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Karnevalsgesellschaften setzen auf unterschiedliche Sitzungskonzepte

Sitzungskonzepte der KG Vettweiß und Kreuzau : Zwei Wege, ein Ziel: Jecke begeistern!

Brings, Höhner, Kasalla – alle, die im Kölner Karneval Rang und Namen haben, standen schon einmal auf der Zeltbühne der „Hölle von Vettweiß“.

Die mit Profis gespickten Sitzungen locken alljährlich Tausende feierfreudige Frauen in den 9200-Menschen-Ort. Beschaulicher lässt es die KG „Ahle Schlupp“ Kreuzau bei ihren Veranstaltungen zugehen. Bei den Sitzungen dort heißen die Auftretenden Uschi Bauer, Mara Acker, Judith und Manfred Kempen – ausschließlich eigene Kräfte. Was beide Vereine vereint: Die scheinbar gegensätzlichen Konzepte führen zum Erfolg. Schon jetzt steht das Programm der nächsten Session in Vettweiß fest. Auch, wer im Zelt sitzen wird, denn die Kartenbestellungen sind schon gelaufen.

Am 2. Februar konnte man Ticketwünsche mitteilen. Sechs Mitglieder der KG Vettweiß saßen an Telefonen, zudem hatte man online die Möglichkeit, Karten zu ordern. „Wir hätten 18.000 Karten verkaufen können“, schildert Peter Eversheim, 1. Vorsitzender. Platz ist jedoch nur für insgesamt maximal 8.500 Frauen und an einem Termin 1.700 Männer. Die Folge: Nach 15 Minuten schaltete der Verein das Online-Portal ab, nach einer halben Stunde legte man die Telefonhörer aus der Hand.

Die Künstler kennen die Zuschauer

Derartig hektische Situationen kennt man bei der KG „Ahle Schlupp“ in Kreuzau nicht. Dort werden die Karten klassisch bei einem Vereinsmitglied bestellt. Die Menschen, die auf der Bühne stehen, kennen oft die Gäste, die unten zuschauen. Sie wollen erleben, wie die Nachbarn und bekannten in die Bütt steigen, tanzen und parodieren. Auch ohne Stars sind die Sitzungen in der Festhalle Kreuzau mit etwa 450 Zuschauern in der Regel ausverkauft. „Wir versuchen, den gesamten Ort und sämtliche Vereine einzubinden“, berichtet der Präsident und 1. Vorsitzende Peter Kaptain. Im Jahr 1989 übernahm er das Amt.

Das Kreuzauer Programm nimmt in der Regel im Sommer Konturen an. Dann setzen sich die Vorstandsmitglieder mit den vereinseigenen Kräften zusammen, um gemeinsam mögliche Auftritte zu besprechen. „Natürlich kann nicht jeder in jedem Jahr eine Topleistung auf der Bühne liefern, das ist nicht möglich“, weiß Kaptain. Die Zuschauer honorieren die ehrenamtliche Leistung dennoch, zumal viele Gruppen mit Ideenreichtum glänzen. Wer alle vier Sitzungsveranstaltungen in Kreuzau besucht, bekäme immer das Gleiche geboten. Nur in Ausnahmefällen variiert einmal ein Programmpunkt.

Marcus Maubach koordiniert das Programm für die Vettweißer Karnevalsgesellschaft und setzt auf Abwechslung bei jeder Veranstaltung. Wer Kölner Spitzenkräfte verpflichten will, muss früh zuschlagen. Die Verträge werden eineinhalb Jahre im Vorfeld unterzeichnet. Zuvor sind die sogenannten „Mafiabuchungen“ in Köln erfolgt, bei denen die großen Agenturen und Gesellschaften den ersten Zugriff erhalten. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die „Hölle von Vettweiß“ jedoch einen dermaß positiven Ruf in der Künstlerszene erworben, dass sich Maubach keine Sorgen machen muss, bei Buchungen leer auszugehen. Zudem finden die Sitzungen zu Zeiten statt, an denen der Terminkalender der Karnevalsprofis noch nicht überquillt.

 Die KG „Ahle Schlupp“ in Kreuzau setzt auf eigene Kräfte. Da ist jedes Jahr Ideenreichtum der Mitglieder gefragt. Das Bild zeigt die Prinzengarde bei ihrem Auftritt in dieser Session. 
Die KG „Ahle Schlupp“ in Kreuzau setzt auf eigene Kräfte. Da ist jedes Jahr Ideenreichtum der Mitglieder gefragt. Das Bild zeigt die Prinzengarde bei ihrem Auftritt in dieser Session.  Foto: Thomas Wienands

Früher gehörten in Vettweiß eigene Kräfte zur Tradition. „Es wird aber immer schwieriger, eigene Leute zu finden, die sich auf die Bühne trauen“, meint Maubach. Dies gilt allerdings nicht für Tanzgruppen und Mariechen, denn die Funkengarde gehört in jeder Sitzung dazu. Der letzte Büttenredner aus den eigenen Reihen war Bernd Michels. Dass ansonsten ausschließlich Profis auftreten, hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Ende der 60er Jahre entstanden die ersten engeren Kontakte nach Köln. Die Bläck Fööss und Höhner heizten schon in Vettweiß dem Publikum ein, als sie vielen noch relativ unbekannt waren. Einen Programmgestalter, einen Literaten, gab es noch nicht, wohl aber einen „Propagandaleiter“. „Eine solche Funktion und Bezeichnung wäre heute undenkbar“, sagt Peter Eversheim.

