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Außergewöhnlicher Antrag: Zugang zu virtuellen Welten in 3D

Außergewöhnlicher Antrag : Zugang zu virtuellen Welten in 3D

Das wird knapp, konnte man als Beobachter meinen, nachdem Marcel Haha seinen Antrag auf Zugang zu virtuellen Welten für die Jugendarbeit vorgestellt hatte. Das Echo der Politik fiel im Ausschuss für Soziales, Schule, Sport und Kultur (ASSSK) recht verhalten bis kritisch aus.

Haha wollte grünes Licht für die Anschaffung von VR-Brillen – VR: virtual reality. Die Brillen ermöglichen es dem Nutzer, sich in dreidimensional simulierte Räume zu begeben und sich in ihnen zu bewegen: ins All zu fliegen, auf den Meeresgrund zu tauchen, aber auch komplexe mathematische Fragestellungen bei mangelnder räumlicher Vorstellungsgabe zu begreifen oder eine virtuelle Stadt zu bauen. In der Industrie oder in der Stadtplanung ist das derzeit die Spitze der digitalen Möglichkeiten. Aber für die Jugendarbeit in Merzenich zu hoch gegriffen? Immerhin sollen laut Haha zwei Brillen, Computer mit kompletter Hard- und Software an die 10.000 Euro kosten. Kein Pappenstiel also.

Haha ist seit August vergangenen Jahres Sozialarbeiter bei der Gemeinde Merzenich, nachdem seine Vorgängerin ein halbes Jahr zuvor aufgehört hatte. Diese Lücke und die Pandemie, so Haha, hätten dazu geführt, dass derzeit überhaupt keine Jugendlichen mehr den Treff im Zentrum Merzenichs aufsuchten. Neue Anreize müssten her. Mit Kicker und Internet-Café könne man heutzutage niemanden dieser Altersklasse hinter dem Ofen hervorlocken – das sah auch Sebastian Böttcher, in der Gemeindeverwaltung für Soziales zuständig und früher nach eigenem Bekunden selbst Nutzer des Jugendtreffs, so. Ob VR aber die Lösung des Problems ist, daran hatte manch einer Zweifel.

Haha erklärte seinen Denkansatz in einer kleinen Präsentation: „Man braucht einen Wow-Effekt, um Jugendliche anzusprechen“, setzte er an. Die VR-Technik sei für diese Gruppe sehr reizvoll, da sie noch realere Welten als in üblichen Konsolenspielen erschaffe. Für die meisten sei diese aufgrund der hohen Anschaffungskosten aber unerreichbar. Gerade ärmere Familien seien allgemein von der Teilhabe mittels moderner Medien ausgeschlossen.

Über den eher spielerischen, emotionalen Zugang wolle er dann im nächsten Schritt Lerninhalte vermitteln, die Jugendlichen fördern, sie sogar in der Berufswahl begleiten. Es gebe Software, mit der man die Bewältigung von Stresssituationen trainieren könne (Resilienzstärkung), Simulationen von Ausbildungselementen im Rettungsdienst und die Gestaltung von Kunstwerken im Atelier eines Künstlers, erläuterte Haha. Das weiß er deshalb so genau, weil er sich privat damit ausgestattet hat. Zweifelnde Ausschussmitglieder lud er ein, einen Termin mit ihm zu vereinbaren und sich selbst ein Bild zu machen.

Eine Kooperation mit der Gesamtschule Merzenich-Niederzier schlug er ebenfalls vor, weitere mögliche Kooperationspartner und potenzielle Sponsoren habe er bereits kontaktiert.

Der Tenor der Ausschussmitglieder, die sich zu Wort meldeten, lautete so: „Ich weiß nicht, ob man über diese nette Sache nicht das Kerngeschäft vergisst.“ (Wolfgang Mohren, CDU), „Ich habe Bedenken, dass wir entweder 10.000 Euro investieren und keiner kommt, oder dass so viele Interesse haben, dass wir bald weitere Brillen anschaffen müssen.“ (Carsten Hentschel, SPD).

Haha stellte richtig, es handele sich um ein ergänzendes Projekt. Dass die Resonanzen groß sein könnten und weitere Brillen binnen kürzester Zeit nötig seien, konnte er nicht leugnen. „Alle reden von Digitalisierung, aber keiner will investieren“, gab er aber auch Kritik zurück.

Bürgermeister Georg Gelhausen (CDU) sprang für Haha in die Bresche: „Die Jugendarbeit der Gemeinde Merzenich driftet nicht in virtuelle Welten ab“, stellte er klar, „wir haben zuletzt einen sehr analogen Bus gekauft.“ Es sei aber nicht damit getan, alle mit Glasfaser und schnellem Internet zu versorgen, „man muss die Menschen auch befähigen. Und man muss Mut haben, Neues auszuprobieren“. Mit der neuen Technik entstünden gerade völlig neue Berufsfelder. Er appellierte deshalb an den Ausschuss, das Projekt auf den Weg zu bringen. „Das ist eine sinnvolle Investition in unsere Jugend und unsere Zukunft.“

Mit fünf Gegenstimmen wurde der Antrag schließlich doch noch beschlossen.