Modellprojekt Prympark in Düren : In der Warteschleife vor dem kleinen Paradies
Düren Im Prympark ist es zu Verzögerungen bei Bauabnahme gekommen. Fünf Familien hatten ihre Wohnungen schon gekündigt, weil sie die Hoffnung hatten, bereits im August umziehen zu können. Seitdem hängen sie in der Luft.
Die Möbel eingelagert, auf unbestimmte Zeit in einer Ferienwohnung, einer WG oder in einem Wohnwagen untergebracht, kurzum: ein Leben aus dem Koffer – so hatten sich das die Menschen, die im August in die Häuser im Prympark einziehen wollten, wohl nicht vorgestellt. „Eine Familie aus Köln ist im Moment in Nideggen einquartiert. Die Kinder sind seit dem Sommer hier in Düren in der Kita und an der Schule angemeldet“, erzählt Lisa Palm, eine der beiden Sprecherinnen der ersten Baugruppe. In dieser haben sich Privatleute zusammengeschlossen, die mit einem eigenen Architekten und einem gemeinsamen Bankkredit ein Mehrfamilienhaus mit 50 Wohnungen errichtet haben. Von außen sehen diese fertig aus, in manchen stehen schon komplette Küchen, Regale, stapelweise Umzugkartons. Aber die Bauabnahme vonseiten der Stadt Düren steht noch aus. Denn zwei elementare Grundvoraussetzungen fehlen: der Anschluss an den Abwasserkanal und die Feuerwehrzufahrten.
Aktuell hängen fünf Familien und fünf Ehepaare in der Luft, die ihre alte Wohnung gekündigt oder ihr altes Haus in dem Glauben verkauft haben, ihre neue Bleibe im Sommer oder spätestens Herbst beziehen zu können. Bis Ende November werden es fünf weitere Ehepaare sein.
„Alle haben gesagt, dass alles für einen Einzug im August getan wird, dass aber nichts versprochen werden kann“, sagt Ursula Enderichs-Holzapfel, Prympark-Koordinatorin und bei der für städtebauliche Belange zuständigen, übergeordneten Ebene angesiedelt. Einige hätten dann aber doch ihre alten Wohnungen gekündigt.
Die fünf betroffenen Familien hatten wohl abgewogen, den Kindern innerhalb des laufenden Schuljahres 2020/21 einen Wechsel zuzumuten oder sie direkt nach den Sommerferien in Düren anzumelden. Auf die Gefahr hin, auf Zwischenlösungen zurückgreifen zu müssen. Und so hat die beschriebene vierköpfige Familie aus Köln gerade einen Aufruf im Internet gestartet: Sie müsse Ende November aus der WG in Nideggen ausziehen und suche händeringend eine neue Übergangsbleibe. Zwei Zimmer würden genügen...
„Das ist alles nicht einfach, hat aber den Zusammenhalt innerhalb der Baugruppe ,Wir mittendrin! im Prympark’ noch verstärkt“, sagt Lisa Palm. Abspringen wolle wegen der monatelangen Verzögerung niemand, auch Enderichs-Holzapfel spricht von einem hohen Maß an Engagement, Überzeugung und gegenseitiger Unterstützung. So hat ein Baugruppenmitglied der Kölner Familie sein Auto geliehen, damit die Mutter mit den Kindern zwischen Nideggen und Düren pendeln kann.
Ironie des Schicksals, wenn man so will. Schließlich werden Umweltgedanke und kurze Wege in den Leitlinien des Prymparks groß geschrieben werden: zwei Kitas auf dem eigenen Gelände, Carsharing, Wasch-Café, Bildung von Wocheneinkaufsgemeinschaften – Schulen und die Innenstadt fußläufig zu erreichen.
Der Prympark, zwischen Zülpicher Straße und Sturmsberg gelegen, könnte so etwas wie ein bundesweit einmaliges Modellprojekt werden, mit einer lebendigen, bunt gemischten Gemeinschaft Gleichgesinnter aller Altersklassen, die sich naturnahes Leben auf die Fahnen geschrieben haben. Ein parkähnliches Gelände mit verschiedenen, eigenständigen Baugruppen, die von Privatleuten, Wohnungsgenossenschaften oder anderen Investoren errichtet werden. 30.000 Quadratmeter umfasst das Areal. Ob sich der erste Teil der geplanten Klimaschutzsiedlung noch bis Jahresende mit Leben füllen wird, bleibt abzuwarten.
