülich erbaut. Nachdem der Bergfried als erstes Gebäude der Burg zwischen 1177 und 1190 fertig gestellt worden war, folgten das Haupttor, die Wehrmauer, der Brunnen sowie der doppelstöckige Palast. Ihre kulturelle Blütezeit erlebte die Burg im 13. und 14. Jahrhundert. Unter Kaiser Karl V. wurde sie zerstört. Wieder aufgebaut wiederholte sich dies unter dem französischen König Ludwig XIV.
Gruseliger Start
Ein Erdbeben 1878 sorgte zusätzlich für starke Beschädigungen, doch ab 1902 wurde Burg Nideggen wieder aufgebaut und ab 1922 als Heimatmuseum genutzt. Nach ihrer erneuten Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde die Burg abermals ab Mitte der 1950er Jahre wieder instand gesetzt und beherbergt seit 1979 im Bergfried das Burgenmuseum, das seine Besucher mit viel Liebe zum Detail in die Zeit der Ritter und der feudalen Feste eintauchen lässt. In diesem Jahr feiert das Museum sein 40-jähriges Bestehen.
Der Rundgang durch das Museum beginnt eher gruselig im Gerichtssaal. Denn die Grafen waren auch oberste Richter. Da gibt es die Erklärung etwa zum Sprichwort „den Stab brechen“: Bei der Gerichtsverhandlung wurde vom Richter über den zu Tode verurteilten ein Holzstab zerbrochen. Makaber ist ein etwa kühlschrankgroßer Käfig.
Der Erklärung zufolge wurden Verurteilte und Hingerichtete oft in einem solchen geschmiedeten Käfig eingesperrt und zur Abschreckung öffentlich zur Schau gestellt. Nach einer alten Sage soll der als blutrünstig und grausam bekannte Graf Wilhelm II. von Jülich (gestorben 1207) seine Gemahlin Alveradis von Molbach im heißen Sommer in einen solchen Käfig gesperrt haben. Zuvor hatte er sie mit Honig bestreichen lassen. Man ahnt es: Bienen und Wespen peinigten sie zu Tode.
Über drei Stockwerke des ehemaligen Wohnturms geht die Reise ins Zeitalter der Ritter. Schaukästen zeigen das Werden eines jungen Mannes über die Eingangsstufe als Page und den Knappen zum Ritter. Dessen Waffen werden gezeigt: Armbrust und Morgenstern, verschiedene Schwerter. Sein Kettenhemd gibt einen Eindruck auch von den Gewichten, die ein Mann im Kampf tragen musste.
An anderer Stelle wird über das damalige Handwerk informiert: Hirten, deren Schafe Wolle, Imker, deren Bienen Honig liefern. Holzbearbeitungswerkzeug für Tischler und Zimmerleute, Keramik und Schuhwerk. Die Vitrinen sind reich bestückt, teils mit Originalen, teils mit Repliken. Wie zeitlos eine Brille sein kann, zeigt eine „Nietbrille“. Deren Name rührt daher, dass eine Niete zwei Einglasbrillen zusammenhält. Das „Gestell“ ist aus Holz oder Horn gefertigt, inzwischen wieder modische Werkstoffe geworden.
Zeitgemäß auch die Bezeichnung einer Wachstafel als „Ritters Laptop“. Auf einem Brett aus Buchen- oder Pinienholz gibt es eine Vertiefung, auf dem Brett sind Rillen, die eine bessere Haftung des Wachses garantieren. Nicht nur die Herrschaft und Priester nutzten solche Wachstafeln, sondern auch Händler, die ihren Kunden die Preise aufzeichnen wollten.
Blick über die Eifeltäler
Vielfältig sind die Instrumente, die beim Gottesdienst, vor allem aber bei den gesellschaftlichen Ereignissen auf der Burg einen festlichen Rahmen gaben: eine Art Tambourin, eine Harfe, eine Cornamuse, mit einer Flöte vergleichbar, oder eine Drehleier. Schön wäre es, könnte der Besucher diese Instrumente auch hören. Spiele gab es auch schon: das aus Ägypten stammende Alquerque war der Vorläufer unserer Dame- oder Mühlespiele. Das Freiburger Tric-Trac-Spiel mit zwei Würfeln und 31 Spielsteinen ist mit dem heutigen Backgammon verwandt.
Im obersten Stockwerk – die Burg ist nicht barrierefrei – gibt es verschiedene Modelle von Burgen im Ideal- und im Belagerungszustand. Das größte Modell zeigt die Burg Nideggen bei der Zerstörung durch belagernde Truppen.
Eine besondere Faszination bergen die Tausenden Zinnfiguren aus der Sammlung von Joachim-Albrecht Bülow von Dennewitz. So wird mit diesen Figuren etwa die Schlacht bei Murten 1476 nachgestellt, bei der die Schweizer das deutlich besser ausgestattete Heer von Karl dem Kühnen trotz Unterzahl entscheidend besiegten. Andere Schaubilder und Einzelpräsentationen geben einen kleinen, aber sehr plastischen Einblick in die damalige Kleidung und Bewaffnung der Kriegsteilnehmer.
Das oberste Stockwerk bietet zwei Attraktionen: durch die zahlreichen Fenster einen Blick über die Eifeltäler und den Ort Nideggen. Und einen Stand, der den Salzhandel im Mittelalter anschaulich macht. Wer die Schubladen der Truhen öffnet, erhält beispielsweise Einblicke über die Handelswege der Salze, die Seefahrt und Kontore, die Salze im Alltag, die Mythen rund um das Salz sowie die verschiedenen Salzarten.
Vom Museumseingang führen schließlich 35 steile Stufen in die Kapelle. Sie wird heute für standesamtliche Trauungen angeboten. Von hier gibt es einen Durchgang zu dem eingangs erwähnten Verließ. Das ist erstaunlich geräumig, auch wenn sicher niemand mit dem Delinquenten hätte tauschen wollte. Für den hier über neun Monate inhaftierten Erzbischof zeigte sich der Graf gnädig und ließ die Mauer zur benachbarten Kapelle durchbrechen, damit der hohe Geistliche wenigstens einen Blick auf den Altar werfen konnte. Nach der „Entlassung“ des Erzbischofs wurde dieser Durchbruch auch sofort wieder zugemauert.
Der Blick in den Burghof zeigt das ganze Ausmaß der Burg. Der Palas hatte zwei Etagen und war mit 61 Metern Länge und 16 Metern Breite der größte Saalbau auf einer deutschen Burg des 14. Jahrhunderts. Lediglich eine Fensterwand ist erhalten und eine der Mittelsäulen.
Auf dem Rückweg in die Altstadt lohnt ein Blick in die St. Johann Baptist Kirche. Der romanische Bau zeigt in der Apsis ein Fresko aus dem Jahre 1240. Es gilt als die älteste Wandmalerei nördlich der Alpen. Und für Besucher aus Aachen verdient das Sandsteingrabmal gleich links am Eingang Aufmerksamkeit: Hier war neben seiner Gemahlin Ricarda der Jülicher Graf Wilhelm IV. begraben.
Der Sage nach war er bei dem Versuch, 1278 in Aachen Steuern für den Kaiser einzutreiben, von einem Schmied erschlagen worden. Die sterblichen Überreste werden heute an einem anderen Ort aufbewahrt, die Figuren sind deshalb etwas angegriffen, weil das Grabmal zunächst vor dem Altar als Grabplatte eingerichtet war. Der weiche Sandstein hat merklich gelitten.