Der Vorstand der Kreuzauer Gesellschaft umfasst 19 Personen, allerdings keinen Literaten. Viele wirken schon aus Tradition mit: „Wir sind ein sehr familiärer Verein, manch eine Familie ist seit und mit mehreren Generationen im Vorstand vertreten“, sagt der Präsident und Vorsitzende. Sein Nachname Kaptain taucht häufiger in der Liste auf. Damit das Karnevalsherz auch in Zukunft weiter gesund in dem Ort schlägt, wurden jüngere Mitglieder in den Vorstand aufgenommen. Die Nachwuchsförderung spiele eine wichtige Rolle, sagt Kaptain. Der Wandel im Karneval hat jedoch auch an der Gemeindegrenze nicht Halt gemacht: Prägten früher bis zu sieben Büttenreden eine Sitzung, sind es aktuell noch drei.

In Vettweiß hat der wachsende Strom von Sitzungsbesuchern dazu geführt, dass der ursprüngliche Festsaal Alt-Vettweiß mit Platz für bis zu 500 Gästen zu klein wurde. Seit Anfang der 90er Jahre gehen die Veranstaltungen in einem Festzelt über die Bühne, der Wirt blieb jedoch zunächst der gleiche. Inzwischen wurde die Kapazität nochmals auf jetzt 1700 Plätze vergrößert. Solche Größen erfordern Vorbereitungen über das übliche Karnevalsgeschehen hinaus. In Abstimmung mit der Gemeinde Vettweiß wurde ein Sicherheitskonzept erarbeitet. „Die schrecklichen Ereignisse in Duisburg haben uns wachgerüttelt“, erinnert sich Eversheim. An Veranstaltungstagen sind Verkehrskadetten im Einsatz und es werden Security-Leute verpflichtet. Die Gestaltung des Zeltes allerdings liegt in den Händen der Vereinshelfer.

Viele Zuschauer zum Rosenmontagszug erwartet

Solche Überlegungen spielen in Kreuzau nur am Rosenmontag eine Rolle, wenn sich der Zug mit etwa 1000 Teilnehmern in Bewegung setzt. Tausende Zuschauer werden dann in der Gemeinde erwartet. Viele Helfer sind auch mit von der Partie, wenn das Zeltlager im Sommer für die Jugendlichen ansteht. Etwa 30 Betreuer begleiten dann  den Tross der „Ahle Schluppe“. Sie waren oft selbst einmal Nachwuchskarnevalisten. Selbst die Trainerinnen rekrutiert der Verein aus eigenen Reihen, ehemalige oder noch aktive Tänzerinnen übernehmen so Verantwortung. „Der Applaus des Publikums gibt uns recht“, meint Kaptain. Als Dankeschön erhält man einen Orden und Blumen.

Damit geben sich Künstler, die hauptamtlich vom Karneval leben wollen, nicht zufrieden. „Es ist nicht so, dass wir im Geld schwimmen“, betont Marcus Maubach. Die Vettweißer KG ist als gemeinnütziger Verein im Vereinsregister eingetragen und muss seine Zahlen immer wieder auf den Tisch legen. Die genauen Künstlerhonorare nennt man natürlich nicht, dies ist auch vertraglich untersagt. Aber den hohen Einnahmen der Gesellschaft stehen hohe Ausgaben gegenüber. Dass der Karneval auch auf der geschäftlichen Seite Menschen zusammenbringt, bestätigt Maubach jedoch. Zu manchem Auftretenden ist im Laufe der Jahre eine Freundschaft entstanden. Auch der Spitzname der Veranstaltung stammt dem Vernehmen nach von einer Künstlerin. Marita Köllner genannt „Et fussich Julchen“ ist nicht nur Stammgast, sondern soll auf der Bühne auch die Idee zur „Hölle von Vettweiß“ gehabt haben.

Bei allen Gegensätzen in den Sitzungsgestaltungen prägen beide Vereine viele Ähnlichkeiten. So ist ihnen das Miteinander in ihren Heimatorten wichtig. In Vettweiß bietet man am Fettdonnerstag eine Veranstaltung zum Nulltarif an, „um sich bei den Menschen zu bedanken, die manchmal unter dem Besucherandrang leiden“, sagt Eversheim. Auch in Kreuzau beteiligt man sich an vielen Aktivitäten anderer Clubs im Ort. „Wir wollen ja schließlich auch, dass diese Menschen unsere Veranstaltungen besuchen“, begründet dies Kaptain. Die Mitgliederzahlen sind ähnlich: Zur Vettweißer KG zählen etwa 350 Mitglieder, 70 davon sind Kinder und Jugendliche. Die KG „Ahle Schlupp“ liegt da aus karnevalistischer Sicht allerdings vorne: Aktuell gehören dort 333 Mitglieder dem Verein an – eine närrische Zahl.

Ansonsten prägt der rheinische Satz „Levve on levve losse“ das Miteinander. „Ich finde es bewundernswert, was in Kreuzau geleistet wird“, sagt Maubach. Ähnliches Lob hält Kaptain für die Vettweißer KG bereit und ergänzt: „Wir haben uns eben für einen anderen Weg bei den Sitzungen entschieden.“ Ganz einfach also.