Früherer Kohleausstieg : Landrat fordert schnelleren Geldfluss
Kreis Düren Nur noch etwas mehr als acht Jahre, dann sollen die Öfen in den Braunkohlekraftwerken erkalten. Im Kreis Düren drängt man nun noch mehr zur Eile beim Strukturwandel. Denn noch immer fließt kaum Geld aus Düsseldorf und Berlin.
Der von der Ampel-Koalition in Berlin geforderte beschleunigte Ausstieg aus der Kohleverstromung erhöht den Handlungsdruck in den Kommunen. Sie haben nun nur bis 2030 Zeit, die entscheidenden Weichen für den Strukturwandel zu stellen. Allerdings sind sich Bürgermeister von Tagebauanrainern und Landrat Wolfgang Spelthahn einig: Mit den aktuellen Verfahren ist dies unmöglich zu schaffen.
In der kommenden Woche wollen die Verwaltungschefs im Rheinischen Revier in einer Videokonferenz zusammenkommen, um gemeinsam ein eigenen Forderungskatalog aufzustellen. In dieser Woche hat NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) einen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt, der unter anderem eine Personalverstärkung der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) sowie der Bezirksregierung enthält.
In der Zielsetzung sind sich die Kommunen im Kreis Düren einig: Es muss schneller gehen. „Das Sofortprogramm wurde Ende 2019 gestartet, unsere Projekte sind als förderwürdig anerkannt, aber immer noch liegt keine Bewilligung vor“, schildert Dürens Dezernent Thomas Hissel, der als Vertreter der Anrainerkommunen im Aufsichtsrat der ZRR sitzt. Solche Vorhaben werden von der Zukunftsagentur mit drei Sternen qualifiziert. Damit ist klar, dass es finanziert werden kann, aber eben nicht muss.
Eine finanzielle Klarheit fordert auch Pinkwart und schlägt ein Sondervermögen beim Bund vor, aus dem dann die Strukturwandelprojekte schnell finanziert werden können. Damit stößt er auch bei Wolfgang Spelthahn (CDU) auf offene Ohren, allerdings sagt der Landrat auch: „Es haben schon einige Regierungen versucht, Prozesse zu entbürokratisieren und zu beschleunigen – mit überschaubarem Erfolg.“ Er erneuert seine Forderung, dass das Rheinische Revier zur Sonderwirtschaftszone erklärt werde, wie es beim Ausstieg aus der Steinkohle praktiziert worden sei. „Man muss sich nur das Gelände der ehemaligen Zeche in Hückelhoven anschauen – da ist etwas entstanden“, sagt er.
Für Thomas Hissel, seines Zeichens auch Geschäftsführer der Dürener WIN.DN, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Düren, stellt die Sonderzone eine Grundvoraussetzung für den gelingenden Strukturwandel dar: „Neue Arbeitsplätze werden vor allem in Firmen geschaffen, da darf es nicht sein, dass Unternehmensprojekte an der Beihilfemauer zerschellen.“ In einer Sonderwirtschaftszone wird der Zugang zu Fördertöpfen für Unternehmen erleichtert.
Für die Hürden, die Projekte nehmen müssen, kann Jülichs Bürgermeister Axel Fuchs (parteilos) ein aktuelles Beispiel nennen. Eigentlich sollte ein Areal an der Schneiderstraße in Jülich im Bauausschuss behandelt werden. Es musste allerdings von der Tagesordnung genommen werden, weil laut Fuchs keine Ausgleichsfläche für den Magerrasen, den man entdeckt habe, ausgewiesen worden sei. Jetzt muss zunächst ein Gutachten erstellt werden. „Wenn wir uns in Zukunft um Dinge wie Magerrasen kümmern müssen, kann der Strukturwandel einpacken“, meint Fuchs.
Nun haben Jülich, Niederzier und Titz mit dem Brainergy-Park schon ein heißes Eisen im Strukturwandelfeuer. Für den Titzer Bürgermeister Jürgen Frantzen (CDU) werden damit allerdings nicht ausreichend Arbeitsplätze geschaffen, um die wegfallenden Jobs bei RWE und den Zulieferfirmen auszugleichen. „Wir haben in der Verwaltung schon ohne Strukturwandel einiges zu tun“, schildert er, „deswegen erfordert es Sonderschichten, um die für uns wichtigen Vorhaben wie das Primusquartier mit dem Co-Working-Space umzusetzen.“
Der Personalstand in den betroffenen Kommunen und Kreisen stellt auch laut Landrat Spelthahn ein Problem dar: „Der Markt ist leergefegt, weil alle Behörden nun Menschen mit ähnlicher Qualifikation suchen.“ Vor allem die Bau- und Planungsabteilungen stoßen an ihre Grenzen, wie zahlreiche Verwaltungschefs bestätigen. Dies gilt auch für die Stadt Düren: „Die Kommunen sind an der Stelle überlastet; wir schaffen in Düren weniger als die Hälfte der Bauleistung, die die Politik beschlossen hat“, teilt Thomas Hissel mit.
Für Axel Fuchs müssen auch die Menschen in der Region mitspielen: „Wenn wir gemeinsam die Energiewende wollen, dann müssen wir uns über die Windkraft neu unterhalten.“ Es dürfe in seinen Augen nicht das Sankt-Florian-Prinzip gelten, indem zwar jeder regenerative Energieformen fordere, aber vor der eigenen Haustür ablehne.
Bedeutend sind für die Anrainer die geplanten Infrastrukturprojekte, vor allem die neue Revierbahn nördlich des Tagebaus Hambach und der Lückenschluss zwischen Linnich und Baal. Minister Pinkwart meinte am Montag, dass man diese Projekte noch in diesem Jahrzehnt in Betrieb nehmen müsse. Das hört man im Kreis Düren gerne. Allerdings benötigt man dazu nicht nur beschleunigte Verfahren, sondern vor allem Geld. Spelthahns klarer Auftrag an Düsseldorf und Berlin deshalb: „Der Strukturwandel ist eine besondere Situation, die viele Menschen betrifft – und darum erwarte ich eine genauso schnelle Reaktion wie bei Corona, als es darum ging, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.“