Abwahlverfahren in Hürtgenwald : Rat geht rechtliche Schritte gegen Bürgermeister Andreas Claßen
Hürtgenwald Der Rat der Gemeinde Hürtgenwald geht rechtliche Schritte gegen Andreas Claßen. Anlass ist eine Vereinbarung, die der Bürgermeister unterzeichnet hat. Erstmals meldet sich auch der Bürgermeister zu Wort.
Der Rat der Gemeinde Hürtgenwald wird (dienst-)rechtliche Schritte gegen Bürgermeister Andreas Claßen (parteilos) gehen. Einstimmig hat das Gremium beschlossen, die Kommunalaufsicht einzuschalten und einen Rechtsanwalt mit der Prüfung eines Vorganges zu beauftragen. Außerdem hat der Rat den Bürgermeister formell für sein Verhalten gerügt. Erstmals meldet sich auch Andreas Claßen wieder zu Wort und wehrt sich gegen die Vorwürfe.
Der Anlass dafür ist – wie könnte es anders sein – kompliziert. Da es sich um Vertragsangelegenheiten handelt, sind viele Informationen nicht öffentlich.
Die Ausgangslage: Der noch immer erkrankte Verwaltungschef hat während seiner Dienstunfähigkeit Anfang April eine Vereinbarung unterzeichnet, was er wohl auch darf. Mit dieser Vereinbarung hat er nach Ansicht des Rates gegen einen rechtlich bindenden Ratsbeschluss und gegen einen vor dem Oberlandesgericht in Köln geschlossenen Vergleich verstoßen. Damit habe er wider besseres Wissen zum Nachteil der Gemeinde gehandelt, was die Gemeinde teuer zu stehen kommen könnte, lautete der Tenor im Rat.
Streitpunkt ist eine sandfarbene Piste, die neuerdings anstatt des ehemaligen Wald- und Wiesenweges etwas surreal entlang des Bergsteiner Burgberges führt.
Konflikt um ein Wegerecht
Der Beginn der Geschichte dieser Straße liegt in einem Jahre alten Streit zweier Nachbarn um ein Wegerecht. Die Grundstücke sind traumhaft gelegen unterhalb des Burgbergs mit herrlichem Blick auf Burg Nideggen. Der Ausbau des gemeindeeigenen Wirtschaftsweges und die Errichtung einer neuen Einfahrt, über die das hintere Anliegen erreichbar wird, sollten den Konflikt um das Wegerecht lösen. Vereinfacht formuliert: Für die Ertüchtigung des Wirtschaftswegs gab es eine Vereinbarung der Gemeinde mit dem Eigentümer der vorderen Immobilie, die mit dem Wegerecht belegt war. 80 Prozent der Kosten werden von eben diesem Besitzer übernommen, der mit diesen Baumaßnahmen das Wegerecht loswird. 20 Prozent trägt die Gemeinde, die Eigentümerin des Wirtschaftsweges ist und bleibt.
Lösung wird zum Problem
Doch nun wird die vermeintliche Lösung zum neuen Problem und zum Streitpunkt kurz vor der Abstimmung über die Abwahl: Die FFH-Fraktion, die mit anderen Ratsherren Akteneinsicht beantragt hatte, wirft Claßen vor: „Mit Punkt 3 der Änderung haben Sie der vollständigen Abtretung von Sachmängelansprüchen an die Gemeinde zugestimmt. Dies führt zu nicht absehbaren Nachteilen für die Gemeinde. Des Weiteren weist das von Ihnen akzeptierte Angebot des ausführenden Bauunternehmens erhebliche Mängel auf.“
Auch der Anlieger, der den Weg künftig nutzen soll, hatte Bedenken, ob die Ertüchtigung des Weges qualitativ ausreichend sein würde und hatte dies der Verwaltung am 4. April vorgetragen. Die Verwaltung teilte die Bedenken offenbar: Am 6. April hat die Verwaltung ein Ingenieurbüro, mit dem die Gemeinde regelmäßig zusammenarbeitet, beauftragt, das Angebot der Tiefbaufirma fachlich zu prüfen. Das Ergebnis sind mehrere aufgeführte Mängel, die Schlussendlich die Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit des Weges in Frage stellen.
Dennoch: Am 21. April haben die Arbeiten begonnen, mittlerweile sind sie abgeschlossen. Die Befürchtung der Politik: Der Weg wird nicht halten und die Folgekosten für Reparaturen werden an der Gemeinde hängen bleiben.
Bürgermeister reagiert auf Kritik
Aus Sicht von Bürgermeister Andreas Claßen sind die Vorwürfe „völliger Unsinn“, weswegen er sich auch erstmals wieder öffentlich äußert, zumindest in dieser Sache: Claßen sieht den Ratsbeschluss als neuerlichen Angriff im Wahlkampf. Er betont, dass es ihm gelungen sei, endlich eine pragmatische Lösung für dieses langjährige Problem, bei dem die Gemeinde in der Pflicht zur Ertüchtigung des Weges gewesen sei, zu finden. Dafür habe er sich entschieden, dass die Privatleute als Bauherren agieren konnten. „Wäre die Gemeinde Bauherrin gewesen, hätte das wegen der durch den Nachbarschaftsstreit bedingten Verzögerungen, mit Blick auf Fristen nicht mehr funktioniert“, sagt Claßen.
Auch habe er gegenüber dem Bauunternehmen keine Gewährleistungsansprüche abgetreten. „Die Gemeinde hat keine Ansprüche gegenüber dem Bauherren, wohl aber gegenüber dem Unternehmen. So wäre es ja auch gewesen, wenn die Gemeinde die Maßnahme beauftragt hätte“. Claßen spricht von einer schnellen und günstigen Lösung, die „alles erfülle, worauf Gemeinde und Anlieger Anspruch haben könnten“. So sei die Ausführung des Weges auch so geplant, dass Feuerwehrfahrzeuge das Haus erreichen könnten. Eine Abnahme stehe aber noch aus.
Beleidigte Geschäftspartner?
Auch zu den Mängeln, die das von dem Mitarbeiter beauftragte Ingenieurbüro erhoben hat, hat der Bürgermeister eine dezidierte Meinung: Diese Liste sei vor dem Hintergrund entstanden, dass er das sonst immer von der Gemeinde beauftragte Büro dieses Mal bewusst nicht weiter einbezogen habe und diesem so ein Honorar entgangen sei. Dass sein Mitarbeiter ausgerechnet dieses Büro mit einer juristischen Suggestivfrage nach „negativen Folgen“ des angenommenen Angebotes gefragt habe, hätte ihn in der Tat verärgert – vor allem vor dem Hintergrund, dass der Rat andauernd auf der Suche nach Angriffspunkten sei. Das habe er dem Mitarbeiter auch kundgetan. Eine „unverschämte E-Mail“, wie sie der Rat dem Bürgermeister vorwirft, habe er aber nicht geschrieben.