Uli Sommer, einer der drei Geschäftsführer der Baugruppe „Wir mittendrin!“ erklärt die Gründe für die Verzögerung so: Bereits im Frühjahr hätten Gespräche zwischen der übergeordneten Quartiersgesellschaft und den zuständigen Behörden stattgefunden. Es seien Absprachen getroffen worden, die die berechtigte Hoffnung zugelassen hätten, im August stünde einem Einzug nichts mehr im Weg. Um eine fünf Meter lange Verbindung zwischen dem Entwässerungssystem des Prymparks und dem Hauptkanal an der Zülpicher Straße handele es sich. „Dann hat sich aber herausgestellt, dass alles viel komplizierter ist als gedacht“, erzählt Sommer. Ein bisschen überrascht sei man schon gewesen, sagt Sommer, „denn eigentlich liegt ja alles auf dem Tisch“.
Die Grundstückseigentümerin, die Evangelische Gemeinde zu Düren, hatte 2011 eine Quartiersgesellschaft gegründet, die für die Entwicklung und Verwaltung der Siedlung zuständig ist. 2016 wurde die Baugenehmigung für das erste Bauprojekt in der Siedlung erteilt, 2018 begannen die Bauarbeiten.
Und dann kamen die Teiche.
Die Quartiersgesellschaft hatte die Pläne, ob das Regenwasser in den Hauptkanal eingeleitet oder auf dem Gelände versickern soll, mehrmals geändert. „Ende Juli/Anfang August haben wir erst die aktuellen Lagepläne erhalten“, sagt die stellvertretende Leiterin der Stadtentwässerung Düren, Dominika Wirtz. „So konnten wir erst zum 1. September die Anschluss- und Betriebsgenehmigung erteilen.“ Finaler Stand ist, dass das Regenwasser über zwei Retentionsteiche auf dem Areal versickert. Bei Einleitung in den Abwasserkanal wäre der Bau eines Rückhaltebeckens erforderlich geworden – eine vollkommen andere Situation. Die Kanalarbeiten stehen laut stellvertretender Amtsleiterin nun aber unmittelbar bevor und könnten innerhalb weniger Tage erledigt sein.
Vorsichtige Prognose
Wenn dann auch die Rettungswege angelegt sind, kann die Stadt Düren aller Wahrscheinlichkeit nach die Bauabnahme erteilen. Die Arbeiten an den Mehrfamilienhäusern selbst bewegen sich derzeit nämlich nur noch im kosmetischen Bereich: Die Fassaden werden gerade gedämmt und verklinkert, Geländer an Balkonen angebracht. „Es wäre unfair zu sagen, der verspätete Einzug läge allein am Abwasser“, sagt Uli Sommer. Corona-bedingt mussten auch Handwerksunternehmen kleine, feste Einheiten bilden, so dass Personal nicht nach Belieben verschoben werden konnte. Unwägbarkeiten, die niemand absehen konnte. „Auch wenn es kirchlicher Boden ist, das Paradies können wir natürlich nicht versprechen“, sagt Koordinatorin Enderichs-Holzapfel. „Aber wenn alle das gleiche Ziel einer guten Gemeinschaft haben, werden auftretende Konflikte gelöst werden können.“ Ihre Prognose: „Alle hoffen, dass die Mitglieder der ersten Baugruppe in ihren neuen Wohnungen Weihnachten feiern können. Es könnte aber auch Januar werden.“
Bei aller Vorfreude und dem ungebrochenen Optimismus: Ab dem 1. Dezember müssen die Baukredite bedient werden. „In Regress nehmen können wir leider niemanden“, sagt Geschäftsführer Sommer und erläutert, dass die Kreditanteile derer, die eine finanzielle Doppelbelastung zu erwarten haben, auf die Allgemeinheit umgelegt werden. Von hohen Beträge gehe er jedoch nicht aus.
„Es sind spannende, abenteuerliche Zeiten für uns“, sagt Lisa Palm, die mit ihrem Mann das gemeinsame Haus in Kreuzau an diesem Wochenende räumen muss. Sie kommt bei Bekannten im Ort unter. Die hätten zum Glück ein großes Haus.